Was ist eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation?

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Eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation liegt vor, wenn sich der Tatverdacht gegen einen Beschuldigten oder Angeklagten nur auf ein einziges Beweismittel, nämlich die Aussage eines Zeugen, der in der Regel auch das vermeintliche Opfer der Tat ist, stützt. 

Eine ähnliche Situation kann gegeben sein, wenn zwar mehrere Zeugenaussagen von beispielsweise Freunden und Verwandten des vermeintlichen Opfers vorliegen, die jedoch allesamt demselben Lager zu zuordnen sind.

Während das Opfer bei einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation den Tatvorwurf erhebt, trägt der Beschuldigte eine alternative Sachverhaltsschilderung vor oder bestreitet die Vorwürfe. Da Schweigen nicht juristisch bewertetet werden darf, steht dieses dem Bestreiten der Tat gleich.

Entscheidend ist, dass keine anderen unmittelbar tatbezogenen Beweise vorliegen. Zu solchen Konstellationen kommt es vor allem im Bereich von Sexualdelikten. Hier sind oftmals außer dem Beschuldigten und dem mutmaßlichen Opfer keine weiteren Zeugen vor Ort, die über den unmittelbaren Tathergang berichten können. Wenn darüber hinaus Sachbeweise wie etwa Verletzungen oder DNA-Spuren fehlen oder im konkreten Fall nicht aussagekräftig sind, steht es Aussage gegen Aussage.

Welche Rolle spielt der Grundsatz „in dubio pro reo“ bei einer Aussage-gegen-Aussage Konstellation?

Der Grundsatz „in dubio pro reo“ besagt, dass bei nicht behebbaren tatsächlichen Zweifeln zu Gunsten des Angeklagten zu entscheiden ist. Allerdings führt eine Aussage-gegen-Aussage Konstellation keinesfalls zwingend zu einer Einstellung des Verfahrens oder einem Freispruch. 

Vielmehr ist es Aufgabe des Gerichts, die Glaubwürdigkeit der Beteiligten und die Glaubhaftigkeit der jeweiligen Aussagen zu prüfen und auf dieser Grundlage entsprechend seiner Überzeugung eine Entscheidung zu treffen. Überzeugung meint hierbei die persönliche, subjektive Gewissheit des Richters von der objektiven Wahrheit. Es kommt also darauf an, ob der Richter sich von einer der beiden Aussagen überzeugen lässt oder nicht.

Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist nämlich keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel. Das heißt, er trifft keine Aussage darüber, ob der Richter eine Tatsache für gewiss halten darf oder muss, sondern nur, wie der Richter zu entscheiden hat, wenn er nach der Beweiswürdigung zu keinem eindeutigen Ergebnis kommt. 

Dementsprechend kommt es auch bei Aussage-gegen-Aussage Konstellationen immer dann zu Verurteilungen, wenn das Gericht dem vermeintlichen Opfer glaubt.

Kriterien mit denen die Glaubhaftigkeit von Aussagen vom Gericht in Aussage-gegen-Aussage beurteilt werden

Gem. § 261 StPO hat der Richter im Rahmen der Hauptverhandlung seine Überzeugung zu gewinnen und entscheidet frei über das Ergebnis der Beweisaufnahme. Der Bundesgerichtshof hat jedoch bestimmte Kriterien entwickelt, anhand derer die Glaubhaftigkeit einer Aussage zu beurteilen ist. Zu den wichtigsten Kriterien zählen:

  • die Konstanz der Aussage im Kerngeschehen
  • innere Stimmigkeit und Folgerichtigkeit
  • Detailreichtum, insbesondere hinsichtlich Nebensächlichem und Ausgefallenem
  • die Schilderung von Kommunikation, Interaktion und Komplikation
  • sowie die Wiedergabe eigenen Erlebens und psychischer Vorgänge wie Gefühlen, Sorgen und Ängsten

Zur Beurteilung weiterhin relevant sind:

  • das Bestehen eines Falschbelastungsmotivs wie z. B. Rache, Eifersucht
  • die Entstehungsgeschichte der Aussage, vor allem ein möglicher Einfluss durch Dritte
  • die Aussagekompetenz, welche zum Beispiel bei kindlichen Zeugen oder psychischen Auffälligkeiten beim Zeugen fraglich sein kann. Dann ist zu prüfen, ob die Aussage auch durch Parallelerlebnisse oder reine Erfindung erklärbar sein kann.

Das Gericht kann über die Glaubhaftigkeit einer Aussage entscheiden. Um sicherzustellen, dass dies anhand der entsprechenden Kriterien erfolgt, sollten Sie sich durch einen erfahrenen Strafverteidiger vertreten lassen. Dieser kann gegebenenfalls auch die Erstellung eines sog. psychologischen Glaubwürdigkeitsgutachtens für Sie beantragen.


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