Welchen Unterhalt muss ich für mein volljähriges Kind zahlen? (aktuelle Zahlen ab 01/2024)

  • 6 Minuten Lesezeit

Befindet sich Ihr volljähriges Kind in der Berufsausbildung und will es nach Abschluss einer solchen eine Weiterbildung oder ein Studium beginnen?

Hier erfahren Sie, welchen Unterhalt Sie zu zahlen verpflichtet sind:

Die Unterhaltspflicht der Eltern ggü. ihren Kindern folgt aus der Verwandtschaft und ist Folge der familiären Solidarität.

Als Eltern sind Sie ggü. Ihren volljährigen Kindern grds. dann unterhaltsverpflichtet, wenn diese außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 I BGB), d. h., wenn 

  • deren Vermögen und Einkommen für den angemessenen Unterhalt nicht ausreicht,

oder 

  • diesen keine Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann (z. B. aufgrund einer Berufsausbildung), § 1610 II BGB.

Der wesentlichste Unterschied zum Unterhalt ggü. Minderjährigen besteht darin, dass beide Elternteile anteilig im Verhältnis ihrer Nettoeinkünfte zu Unterhaltszahlungen verpflichtet sind. 

Die im Unterhalt ggü. minderjährigen Kindern gegebene Gleichwertigkeit von Barunterhalt und Betreuung i.S.d. § 1606 III BGB ist nicht mehr anzuwenden.

Der Unterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes ist im Einzelnen davon abhängig, ob dieses noch bei einem Elternteil wohnt oder bereits einen eigenen Hausstand begründet hat. 

  • Im Falle eines eigenen Hausstands hat der volljährige Unterhaltsberechtigte einen pauschalen Bedarf von ab 01.01.2024 930 € monatlich. Dieser beinhaltet 410 € für eine Unterkunft.
  • Im Falle der Wohnsituation bei einem der Elternteile ist der konkrete Bedarf eines volljährigen Kindes abhängig von seiner Lebensstellung, die sich wiederum von der der Eltern ableitet. Entscheidend sind daher die gesamten Nettoeinkünfte beider Eltern, anhand derer mittels der Düsseldorfer Tabelle der konkrete Bedarf des Kindes berechnet wird. Auch dieser besteht zu 20 % aus Mitteln für Wohnunterkunft.

In beiden Fällen wird ein für das volljährige Kind ggf. ausbezahltes Kindergeld (aktuell: 250 €) voll angerechnet. 

Dieser Bedarf deckt nach der Rechtsprechung die Kosten der allgemeinen Lebensführung, d. h. insbesondere die Kosten für Unterkunft, Lebensmittel, Kleidung.

Nicht beinhaltet sind Kosten für sog. Mehrbedarf, wie z. B. Nachhilfeunterricht, Sportverein, Klassenfahrten, Schul-, Studien- oder Ausbildungsgebühren. Mehrbedarf ist grds. zusätzlich ggü. den Eltern geltend zu machen und ist immer anteilig durch beide Elternteile im Verhältnis ihrer jeweiligen Nettoeinkünfte zu tragen.

Die Unterhaltsverpflichtung der Eltern ggü. ihren volljährigen Kindern besteht aber nicht unendlich:

Eine Unterhaltspflicht besteht jeweils nur bei Vorliegen der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Elternteils. Diese wird durch den sog. Selbstbehalt gewährt. Dies hat zur Folge, dass lediglich Einkünfte, die über dem Selbstbehalt liegen, unterhaltsrechtlich zur Gewährung von Unterhalt heranzuziehen sind. 

Der Selbstbehalt beträgt:

1. ggü. volljährigen, unverheirateten Kindern, die im Haushalt eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schul- (≠ Berufs-) Ausbildung befinden, bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres (sog. notwendiger Eigenbedarf)

  • beim nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ab 01.01.2024 1.200 € monatlich
  • beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ab 01.01.2024 1.450 € monatlich

Hierin sind 520 € für Wohnkosten (warm) enthalten. Übersteigen die Wohnkosten diesen Betrag und sind nicht unangemessen hoch, soll der Selbstbehalt durch das Gericht erhöht werden.

