Weiter Schutzzweck einer Auskunfts- und Beratungspflicht

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Der Schutzzweck einer Auskunfts- oder Beratungspflicht sei nicht stets auf den ersten Erwerb einer Anlage auf der Grundlage der Empfehlung begrenzt. Es stehe den Vertragsparteien frei, auch größere oder unbestimmte Risiken einzugehen. Insofern könne der Schutzzweck haftungserweiternd wirken. Deshalb könnten auch spätere Anlageentscheidungen, die der Anleger auf der Grundlage der pflichtwidrig erteilten Empfehlung, jedoch ohne erneute Beratung/Vermittlung treffe, dem Berater oder Vermittler zuzurechnen sein, BGH, Urteil vom 21. November 2019 - III ZR 244/18 - OLG Celle LG Verden.

Ein solcher Vertrag (Beratung/Vermittlung) mit Haftungsfolgen komme zumindest stillschweigend zu Stande, wenn der Interessent deutlich mache, dass er auf eine (bestimmte) Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen einer Person, die geschäftlich Beratungs- und Auskunftstätigkeit in Bezug auf Geldanlagen anbiete, in Anspruch nehmen wolle; dann liege darin sein Angebot auf Abschluss eines Auskunfts- oder Beratungsvertrags (st. Rspr. vgl. z.B. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2007 - III ZR 100/06, VersR 2008, 352 Rn. 7; BGH, Urteile vom 4. März 1987 - IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117, 118 jew. mwN und vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128). Eine solche Erklärung habe den erforderlichen Rechtsbindungswillen, denn durch sie werde erkennbar, dass für den Anleger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Angaben des Dienstleisters verlasse (vgl. Senat, Urteil vom 21. Juni 2012 - III ZR 291/11, NJW 2012, 3366 Rn. 14).

Ein solches Verhalten könne daher nicht als unverbindlich verstanden werden (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1987 aaO, S. 119). Dieses Angebot nehme der Dienstleister stillschweigend jedenfalls dadurch an, dass er die gewünschte Tätigkeit beginne (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2007 aaO; BGH, Urteile vom 4. März 1987 aaO, S. 118 f und vom 6. Juli 1993 aaO). Eine Entgeltvereinbarung sei keine Voraussetzung für einen verbindlichen Vertrag (BGH, Urteil vom 4. März 1987 aaO, S. 119). Auch sei es unerheblich, wie lange das Gespräch gedauert hätte. Dies könne für die Qualität der Beratung bedeutsam sein; für das Zustandekommen eines Vertrags sei dies dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 18/04, NJW 2005, 820, 822).

Fazit: Das vorgenannte Urteil erfasst die haftungserweiternde Erstreckung des Schutzzwecks einer Auskunfts – oder Beratungspflicht auf spätere Anlageentscheidungen, die Anleger auf Grundlage pflichtwidrig erteilter Empfehlungen ohne erneute Beratung oder Vermittlung treffen, M. Weber, Kapitalmarktrecht, NJW 2020, 969. Als grundlegend neues Funktionsprinzip kann damit eine unzureichende oder unterlassener materielle Beratung ursächlich für den späteren Schaden sein.


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