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Weniger Gewerbemiete dank gesetzlicher Vermutungsregelung

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Durch die Corona-Pandemie sind zahlreiche Mieter von gewerblichen Immobilien in schweres Fahrwasser geraten. Dabei geht es nicht nur um Betriebe die direkt von behördlichen Schließungen betroffen waren oder sind, wie Einzelhandel, Gastronomiebetriebe, Fitnessstudios, Wellnessangebote, Beauty- oder Friseursalons oder faktisch plötzlich keinen Umsatz mehr machten, wie beispielsweise Reisebüros. Indirekt gibt es wohl kaum einen Betrieb, der nicht irgendwie betroffen ist. Für diese Betroffenen gibt es seit Januar 2021 eine Regelung, die Gewerbemietern Entlastung bringen kann.

März 2020: Gewerbemiete senken – aber wie?

Die schwierige Situation der Mieter alles war schon bei Pandemiebeginn absehbar und schon damals stellten sich Mietrechtler die Frage, was das für Auswirkungen auf die Gewerbemieten haben wird. Auch die Kanzlei Alsterland veröffentlichte dazu frühzeitig einen Rechtstipp (hier klicken). Schon damals war eigentlich klar, dass auf irgendeine Weise eine Mietminderung naheliegt. Zu ungewöhnlich und dramatisch war die Situation, als dass man zumindest vom „Gerechtigkeitsgefühl“ her nicht sagen wollte, dass die Mieter alleine die Folgen der dramatischen Umsatzeinbrüche tragen sollten.

Die große Frage war allerdings: Welchen rechtlichen Weg bieten die Gesetze, um dieses Ergebnis zu erreichen. Schließlich hatte man bei der Formulierung der Gesetze noch nichts von Corona und Covid-19 gehört.

Mangel, Unmöglichkeit auch oder Störung der Geschäftsgrundlage?

Im wesentlichen versuchte man das Problem auf drei Arten zu lösen: Die einen sahen die behördlichen Anordnungen und die davon ausgelösten Wirkungen als einen Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB. Sind die Räumlichkeiten wegen eines Mangels nur noch eingeschränkt nutzbar, so gibt es das Recht der Minderung – je nach dem Grad der Beeinträchtigung bis zu 100 %.

Vereinzelt wurde auch ein Fall der Unmöglichkeit nach § 275 BGB angenommen. Zumindest bei direkten Schließungen wäre es dem Vermieter dann unmöglich, die Räume zum vereinbarten Zweck anzubieten und der Mieter wird dann von der Mietzahlungspflicht befreit.

Einen ganz tiefen Griff in die Kiste der Geschichte taten dann die Juristen, die das Problem über den § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) lösen wollten. Hier gab es einen einigermaßen vergleichbaren Fall, in dem das Reichsgericht über die Miete eines Tanzlokals entscheiden musste, nachdem Tanzen wegen Ausbruch des ersten Weltkriegs verboten wurde.  Da geht es darum, dass bei ganz unvorhergesehenen Sachverhalten die Verträge so angepasst werden, dass ein interessengerechter Ausgleich zwischen den Parteien gefunden wird.

Gerichte machen Gewerbemiete dann einen Strich durch die Rechnung

Nachdem die Diskussion zunächst rein akademischer Natur war, gab es dann in der zweiten Jahreshälfte endlich die ersten Urteile – und die gingen überwiegend zugunsten der Vermieter aus. Das Risiko, dass die Mieträume auch für den beabsichtigten Zweck genutzt werden können, läge danach allein beim Mieter. Manche Gerichte wollten eine unmittelbare Bedrohung der Existenz sehen, andere verwiesen auf die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen. Auch der sicherlich gut gemeinte Ratschlag der verbeamteten Richterschaft, man könne den freigewordenen Platz auch für andere Zwecke, beispielsweise als Lager, nutzen, sorgten für Stirnrunzeln. Außerdem gäbe es ja auch Versicherungen, die so ein Risiko abdecken und viele Unternehmen seien mit Onlinehandel gut im Geschäft.

Es gab zwar auch Ausnahmen, wie das Landgericht München (LG München I, Urteil vom 22. September 2020 – 3 O 4495/20; LG Kempten, Urteil vom 7. Dezember 2020 – 23 O 753/20), die tatsächlich entschieden, dass pandemiebedingte Schließungen ein Mangel seien, der der Mietsache direkt anhafte. Aber die weit überwiegenden Mehrheit der Gerichte in der ersten Instanz lehnte das ab.