2. Im Übrigen ggü. volljährigen Kindern grds. ab 01.01.2024 1.750 € monatlich (sog. angemessener Eigenbedarf). Hier sind Wohnkosten (warm) in Höhe von 650 € enthalten.

Alle Unterhaltsberechtigten sind grds. verpflichtet, zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs zunächst die Einkünfte aus Vermögen sowie die eigene Arbeitskraft einzusetzen, § 1602 II BGB. 

Der volljährige Unterhaltsberechtigte hat zusätzlich sein Vermögen bis zum Vermögensstamm einzusetzen, bevor Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden können, soweit die Verwertung nicht unzumutbar ist.

Bis auf einen Notgroschen in Höhe von ca. 5.000,00 € für plötzlich auftretenden Sonderbedarf kann der Unterhaltspflichtige den Berechtigten daher darauf verweisen, Sparguthaben zu verwenden oder Vermögenswerte zu verkaufen (OLG Zweibrücken FamRZ 2016, 726).

1. Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Einsetzung der eigenen Arbeitskraft liegt vor, wenn dem Unterhaltsberechtigten die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (insbesondere aufgrund von Schul- oder Berufsausbildung). Nach Beendigung der Berufsausbildung trifft den Volljährigen grds. die Obliegenheit, sich seinen Lebensunterhalt, auch durch Annahme ggf. fachfremder und unterqualifizierter Tätigkeiten, selbst zu verdienen.

Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, die dieser aufgrund der Schul- oder Berufsausbildung erhält (z. B. BAföG), werden grds. im Rahmen einer Unterhaltsberechnung berücksichtigt (BGH FamRZ 2006, 99).

Im Einzelnen besteht sogar eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme von BAföG-Leistungen, nicht aber zur Aufnahme eines zinsgebundenen Studienkredits (OLG Hamm FamRZ 2014, 565).

Ein trotz fehlender Erwerbsobliegenheit generiertes Einkommen des Unterhaltsberechtigten ist überobligatorisch und wird im Rahmen einer Unterhaltsberechnung nicht berücksichtigt (OLG Jena FamRZ 2009, 1416). Dies gilt insbesondere dann, wenn Unterhaltsverpflichtungen seitens des Pflichtigen nicht erfüllt werden oder es sich um eine Nebentätigkeit zur Aufbesserung des Taschengeldes handelt.

2. Unterhalt für einen Volljährigen wird grds. für den Erwerb einer angemessenen Berufsausbildung geschuldet (§ 1610 II BGB), die es den Kindern ermöglicht, zu einer wirtschaftlichen Selbstständigkeit zu gelangen.

Grundsätzlich geschuldet ist aber nur die Finanzierung einer Berufsausbildung, die den Fähigkeiten und Neigungen des Kindes entspricht, die den Eltern wirtschaftlich zumutbar sein muss (BGH FamRZ 2013, 1375).

Grundsätzlich bestimmen Volljährige ihre Berufsziele aber selbst, solange diese geeignet sind, den späteren Lebensunterhalt zu verdienen (BGH FamRZ 1996, 799). Besteht also nach dem bisherigen schulischen Werdegang oder dem Leistungswillen des Kindes keine Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss der weiteren Ausbildung/ Studium, so muss diese seitens der Eltern nicht finanziert werden (BGH FamRZ 1989, 854).

Die bloße Nichtzulassung zu einer Ausbildung/ Studium aufgrund zu schlechter Abschlussnoten ist dabei kein Indiz für eine fehlende Eignung für einen bestimmten Beruf (OLG Hamm FamRZ 1997, 994).

Eine Zumutbarkeit der Finanzierung der Ausbildung durch die Eltern kann insbesondere dann fehlen, wenn diese unvorhersehbar lange dauert oder die Eltern ihre begrenzten finanziellen Mittel aufgrund ihres Alters auf die Sicherung der künftigen Altersvorsorge konzentrieren müssen (BGH FamRZ 2013, 1375).

