Wie bekomme ich meine Überstunden ausbezahlt?

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Von RA Johannes Zimmermann

Einleitung

Mehrarbeit ist aus dem Wirtschaftsalltag nicht fortzudenken. Die Gründe für den Anfall von Überstunden sind vielfältig. Die Bandbreite der möglichen Ursachen reicht von Verzögerungen durch Straßenverkehrsstaus über den temporären Ausfall von Kollegen oder die Notwendigkeit der Fertigstellung eines Projekts bis zur chronischen Unterbelegung eines Betriebs. Für Arbeitnehmer stellt sich daher häufig die Frage, ob und wie sie die Überstunden vergütet bekommen, wenn der Arbeitgeber sie nicht freiwillig ausgleicht. Neben rechtlichen Hindernissen sind dabei auch praktische Hürden zu überwinden, die aber bei guter Vorbereitung zu meistern sind.

Besteht grundsätzlich ein Vergütungsanspruch?

Der erste Schritt bei der Prüfung von Vergütungsansprüchen ist der Blick in den Arbeitsvertrag. Häufig ist darin zu lesen, dass Überstunden bereits mit der monatlichen Grundvergütung abgegolten seien. Dies muss aber nicht der tatsächlichen Rechtslage entsprechen. Regelungen, nach denen ein unbegrenztes Kontingent von Überstunden ohne Ausgleich bleiben soll, wurden bereits für unwirksam erklärt (etwa BAG, 22.02.2012, Az.: 5 AZR 765/10). Eine solche Regelung muss vielmehr Obergrenzen eindeutig festlegen. Wie hoch diese maximal sein dürfen, ist aber nicht eindeutig. Ein genauer Blick lohnt sich jedenfalls dann, wenn die abgegoltene Arbeitszeit 20 % der vereinbarten Arbeitszeit überschreitet. Klauseln, die bei einer 40-Stunden-Woche die pauschale Abgeltung für mehr als 8 Überstunden pro Woche vorsehen, dürften generell unwirksam sein.

Aber auch solche Beschränkungen führen nicht automatisch zur Wirksamkeit der Regelung. Führt eine solche dazu, dass bei Anfall von Überstunden der durchschnittliche Stundenlohn unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegt, kann sich die Unwirksamkeit auch hieraus ergeben. Grundsätzlich gilt, dass eine Regelung dann unwirksam ist, wenn es bei der Regelung im Arbeitsvertrag, wie im Regelfall, um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt und diese zusätzlich überraschend oder intransparent ist oder den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt.

Bisweilen findet sich im Arbeitsvertrag aber auch eine Regelung, dass Mehrarbeit zu vergüten ist. Auch Tarifverträge können entsprechende Regelungen enthalten. Vom Grundsatz her besteht dann ein Vergütungsanspruch.

Überstundenvergütung gibt es nur, wenn sie nach den Umständen zu erwarten ist

Existiert keine wirksame arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Regelung, bedeutet dies noch nicht, dass ein Grundsatz existiert, wonach Überstunden grundsätzlich zu vergüten sind. Maßgeblich ist vielmehr der Grundsatz des § 612 Abs. 1 BGB, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. In der Rechtsprechung wird dies so ausgelegt, dass Besserverdiendende im Regelfall die Überstunden unentgeltlich zu erbringen haben, während bei Geringverdienern nicht erwartet werden kann, dass diese für ihr ohnehin schon geringes Gehalt Mehrleistung ohne Ausgleich erbringen. Das Bundearbeitsgericht sah mit Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 765/10 solche Arbeitnehmer als Besserverdiener an, deren Gehalt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet.