Politik steuert gegen die Rechtsprechung

Diese Entwicklung entging auch nicht der Politik, die die Konsequenzen für die Wirtschaft offenbar als ungerecht empfand. Die bereits erwähnte Störung der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB wurde als „Hebel“ erkoren, um das Machtverhältnis zwischen Vermieter und Mieter auszugleichen. Das Gesetz direkt wurde nicht geändert, aber es wurde mit Art. 240 § 7 EGBGB eine neue Regel implantiert, wie diese Vorschrift angewendet werden soll. Und nun steht dort:

„Sind… vemietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, …, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat“.

Es handelt sich zwar „nur“ um die gesetzliche Vermutung, dass wegen einer staatlichen Maßnahme zur Pandemiebekämpfung der Anwendungsbereich des § 313 eröffnet ist – das dürfte in der Praxis jedoch große Auswirkungen haben.

Vermutungsregelung gilt auch rückwirkend für Sachverhalte in der Vergangenheit

Inwieweit und wie schnell die Rechtsprechung diese neue Regelung umsetzen wird, kann noch nicht gesagt werden. Man wird aber mit guten Argumenten davon ausgehen können, dass die neue „Bedienungsanleitung“ für die Störung der Geschäftsgrundlage auch für alte Sachverhalte gilt. Denn die neue Vorschrift bezieht sich ohne genauere zeitliche Eingrenzung auf staatliche Maßnahmen zur Pandemie-Abwehr. Die gab es bereits im Frühjahr 2020. Eine nachträgliche Herabsetzung der Mieten kommt damit grundsätzlich in Betracht. Hier muss man allerdings dann – wie eigentlich immer – den konkreten Einzelfall noch einmal gesondert prüfen.

Mit „staatlichen Maßnahmen“ dürften im Übrigen nicht nur die konkreten Betriebsschließungen gemeint sein. Auch die regelmäßigen Appelle der Regierung, Kontakte zu vermeiden und nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben, sind wegen ihrer großen medialen Wirkung ebenfalls als „Maßnahme“ zu qualifizieren.

Trotz besserer Karten, dass Blatt nicht überreizen

Bei Konflikten mit den Vermietern haben sich die Erfolgsaussichten für Gewerberaummieter sicherlich deutlich erhöht. Trotzdem bestehen weiterhin noch einige Stolperfallen, über die man stürzen kann. Es bleibt letztlich daher grundsätzlich bei dem bereits zu Beginner der Pandemie geäußerten Ratschlag:

Beide Parteien sollten sich zunächst intern oder extern fachlich beraten lassen, um die individuelle Situation zu erfassen und darauf aufbauend handeln. Unsere Kanzlei steht Ihnen dabei gerne zur Seite.

Vor einer eskalierenden Auseinandersetzung ist es sicher empfehlenswert, sich dann gemeinsam hinzusetzen und eine Lösung zu finden. Hier hat es leider seit Beginn der Pandemie eher wenig Entgegenkommen von Seiten der Vermieter gegeben. Auch wenn es einige Vermieter gibt, die sogar aktiv auf Ihre Geschäftspartner zugegangen sind und die Miete reduziert oder auch gestundet haben, hat sich ein größerer Teil der Vermieter bisher uneinsichtig gezeigt. Bis Ende 2020 konnte man sich das zumindest im Rahmen der rechtlichen Risikoabwägung auch leisten – nun wurden die Karten aber neu gemischt und in so manchem Mietverhältnis dürfte jetzt noch einmal Gesprächsbedarf bestehen. Hierbei können wir Sie sowohl aktiv als auch im Hintergrund als Stichwortgeber unterstützen.

Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Wenn Sie zu diesem Thema eine Frage haben oder eine Beratung wünschen, können Sie sich gerne an die Kanzlei Alsterland und Rechtsanwalt Jörn Blank wenden.

Rufen Sie einfach an oder melden sich per E-Mail. Beachten Sie bitte, dass zwar weder die Kontaktaufnahme noch allgemeine Vorfragen mit Kosten verbunden sind – aber die eigentliche Beratungstätigkeit und die Beantwortung rechtlicher Fragen schon.



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