Was 2024 für Verkauf eines Anteils an einer russischen OOO wichtig ist

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Eine deutsche Gesellschaft - GmbH - hält einen Anteil von 100% am Stammkapital der Moskauer Gesellschaft mit beschränkter Haftung - OOO. Es wird geplant, diesen OOO-Anteil auf andere Personen - z.B. die russischen Direktoren (MBO) - oder eine ausländische Gesellschaft aus einer "freundlichen" Jurisdiktion übertragen zu lassen.

Zu beachten ist vorab eine besondere behördliche Zustimmung für Anteilsverkauf durch einen Gesellschafter aus einer "unfreundlichen" Jurisdiktion - z.B. einem EU-Staat oder der Schweiz. Es fragt sich ferner, welche allgemeine Voraussetzungen und Verfahren 2023 berücksichtigt werden sollten. Schließlich ist an einer Kartellanzeige zu denken, wenn der Wert von Aktiva der Zielgesellschaft und ihrer Personengruppe einen Schwellenwert von EUR 25,6 Mln. übersteigt.

1.         Zustimmung der besonderen Behörde 

Mit Verweis auf den Präsidialerlass vom 05.03.2022 Nr. 95 verabschiedete die russische Regierung am 05.03.2022 die Verfügung Nr. 430-r, mit der sie eine "Liste von ausländischen Staaten und Staatsgebieten, die hinsichtlich der Russischen Föderation, russischen juristischen Personen und natürlichen Personen unfreundliche Handlungen vornehmen", - sog. "unfreundlichen" Jurisdiktionen - bestätigt hat.

Ab September 2022 unterliegt die Veräußerung eines OOO-Anteils durch einen Gesellschafter, der eine juristische oder natürliche Person aus einer "unfreundlichen Jurisdiktion" ist, einer vorherigen Zustimmung der besonderen Behörde.

Zuständig ist Unterkommission der Regierungskommission für Kontrolle über Ausführung von ausländischen Investitionen in der RF (Podkomissija Pravitel‘stvennoj kommissii po kontroliu za osustschestvleniem inostrannych investiziy v RF).

Die Zustimmungspflicht wurde durch Präsidialerlass vom 08.09.2022 Nr. 618 eingeführt und den Brief des russ. Finanzministeriums vom 13.10.2022 Nr. 05-06-14RM/99138 erörtert.

Ab dem 19.09.2022 wurden Rechtsgeschäfte, die direkt oder indirekt Begründung, Änderung oder Aufhebung von Besitz-, Nutzungs- und/oder Verfügungsrechten über Anteile am Stammkapital einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach sich ziehen, in Ziff. 1 lit. i von Regelungen für Ausstellung dieser Zustimmungen aufgenommen, die durch die Regierungsverordnung vom 06.03.2022 Nr. 295 bestätigt sind.

Die Zustimmung sollte regelmäßig erteilt werden, sofern folgende Voraussetzungen eingehalten sind:

(i)        eine unabhängige Bewertung eines Marktwertes der Aktiva der russischen Zielgesellschaft ist erforderlich;

(ii)       die Zielgesellschaft ist gegen einen Preis mit Abzug von mindestens 50% des ermittelten Marktwertes ihrer Aktiva, der im Bewertungsbericht angegeben ist, zu verkaufen;

(iii)      es sollten die Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators) für neue Gesellschafter festgelegt werden;

(iv)      zusätzlich sollte der Verkäufer dem Käufer Ratenzahlungen des Endpreises für 1 bis 2 Jahre bewilligen und/oder eine Pflicht "freiwillig" übernehmen, Geldmittel in Höhe von mindestens 10% des Vertragspreises an den russischen Haushalt zu überführen

(vgl. Auszug vom Protokoll der Sitzung des Unterausschusses des Regierungsausschusses für Kontrolle über Ausführung von ausländischen Investitionen in der RF vom 22.12.2022 Nr. 118/1).

Im Endeffekt der russischen Gegensanktion kann der Anteilsverkäufer effektiv max. 40% (= 100% - 50% - 10%) des marktüblichen Preises für seinen Anteil erhalten, von dem er noch die Steuer zu zahlen hat.

Am 16.02.2023 verkündete z.B. Handelsblatt, dass Russland Verkauf von drei IKEA-Werken an lokalen Investoren genehmigt hat. Derzeit ist jedoch zuzugeben, dass dieses noch nicht ganz transparente Prozedere doch eher ausländische Investoren abschreckt.

2.         Allgemeine Voraussetzungen und Verfahren für Anteilsverkauf

2.1       Bezahlung des Anteils an der OOO

Gemäß Art. 21 Ziff. 3 des Föderalen Gesetzes "Über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung" vom 08.02.1998 ("GmbH-Gesetz") kann ein Gesellschafter seinen Anteil nur in dem Umfang veräußern, in dem dieser bereits vorher eingezahlt wurde. Zu prüfen ist, ob die GmbH ihren Anteil an der OOO rechtzeitig gemäß dem Gründungsbeschluss und der Satzung der OOO und (gegebenenfalls) den Beschlüssen über die Kapitalerhöhung der OOO eingezahlt hat.

