Widerruf teurer Immobilienverträge jederzeit rechtssicher möglich!?

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Lieber Immobiliendarlehensnehmer,

aus gegebenem Anlass erlaube ich mir, über die aktuelle Rechtsprechung bei Immobiliendarlehensverträgen zu unterrichten!

Unter der Überschrift: „Aus teuren Immobilienkrediten günstig aussteigen und Ahnliches“ wurde in der Presse häufig berichtet, dass Bankkunden aus Immobilienverträgen einfach aussteigen könnten, da ja eh die Widerrufsbelehrungen falsch sind.

Das Ganze wurde häufig als einfach dargestellt. Ist es aber nicht: Es gibt „x-verschiedene Widerrufsbelehrungen“, und wenn, wie die Verbraucherzentrale Hamburg mit Pressemeldung vom 20.12.13 auf ihrer Homepage unter dem Link http://www.vzhh.de/baufinanzierung/311059/widerrufsbelehrungen-meistens-ungueltig.aspx feststellt, ca. 2/3 der untersuchten 300 Widerrufsbelehrungen unwirksam sind, heißt dies auch, dass 1/3 wirksam sind (?) – die Wahrheit ist wohl mal wieder: Jeder Einzelfall kann unterschiedlich liegen!

Anlass zur Prüfung hat nun jeder, der ein Immobiliendarlehen abgeschlossen hat, da große Zinsunterschiede häufig Tausende von Euro zu Gunsten bzw. zu Lasten der Bankkunden bedeuten können. 

Hier sei nur ein Fall beschrieben, der sich ebenso häufig in der Presse wiederfindet

Die Formulierung „Die Widerrufsfrist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, die in der entsprechenden BGB-InfoV vorgegeben war, wurde seitens des Bundesgerichtshofes als irreführend und damit unwirksam bewertet.

Vertrauensschutz der Banken besteht nur, wenn diese die Widerrufsbelehrung aus der Verordnung 1:1 übernommen haben. Wurde etwas hinzugefügt oder weggelassen, stehen die Chancen für den Darlehensnehmer nicht schlecht.

Hier das zuletzt in der Presse zitierte BGH-Urteil:

Urteil vom 1.12.2010, A.z.:VIII ZR 82/10

Und der Tenor

Dem Unternehmer (gemeint ist die Bank) ist eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung (BGBl. I 2004 S. 3102) jedenfalls dann verwehrt, wenn der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher für die Widerrufsbelehrung kein Formular verwendet hat, das der Musterbelehrung der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung vollständig entspricht (im Anschluss an BGH, Urteil vom 12. April 2007 – VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rn. 12; Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 zur Belehrung über das Rückgaberecht).

Ausgangsprunkt des Rechtstreits war die Formulierung der BGB Info VO (2008), die eine nach Ansicht des Bundesgerichtshofes fehlerhafte Widerrufsbelehrung besitzt. Die falsche Widerrufsbelehrung enthielt zum Zweck der Unterrichtung des Darlehensnehmers über den Fristbeginn folgende Formulierung „Die Widerrufsfrist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung ...“

Dieser Rechtsansicht schließen sich viele Obergerichte an, z.B.: das OLG Brandenburg (Entscheidung vom 21.08.2013 A.z.: 4 U 202/11):

Die hier vorliegenden Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag („Widerrufsbelehrung Nr. 2“, Anlage K 145, Bl. 261), in der es heißt, dass die Frist für den Widerruf „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginne, wird diesen Anforderungen nicht gerecht; denn dadurch wird der Verbraucher im Unklaren darüber gelassen, unter welchen weiteren Voraussetzungen die Widerrufsfrist zu laufen beginnt (vgl. nur BGH, Urteil vom 01.12.2010 – VIII ZR 82/10 (http://openjur.de/u/83058.html) – Rn. 12; 15.08. 2012 – VIII ZR 378/11 (http://openjur.de/u/499417.html) – Rn. 9; 01.03.2012 – III ZR 83/11 (http://openjur.de/u/339023.html) – Rn. 15; 19.07.2012 – III ZR 252/11 (http://openjur.de/u/440437.html)– Rn. 13).

Außerdem waren in dem vom BGH zuletzt entschiedenen Fall die Überschriften der BGB-InfoV verändert worden und damit die Gliederung der amtl. Verordnung.