Eine Verpflichtung der Eltern zur Finanzierung einer weiteren, fachfremden Ausbildung (sog. Zweitausbildung) wird nur in bestimmten Ausnahmefällen vorgesehen, insbesondere:

  1. krankheitsbedingter Ausbildungswechsel des Unterhaltsgläubigers (BGH FamRZ 1993, 1059). Ist die Ausbildung abgeschlossen, muss zuvor eine staatlich finanzierte Umschulung in Anspruch genommen werden (OLG Frankfurt FamRZ 1994, 257ff.).
  2. nachteilige schulische Entwicklung des Kindes aufgrund gestörter häuslicher Verhältnisse (BGH FamRZ 2001, 757) (dann aber Beweislast beim Kind; BGH FamRZ 2000, 421)
  3. gewählter Beruf bietet aus bei Beginn der 1. Ausbildung nicht vorhersehbaren Gründen keine Lebensgrundlage (BGH FamRZ 1995, 417)
  4. Drängen des Kindes in 1. Ausbildung aufgrund deutlicher Fehleinschätzung der Eltern hinsichtlich der Begabungen des Kindes (OLG Celle FamRZ 2014, 219)
  5. begonnene Finanzierung der 2.Ausbildung trotz fehlender Obliegenheit (BGH FamRZ 2001, 1601)

Eine Verpflichtung der Eltern zur Finanzierung einer Weiterbildung im Anschluss an eine Berufsausbildung (d. h. 2. Weiterführende Ausbildung oder Studium) liegt nur dann vor, wenn

1. Ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erstausbildung besteht. 

Dies ist auch der Fall, wenn bereits bei Abschluss der Erstausbildung beschlossen wurde, die Weiterbildung zu machen und lediglich erst nach 3 Jahren ein Platz ergattert werden konnte (BGH FamRZ 2017, 1132), 

nicht aber, 

wenn erst nach ca. 2 Jahren nach Abschluss der Erstausbildung der Entschluss zur Weiterbildung gefasst oder die entsprechende Zweitausbildung trotz Möglichkeit erst nach dieser Zeit aufgenommen wurde (BGH FamRZ 2001, 1601).

Zwar wird nach dem Schulabschluss eine gewisse Orientierungsphase zugestanden, diese beträgt aber in der Regel höchstens 1 Jahr (OLG Köln NJW 2012, 2364).

2. Ein enger fachlicher Zusammenhang mit der Erstausbildung besteht, 

d. h., die weitere Ausbildung derselben Berufssparte angehört und eine Weiterführung oder Vertiefung der Erstausbildung darstellt (BGH FamRZ 2017, 799).

Ggf. kann der enge fachliche Zusammenhang entfallen, wenn bereits bei Beginn der Erstausbildung dieser Weg geplant und mit einem Elternteil besprochen wurde und die Ausbildungsabschnitte zeitlich ineinandergreifen (OLG Celle FamRZ 2007, 929).

Entscheidend ist also, ob die Eltern mit einer Fortsetzung der Unterhaltspflicht rechnen mussten (OLG Brandenburg FamRZ 2009, 2014).

Der Verpflichtung zur Finanzierung steht die Pflicht der Kinder gegenüber, die Ausbildung zielstrebig zu betreiben und innerhalb üblicher Dauer zu beenden (BGH FamRZ 2013, 1375).

Verletzt das volljährige Kind ohne begründete Rechtfertigung die obigen Verpflichtungen daher nachhaltig (z. B. wenn Prüfungen mehrfach nicht bestanden werden, nicht jedoch das bloße Wiederholen eines Schuljahres), kann der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfallen (OLG Frankfurt NJW 2009, 235).

Die Eltern haben daher das Recht zur Kontrolle der schulischen Leistungen.

Für eine individuelle Beratung in einem persönlichen Erstberatungsgespräch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Eine detaillierte Prüfung möglicher Unterhaltspflichten führen wir für Sie gerne im Rahmen einer kostenpflichtigen Beauftragung durch.


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