2.2       Vorerwerbsrechte und Zustimmungsvorbehalte

Im Hinblick auf die entgeltliche Übertragung eines OOO-Anteils an einen Dritten räumt Art. 21 Ziff. 4 des GmbH-Gesetzes den Mitgesellschaftern ein Vorerwerbsrecht ein. Wenn die OOO nur einen einzigen Gesellschafter hat, besteht jedoch kein Vorerwerbsrecht. Ferner kann die Veräußerung der Anteile an einer OOO durch die Satzung verboten bzw. von der Zustimmung der OOO abhängig gemacht werden.

2.3       Abschluss des Vertrags und Registrierung der Anteilsabtretung

Für Abtretung eines OOO-Anteils schließen der Veräußerer und der Erwerber in der Regel einen einheitlichen Kauf- und Abtretungsvertrag, der gem. Art. 21 Ziff. 11 des GmbH-Gesetzes durch einen russischen Notar beglaubigt werden muss. Der Anteilskaufvertrag tritt grundsätzlich mit dessen notariellen Beglaubigung in Kraft.

Zum Notartermin hat eine ausländische Person, die als Partei des Anteilskaufvertrags auftreten sollte, insbesondere

-           Vollmacht,

-           ggf. aktuellen Registerauszug,

-           eine notariell beglaubigte Kopie der Satzung,

-           Bestätigung über Erfassung bei der Steuerbehörde,

-           einen Beschluss über die Bestellung der Geschäftsführer/der Organe, die die Vollmacht unterzeichnen,

-           einen Genehmigungsbeschluss des zuständigen Organs der GmbH über den Kauf des Anteils an der OOO (bitte seinen Inhalt mit mir vor der Unterzeichnung abzustimmen) oder ein Brief der GmbH darüber, dass der Anteilskauf kein Großgeschäft und kein Insichgeschäft darstellt und keine Zustimmung aufgrund der Satzung oder des Gesetzes benötigt,

-           Nachweis über die Einzahlung der OOO-Stammeinlage, z.B. Kontoauszug oder Bankauftrag (vgl. oben),

vorzubereiten.

Alle fremdsprachigen Unterlagen bedürfen Apostille und einer in Russland notariell beglaubigter Übersetzung.

Gleichzeitig mit dem Anteilskaufvertrag beglaubigt der Notar die Benachrichtigung gem. Form R13014 an die Registrierungsbehörde die Steuerinspektion.

Innerhalb von 3 (drei) Arbeitstagen nach dem Vertragsabschluss sendet der Notar die Form R13014 an die Registrierungsbehörde - die Steuerinspektion - ab. Die Registrierungsbehörde nimmt die Angaben über den neuen Gesellschafter ins Einheitliche staatliche Register von juristischen Personen (EGRJuL) und stellt an die OOO eine Bestätigungsunterlage und einen aktualisierten Registerauszug aus.

2.4       Benachrichtigung der OOO über die Anteilsabtretung 

Ebenso innerhalb von 3 (drei) Arbeitstagen muss die OOO über die erfolgte Abtretung schriftlich benachrichtigt werden. Diese Aufgabe ist dem Notar auferlegt, es sei denn, dass eine der Parteien sie auf sich vereinbarungsgemäß übernommen hat.

2.5       Aktualisierung des Gesellschafterliste und Publikation über Anteilserwerb

Schließlich muss der Generaldirektor die aktualisierten Angaben in die Gesellschafterliste der OOO gem. Art. 31-1 des GmbH-Gesetzes aufnehmen. Ebenso ist nicht zu vergessen, Publikation über den Erwerb von Anteilen am Stammkapital der Tochtergesellschaft beim Publikationsträger der Registrierungsbehörde (gem. Art. 6(4)2 des russ. GmbH-Gesetzes) zu veranlassen.

3.         Kartellrechtliche Vorgaben

Die vorherige Zustimmung der russischen Kartellbehörde (der Föderalen Antimonopolbehörde; FAS) ist für den Erwerb von über zwei Drittel der Anteile an einer OOO gem. Art. 28 Ziff. 1 Unterz. 5 des Föderalen Gesetzes "Über die Wettbewerbsschutz" vom 26.07.2006 erforderlich, wenn:

3.1     der summarische Bilanzwert der Aktiva der erwerbenden Person (und ihrer Personengruppe) und der Zielgesellschaft (und ihrer Personengruppe) RUR 7.000.000.000, oder ca. EUR 90 Mln., übersteigt (mit Stand zum 14.02.2023 betrug der öffentliche Euro-Wechselkurs der russischen Zentralbank RUR 78,0542); oder

3.2     ihr summarischer Erlös infolge des Warenvertriebs für das letzte Kalenderjahr RUR 10.000.000.000, oder ca. EUR 128 Mln., übersteigt;

-           und der summarische Bilanzwert der Aktiva der Zielgesellschaft (und ihrer Personengruppe) bei einer dieser Alternativen - gem. Ziff. 3.1 oder Ziff. 3.2 - RUR 800.000.000, oder ca. EUR 10.250.000, übersteigt.

Falls der summarische Bilanzwert der Aktiva der Zielgesellschaft (und ihrer Personengruppe) bei einer dieser Alternativen von RUR 800.000.000 bis RUR 2.000.000.000 (EUR 25.623.000) beträgt, besteht 2023 keine Pflicht zur Einholung der vorherigen Zustimmung. Anstatt dessen kann eine nachträgliche Benachrichtigung der Kartellbehörde veranlasst werden.

Foto(s): Rustem Karimullin


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