Das Wort ... „frühestens“ ... ist (auch) unseres Erachtens als irreführend für den Darlehensnehmer zu bewerten. Denn: Dem Darlehensnehmer soll die Ausübung seines Widerrufsrechtes problemlos ermöglicht werden. Der Lauf der Frist beginnt mit Übergabe der Belehrung ... und nicht danach. Also ist das Wort frühestens, das sich (peinlicher Weise) auch in der Musterverordnung zum BGB fand, irreführend.

Nur wenn die Bank oder Bausparkasse sich absolut an den Wortlaut der BGB-InfoV gehalten hat, genießt sie Vertrauensschutz. (Das heißt, die Bank durfte diese wenn auch falsche Belehrung verwenden, falls der Text der Verordnung unverändert abgeschrieben wurde. Der Darlehensnehmer kann somit – trotz falscher Belehrung(!) – nicht widerrufen, falls diese falsche Belehrung 1:1 aus der Verordnung übernommen wurde. Wurde sie aber häufig nicht.

Auch nicht in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall. 

So darf nach Ansicht des Bundesgerichtshofes nicht die Gliederung der Überschriften wegegelassen werden. Ist dies der Fall, kann der Verbraucher ggf. auch nach Jahren widerrufen.

Die in der Presse häufig gefundene Meldung ist aber gefährlich und zwar für den Fall, dass das Widerrufsrecht verwirkt ist.

Also: Holzauge sei wachsam!

Besser erst verhandeln statt klagen – insbesondere bei Altverträgen und insbesondere falls keine Rechtschutzversicherung die Kosten deckt:

Hier hatte das OLG Köln einem Darlehensnehmer nach 7 Jahren trotz falscher Widerrufsbelehrung aufgrund angelblich eingetretener Verwirkung den Widerruf nicht gestattet.

Allerdings ist dies wiederrum nur möglich soweit der Tatbestand der Verwirkung tatsächlich erfüllt ist:

Hier ist entgegen verschiedenen Pressemeldungen wiederrum nicht nur auf das zeitliche Moment, sondern auch auf das Umstandsmoment abzustellen. Hierzu führet das Brandenburgische OLG in seiner Entscheidung vom 21.08.2013, A.z. 4 U 202/ 11 wie folgt aus:

„Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, dass der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde und die verspätete Geltendmachung daher gegen Treu und Glauben verstößt (s. etwa BGH, Urteil vom 18.10.2004 – II ZR 352/02 (http://openjur.de/u/180778.html), Rn. 23). In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte ohne Erfolg auf die Entscheidung des OLG Köln vom 25.01.2012 – 13 U 30/11 – (http://openjur.de/u/452944.html), in der Verwirkung bejaht worden war (a. a. O. Rn. 21)“.

Der jener Entscheidung zugrunde liegende Fall mag mit dem vorliegenden zwar insoweit vergleichbar sein, als auch dort, ähnlich wie hier, mehrere Jahre (sieben, s. OLG Köln a. a. O., Rn. 23), verstrichen waren, bis der Widerruf erklärt wurde. Im Falle des Klägers lagen zwischen der auf den Abschluss des Verbraucherdarlehens gerichteten Erklärung des Klägers vom 19.11.2004 und der Erklärung des Widerrufes am 01.06.2011 sechseinhalb Jahre. Neben dem „Zeitmoment“ ist für die Annahme einer Verwirkung jedoch auch das „Umstandsmoment“ erforderlich. Dieses hat das OLG Köln damit bejaht, dass dort der Widerruf erst im Jahre 2010 erklärt wurde, nachdem bereits im Jahre 2005 die Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag beiderseitig vollständig erfüllt worden waren (a. a. O., Rn. 24) – Dies wiederum war in dem vom Brandenburgischen OLG entschiedenen Fall nicht gegeben, sodass es für den Darlehensnehmer dort gut ausging.

Eins ist sicher, Angriffsfläche bietet die gesamte Thematik für den Darlehensnehmer schon! Und es geht tatsächlich um tausende von Euro.

MJH Rechtsanwälte, Herr Rechtsanwalt Martin J. Haas, empfiehlt jedenfalls für unsichere Verträge folgende Strategie:

Erst einen versierten Anwalt prüfen lassen, auf Wunsch des risikobewussten Kunden mit der Bank verhandeln oder mit entsprechendem Auftrag das Darlehensvertragsverhältnins widerrufen. Auch Makler, die ggf. das Ergebnis einer Prüfung eines Anwaltes im Fall Ihrer Kunden in der Hand halten, vermögen hier ggf. zu wirtschaftlich vernünftigen Ergebnissen zu kommen. Wir wünschen jedenfalls viel Erfolg.



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