Wenn die Kaffeepause zur Kündigung führt - LAG Hamm Urt. vom 27.01.2023 - 13 Sa 1007/Sa -

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In den letzten Wochen war vor allem die Arbeitszeiterfassung ein brisantes Thema im Bereich des Arbeitsrechts. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte sich in der vorliegenden Entscheidung mit einer fristlosen Kündigung zu befassen, bei der die korrekte Arbeitszeiterfassung ebenfalls eine wesentliche Rolle spielte.


Worum ging es?

Die Klägerin - ü60 und mit einem Grad der Behinderung von 100% - war seit September 2013 für die Beklagte als Raumpflegerin tätig. Zur Erfassung der Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter hatte die Beklagte ein elektronisches Arbeitszeiterfassungssystem in ihrem Betrieb eingerichtet. Die Mitarbeiter waren hierbei angewiesen, sich jeweils zu Beginn bzw. zum Ende ihrer Arbeitszeit entsprechend ein- und auszutragen. Genommene Pausenzeiten sollten ebenfalls entsprechend durch Ein- und Austragung festgehalten werden.


Im Oktober 2021 nahm die Klägerin ihre Arbeitstätigkeit gegen 7:20 Uhr auf und trug sich in die Zeiterfassung ein. Wenig später erklärte sie gegenüber anderen Mitarbeitern, dass sie in den Keller gehen würde, stattdessen traf sie sich jedoch auf der anderen Straßenseite für mindestens 10 Minuten in einem Café zum Kaffeetrinken. Das Problem: die Klägerin trug sich hierbei zu Beginn ihrer Pause nicht aus der elektronischen Zeiterfassung aus. Zudem beobachtete der beklagte Arbeitgeber das Geschehen aus seinem Auto heraus und konfrontierte die Klägerin, als diese in den Betrieb zurückkehrte.


Wie reagierte die Klägerin?

Als der Beklagte die Klägerin auf ihre nicht eingetragene Kaffeepause ansprach leugnete diese zunächst, im Café gewesen zu sein. Nachdem der Beklagte erklärte, dass er die Klägerin dabei beobachtet habe, bestritt sie weiterhin das Café besucht zu haben und stattdessen im Keller gewesen zu sein. Letztlich kündigte der Beklagte an, der Klägerin Beweisfotos auf seinem Handy zeigen zu wollen um den Cafébesuch nachzuweisen - was schließlich dazu führte, dass die Klägerin die nicht in die Zeiterfassung eingetragene Pause und somit ihre Pflichtverletzung einräumte.


Der Beklagte beantragte daraufhin beim zuständigen Inklusionsamt die Zustimmung zur Kündigung der schwerbehinderten Klägerin, welche ihm auch erteilt wurde. Noch am selben Tag kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos aus wichtigem Grund.


Gegen diese Kündigung wehrte sich die Klägerin mit der von ihr erhobenen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Aus ihrer Sicht war die Kaffeepause nicht geeignet, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Sie habe hinsichtlich der Arbeitszeit nicht betrogen, sondern schlicht vergessen, ihre Pause in der Zeiterfassung einzutragen. Die kurze Zeitspanne der Kaffeepause sei zudem nicht so gewichtig, um ein über acht Jahre dauerndes Arbeitsverhältnis, welches bisher frei von Störungen und Problemen gewesen sei, fristlos zu kündigen. Vielmehr hätte der Beklagte eine Abmahnung aussprechen müssen.


Wie entschieden die Gerichte?

Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab, woraufhin die Klägerin Berufung einlegte. Über diese musste nun das LAG Hamm entscheiden - und bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts.


Das LAG Hamm sah die fristlose Kündigung durch den Beklagten aufgrund des vorsätzlichen Verstoßes der Klägerin als wirksam an. Dieser stelle einen wichtigen Grund nach § 626 BGB dar und sei somit grundsätzlich geeignet, eine fristlose Kündigung zu begründen. Die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit kann dabei grundsätzlich auch auf die Arbeitnehmer übertragen werden. In diesen Fällen müsse der Arbeitgeber jedoch darauf vertrauen können, dass die Arbeitszeiterfassung nicht missbraucht, sondern gewissenhaft ausgeübt wird. Einen solchen Missbrauch sah das Gericht vorliegend jedoch als gegeben an, denn es stand nach dem Eingeständnis der Klägerin unstreitig fest, dass diese ihren Arbeitsplatz für die Kaffeepause verlassen hatte, ohne sich auszutragen. Dies stelle in der Regel eine erhebliche Pflichtverletzung sowie einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Dabei komme es zudem auch nicht darauf an, ob es ein erstmaliges Vergehen der Klägerin war oder ob es sich nur um wenige Minuten gehandelt habe - vielmehr entscheidend sei der damit eintretende Vertrauensverlust, der spätestens durch das vehemente Leugnen der Klägerin auftrat.


Die durchgeführte Interessenabwägung führte nach Ansicht des Gerichts dazu, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten sei. Grundsätzlich ist dabei zu berücksichtige, dass die fristlose, außerordentliche Kündigung das letzte Mittel darstellen darf. Es darf also kein milderes, schonenderes Mittel zur Verfügung stehen. In Betracht kommen hier vor allem eine ordentliche Kündigung oder gar eine Abmahnung, wenn diese geeignet sind, künftige Störungen und Pflichtverletzungen zu vermeiden.


Eine Vermeidung künftiger Störungen durch andere Mittel sah das LAG Hamm jedoch nicht als gegeben an. Die Kürze der Kaffeepause sowie die langjährige, störungsfreie Zusammenarbeit mussten hierbei zwar ebenso positiv berücksichtigt werden wie die gesundheitliche Situation der Klägerin. Die vorsätzliche und von der Klägerin steuerbare Pflichtverletzung wiege jedoch bereits so schwer, dass das Vertrauen nachhaltig gestört wurde. Erschwerend komme letztlich hinzu, dass die Klägerin den Beklagten mehrfach belogen und die Kaffeepause geleugnet hatte. Sie zeigte dadurch, dass ihr Verhalten nachhaltig auf Vertuschung angelegt war und sie für ihr Fehlverhalten keine Reue empfand.


Durch ihr Verhalten zerstörte die Klägerin jegliches Vertrauen, welches über die letzten acht Jahre aufgebaut wurde. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses war dem Beklagten unter diesen Umständen - auch bis zum Ende einer Kündigungsfrist - daher nicht mehr zumutbar und die fristlose Kündigung wirksam.


Fazit

Das Urteil zeigt, dass ein Verstoß gegen die Arbeitszeiterfassung durchaus eine Gefahr für das Arbeitsverhältnis darstellen kann. Zwar wird man grundsätzlich davon ausgehen können, dass bei tatsächlichem, schlichtem Vergessen der Ein- und Austragung von Pausen eine Abmahnung vorrangig sein dürfte. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann dabei jedoch auch das Nachtatverhalten eine gewichtige Rolle spielen. Der Klägerin fiel vorliegend der Versuch auf die eigenen Füße, die Kaffeepause gegenüber ihrem Arbeitgeber zu leugnen. Durch das Abstreiten ihres Fehlverhaltens verschenkte die Klägerin jegliches Vertrauen, welches sie sich über die vergangenen acht Jahre aufgebaut hatte - und machte somit auch eine Abmahnung für ihr Fehlverhalten entbehrlich.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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