Wer grundlos abrupt abbremst, haftet bei einem Auffahrunfall ebenfalls

  • 2 Minuten Lesezeit

Mit Urteil vom 20.11.2015 hatte das LG Saarbrücken über die Schuldfrage bei einem Auffahrunfall entschieden, der durch grundloses abruptes Abbremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs verursacht worden war. Entgegen der Vermutung, dass der Auffahrende Schuld an solchen Zusammenstößen sei, sprach es der vorausfahrenden Fahrerin eine erhebliche Mitschuld an dem Unfall zu.

Die Klägerin hielt an einer roten Ampel hinter dem Fahrzeug der Beklagten, die ihrerseits hinter zwei anderen Wagen hielt. Als die Ampel auf Grün schaltete, setzen sich alle Fahrzeuge in Bewegung. Die Beklagte bremste jedoch urplötzlich ohne erkennbaren Grund ab, weshalb die Klägerin auffuhr und es so zum Zusammenstoß kam. Als Grund für das plötzliche Abbremsen gab die Beklagte später an, dass sie das Abbiegen einer Radfahrerin auf die Kreuzung befürchtet habe und deren Verletzung verhindern wollte.

Die Klägerin machte den Schaden nebst Anwaltskosten geltend und räumte eine eigene Mitschuld von 1/3 ein. Die erste Instanz nahm jedoch eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zulasten der Klägerin vor.

Das sah das LG Saarbrücken anders. Zwar stimmte es dem Erstgericht darin zu, dass beide Beteiligte einen Verkehrsverstoß begangen haben. Die Beklagte hatte durch das Abbremsen ohne triftigen Grund gegen § 4 Abs. 1 StVO verstoßen, denn die Fahrradfahrerin hatte ausgesagt, sie habe auf dem Bürgersteig wegen der für sie auf Rot geschalteten Ampel angehalten. Objektiv betrachtet lag daher kein Grund für das abrupte Abbremsen der Beklagten vor. Sie als Vorfahrtsberechtigte müsse die „Grünphase dazu nutzen, einen ungehinderten Verkehrsfluss zu gewährleisten“. Dieser atypische Geschehensablauf erschütterte den Anscheinsbeweis der Beklagten.

Die Klägerin ihrerseits hatte gegen § 3 Abs. 1 S. 4 und § 1 StVO verstoßen, wonach ein Verkehrsteilnehmer ein rechtzeitiges Halten durch Geschwindigkeits- und Abstandsregelung gewährleisten muss. Ihr fehlte die nötige besondere Aufmerksamkeit und die geforderte erhöhte Bremsbereitschaft, sodass ihr eine Mitschuld vorzuwerfen war. Im Gegensatz zum Erstgericht hielt das LG eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zulasten der Beklagten wegen des schwerwiegenden Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO (starkes Abbremsen ohne zwingenden Grund) für angemessen.

Die Schuld der Beklagten überwog deshalb, weil diese durch das abrupte Abbremsen die Ursache für den Unfall gesetzt hatte. Dazu führte auch der Umstand, dass bereits zwei Autos zuvor problemlos abgebogen waren.

Je weniger ein Fahrer also mit einem starken Abbremsen seines Vordermanns rechnen muss, desto schwerer wiegt die Schuld des Vorausfahrenden.

LG Saarbrücken, Urteil v. 20. November 2015

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Johlige, Skana & Partner in Berlin.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Fachanwalt für Verkehrsrecht Sven Skana

Beiträge zum Thema