Was ist eine Online-Scheidung? Empfehlungen von Fachanwältin

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Gibt man den Begriff „Online-Scheidung“ in eine gängige Suchmaschine ein, erhält man fast eine halbe Million Treffer. Dies zeigt, dass es offenbar einen großen Markt für Online-Scheidungen gibt. Das ist auch kein Wunder, denn das Versprechen einer „Scheidung zum Nulltarif“, „Scheidung zum Minimaltarif“ oder einer Finanzierung mit „0 % Raten“ ist ein wirksames Argument. Wer würde nicht gerne Geld sparen, zumal für eine Sache, bei der Geld ausgeben so gar keine Freude bereitet?

Ein weiteres Argument für eine Online-Scheidung ist das Entfallen „aufreibender Gespräche über die Trennung“ in einer womöglich weit entfernten Kanzlei, das Entfallen von Wartezeit auf einen Termin, also die emotionale und zeitliche Entlastung.

Was hat es also mit der so genannten Online-Scheidung auf sich?

Zunächst ist festzustellen, dass jede Scheidung in Deutschland von einem Rechtsanwalt eingereicht werden muss. Rechtsanwälte sind verpflichtet, nach dem „Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte“, kurz RVG, abzurechnen. Es ist ihnen nicht gestattet, darunter liegende Gebühren zu berechnen.

Die Höhe der anwaltlichen Gebühren bestimmt sich nach dem Streitwert, den das Gericht festsetzt. Näheres hierzu finden Sie in unserem Rechtstipp „Was kostet die Scheidung oder ein Unterhaltsverfahren ...?“.

Das bedeutet im Klartext: Der Online-Anwalt berechnet exakt dieselben Gebühren wie der Anwalt, der persönlich für Sie da ist.

Online-Anwälte werben oft mit folgenden Vorteilen der Online-Scheidung:

Argument 1:

Sie sparen 50 % der Kosten, wenn Sie sich im Falle einer einvernehmlichen Scheidung mit Ihrem Partner darauf verständigen, dass nur einer von Ihnen einen Anwalt beauftragt und sich dann dessen Kosten teilen.

Erklärung:

Das ist zwar richtig, allerdings können Sie sich mit Ihrem Partner auch bei einer „normalen“ Scheidung darauf verständigen, dass nur einer von Ihnen einen Anwalt beauftragt und Sie sich dessen Kosten teilen. Das ist keine Besonderheit der Online-Scheidung, sondern eine Besonderheit der einvernehmlichen Scheidung.

Argument 2:

Der Online-Anwalt verspricht, bei Gericht eine Reduzierung der Gebühren um 20 % oder sogar 30 % zu beantragen.

Erklärung:

Es gibt keine Garantie, dass das Gericht diesem Antrag folgt. Immerhin entgehen dann auch der Staatskasse Gerichtsgebühren, die ebenfalls nach dem Streitwert berechnet werden. Eine Reduzierung des Streitwertes um 30 % ist weder gesetzlich vorgesehen noch entspricht dies der gängigen Praxis.

Argument 3:

Sie sparen Geld, weil Ihr Online-Anwalt keine Fahrtkosten berechnet.

Erklärung:

Fahrtkosten entstehen nur dann, wenn Sie einen Anwalt außerhalb des zuständigen Gerichtsbezirkes beauftragen. Selbst wenn Sie einen Anwalt an Ihrem Wohnort beauftragen, die Scheidung aber an einem anderen Ort einzureichen ist: Sprechen Sie mit Ihrem Anwalt, ob und welche Fahrtkosten er berechnen wird.

Argument 4:

Sie können die Online-Scheidung in zinsfreien Raten abzahlen oder sich sogar über eine die Möglichkeit einer Scheidung zum Nulltarif informieren

Erklärung:

Bei fast jedem Anwalt können Sie Ratenzahlungen vereinbaren. In unserer Kanzlei berechnen wir dafür selbstverständlich ebenfalls keine Zinsen, dasselbe ist von vielen Kollegen bekannt.

Eine Scheidung zum Nulltarif gibt es nicht. Zwar können Sie bei geringen Einkünften Verfahrenskostenhilfe beantragen, selbstverständlich auch bei uns. Die Scheidung erfolgt dann jedoch nicht zum Nulltarif, sondern die Kosten werden von der Landeskasse übernommen und sind im Übrigen von Ihnen zurückzuzahlen, wenn sich Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse in den vier Jahren nach Beendigung des Verfahrens so verbessern, dass Ihnen die Zahlung oder die Aufnahme von Ratenzahlungen möglich wird.

Argument 5:

Sie sparen Zeit, weil Sie mit Ihrem Anwalt nicht persönlich sprechen müssen.

Erklärung:

Das ist richtig. Allerdings: Wenn Sie es wünschen, können Sie jeden Anwalt bitten, die für die Aufsetzung des Scheidungsantrages erforderlichen Informationen bei Ihnen per E-Mail abzufragen und den Schriftverkehr mit Ihnen per Mail zu führen. Sie müssen sich auch fragen, zu welchem Preis Sie auf ein persönliches Gespräch mit Ihrem Anwalt verzichten. Wahrscheinlich würden Sie sich auch nicht damit begnügen, Ihrem Arzt per Mail Ihre Symptome und vielleicht noch ein Foto zu schicken. Ein guter Anwalt fragt nicht nur Informationen ab, sondern findet im Gespräch auch heraus, ob Sie an alle möglichen Folgen der Trennung gedacht haben – vom Unterhalt bis zum Steuerklassenwechsel, vom womöglich noch gemeinsamen Mietvertrag oder Sparkonto bis zu vermögensrechtlichen Ansprüchen, die Ihnen gar nicht bekannt waren. Natürlich: Wenn Sie all dies nicht wünschen, ist ein persönliches Gespräch entbehrlich. Bevor Sie auf dieses verzichten, bedenken Sie aber bitte, dass dieses Gespräch keine Extrakosten verursacht. Es entstehen Ihnen hierdurch keine Mehrkosten

Was eigentlich passiert, wenn man nach Unterzeichnung der Vollmacht darauf besteht, seinen Online-Anwalt in seiner Kanzlei zu einem Beratungsgespräch aufzusuchen oder sich doch dazu entscheidet, Folgesachen wie Ehegattenunterhalt oder Zugewinn geltend zu machen, ist der Verfasserin dieses Artikels nicht bekannt, wäre aber interessant, herauszufinden.

Heike Mertens, Rechtsanwältin


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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