Warum ist die Entscheidung des EuGH so bemerkenswert und was sind die Konsequenzen?

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Die von dem EuGH als gegen europäisches Recht verstoßende Widerrufsinformation war auszugsweise wie folgt formuliert.

„Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“

In § 492 Abs. 2 BGB sind diese Pflichtangaben jedoch nicht enthalten. Vielmehr verweist diese Vorschrift wiederum in das EGBGB, das Einführungsgesetz zum BGB. Der Verbraucher ist also gezwungen, sich selbst Informationen durch eine Prüfung mehrerer Gesetzestexte zum Beginn der Widerrufsfrist zu beschaffen.

Der EuGH hält dies – anders als der BGH – für nicht zumutbar.

In seiner Entscheidung (Rechtssache C-66/19) stellt der EuGH nun zutreffend fest, dass die Information über das Widerrufsrecht angesichts der Bedeutung dieses Rechts für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung ist und der Verbraucher die Bedingungen, Fristen und Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts kennen muss. Daher müssen, so der EuGH, in klarer und prägnanter Form in dem Kreditvertrag selbst die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist enthalten sein.

Dies ist aber nicht der Fall, wenn in der Widerrufsinformation auf eine Gesetzesvorschrift verwiesen wird, welche ihrerseits wiederum auf andere gesetzliche Vorschriften verweist und sich diese Regelungen nicht aus dem Vertrag selbst ergeben, der regelmäßig rechtsunkundige Verbraucher also zu eigenen Recherchen außerhalb des Vertrages gezwungen ist, um sich über die Ausübung seines Widerrufsrechts zu informieren.

Somit ist nicht gewährleistet, dass der Verbraucher auf Grundlage des Vertrages nicht überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält und ob die Widerrufsfrist, für ihn zu laufen begonnen hat.

Bankkunden, die zwischen Juni 2010 und März 2016 beispielsweise Immobiliendarlehen zur Finanzierung des Kaufs einer Eigentumswohnung oder dem Hausbau eingegangen sind, bietet die Entscheidung des EuGH die Möglichkeit auch heute noch den Widerruf ihrer auf Abschluss dieser Darlehen gerichteten Willenserklärung zu erklären und sich von dem in der Regel im Vergleich zum aktuellen Zinsniveau höherverzinsten Darlehen zu trennen ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung leisten zu müssen. Mit dem wirksamen Widerruf erwirbt der Kreditnehmer sogar einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung.

Trotz dieser spektakulären Entscheidung des BGH werden Banken und Sparkassen Widerrufe ihrer Kunden zunächst nicht anerkennen und versuchen sich diesen zu widersetzen. Insofern sollten sich betroffene Darlehensnehmer von einem im Bereich des Bankrechts spezialisierten Rechtsanwalts bzw. eines Fachanwalts für Bank- und Kapitalmarktrechts im Hinblick auf ihre Rechte und die Möglichkeiten, welche ihnen diese Entscheidung des EuGH eröffnet beraten lassen.

Rechtsanwaltskanzlei KSR, Nürnberg. Wir beraten und vertreten als Fachanwaltskanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht seit mehr als 15 Jahren Mandanten im Zusammenhang mit der Vermittlung von Kapitalanlagen und der fehlerhaften Beratung von Kapitalanlegern in ganz Deutschland.


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