Vorsicht: Verfallsfristen

In vielen Arbeits- und Tarifverträgen sind sogenannte Verfallsfristen zu finden. Diese bestimmen, dass Ansprüche innerhalb eines bestimmten Zeitraums – meistens schriftlich – geltend gemacht werden müssen und andernfalls verfallen. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass solche im Arbeitsvertrag bestimmte Verfallsfristen unwirksam sind, wenn sie drei Monate unterschreiten (Urteil vom 28.09.2005, Az.: 5 AZR 52/05). Zurücklehnen darf man sich aber dennoch nicht, da im Einzelfall ein Tarifvertrag kürzere Verfallsfristen vorsehen kann.

Überstunden müssen dargelegt und bewiesen werden

Sind Überstunden nach den vorstehenden Ausführungen zu vergüten, sind im arbeitsgerichtlichen Verfahren weitere Hürden zu nehmen. Das Arbeitsgericht ermittelt nämlich nicht von Amts wegen, der Arbeitnehmer muss vielmehr die Überstunden darlegen und beweisen. Er muss substantiiert aufzählen können, an welchen Tagen er in welcher Zeit Mehrarbeit geleistet hat. Diese Aufgabe ist nicht zu unterschätzen. Die häufig vorzufindende Ansicht, der Arbeitgeber zeichne die Arbeitszeiten auf und müsse die Aufzeichnungen herausgeben, ist so nicht zutreffend. Grundsätzlich besteht keine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer bei der Durchsetzung seiner Ansprüche zu unterstützen und ihm die hierzu erforderlichen Unterlagen herauszugeben. Eine Ausnahme kann sich aber dann ergeben, wenn der Arbeitgeber die Herausgabe der Unterlagen zugesagt hat. Eine weitere Ausnahme gilt im Straßentransport. § 21a Abs. 7 ArbZG verpflichtet den Arbeitgeber zur Aufzeichnung der Arbeitszeit und zur Aushändigung der Aufzeichnung an den Arbeitnehmer auf dessen Verlangen.

Besondere Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum Überstunden im Vertrauen auf deren Abgeltung abgeleistet hat und feststellt, dass der Arbeitgeber diese nicht freiwillig vergütet. Zeichnet der Arbeitgeber die Arbeitszeiten auf, kann der Arbeitnehmer versuchen, ihn mit etwas Fingerspitzengefühl zur Herausgabe von Kopien zu bewegen. Dies wird aber nur funktionieren, bevor ein Streit über die Überstunden eskaliert! Verfügt der Arbeitgeber selbst über keine entsprechenden Aufzeichnungen oder haben sich die Fronten bereits verhärtet, besteht kaum noch eine Möglichkeit, die nicht aufgezeichneten Überstunden noch nachzuvollziehen.

Gelingt die Darlegung der Zahl der Überstunden, ist der Prozess aber noch nicht gewonnen. Zusätzlich muss der Arbeitgeber nämlich darlegen, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet worden oder zur Erledigung der Arbeiten notwendig waren (vgl. BAG, Urt. v. 10.04.2013, Az.: 5 AZR 122/12). Hieran scheitern die meisten Klagen. Es ist daher wichtig, nicht nur die abgeleisteten Überstunden zu dokumentieren, sondern auch den Grund für deren Anfall. Wer alles richtig machen möchte, notiert auch noch die zur Verfügung stehenden Beweismittel, insbesondere zur Verfügung stehende Zeugen.

Einen Sonderfall stellen erneut die Überstunden im Straßentransport dar. Der Grund hierfür liegt darin, dass Überstunden dort regelmäßig nicht angeordnet werden, sondern sich aus der Natur der Sache ergeben. Ein Lkw-Fahrer genügt seiner Darlegungslast bereits dadurch, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour begonnen und wann beendet hat. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 S. 1 AbrZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer als welchen Gründen in geringerem zeitlichen Umfang als von ihm behautet gearbeitet haben muss (BAG, Urt. v. 16.05.2012 – 5 AZR 347/11). Für Lkw-Fahrer bietet es sich daher an, Zeit und Ort des Arbeitsbeginns und Arbeitsendes sowie Pausenzeiten zu notieren und darüber hinaus zu dokumentieren wann er wo Ladung aufgenommen und abgeladen hat.

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