Wirecard: Banken mussten ihre Kunden über Pressevorwürfe aufklären - Sparkasse einigt sich

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Das ehemalige DAX-Unternehmen Wirecard ist Hauptfigur eines spektakulären Bilanzskandals. „Spektakulär“ ist das Vokabular der Medienlandschaft und vieler anderer, wenn es um die Betrugsvorwürfe, die Flucht eines Vorstandsmitglieds und auch die Milliardenverluste der Aktionäre geht. Schon einige Zeit bevor ganz offen über Bilanzfälschung im großen Stil berichtet wurde, waren es insbesondere das Handelsblatt und die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die u.a. unter Bezugnahme auf Recherchen der Financial Times lautstark und wiederholt Zweifel am Geschäftsgebaren des DAX-Unternehmens äußerten.

Viele von der Pleite Betroffene Aktionäre fragen sich: Kann ein Anlageberater diese Medienberichte beiseite wischen, wenn er seinen Kunden zur Investition in Zertifikate auf Aktien des Unternehmens rät?

Nein, kann er nicht, verkündete am 3. Mai 2022 das Landgericht Chemnitz in einem von uns erstrittenen Urteil. Es sieht eine fehlerhafte Anlageberatung, weil sich der Anlageberater der Erzgebirgssparkasse auf die Einschätzung der interessengesteuerten Analysten der Sparkassen-Finanzgruppe verließ und den Kauf empfahl. 

Ehepaar verlor durch die Investition € 43.303,08

Am 25. Juni 2020 meldete die Wirecard AG wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Insolvenz an, nachdem sie drei Tage zuvor per Ad-hoc-Meldung mitgeteilt hatte, dass 1,9 Milliarden Euro ihres Vermögens „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht existieren“.

Wenige Monate zuvor –  März 2019 bis  Januar 2020 – erwarben unsere Mandanten, ein Ehepaar aus dem Erzgebirge, auf Empfehlung eines für die Erzgebirgssparkasse tätigen Anlageberaters 43 Deep-Express-Zertifikate der Landesbank Baden-Württemberg mit Bezug auf Aktien der Wirecard AG.

Die Kläger verkauften die Zertifikate entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen im Juli 2020 für 409,72 Euro abzüglich Nebenkosten von 150,00 Euro.

Insgesamt ist unseren Mandanten ein Schaden in Höhe von € 43.303,08 entstanden – eine Summe, zu deren Zahlung im Endurteil vom 3. Mai 2022 die Erzgebirgssparkasse (nebst Zinsen und Gerichtskosten) verurteilt wurde.

Wegweisendes Urteil gegen Sparkasse

Das von uns – den mzs Rechtsanwälten – erstrittene Urteil war nach hiesiger Kenntnis das erste seiner Art. 

Zur Aufgabe des Anlageberaters der Erzgebirgssparkasse habe es gehört – so das Gericht in der Urteilsbegründung – über die seit Ende Januar 2019 einsetzende gehäufte Berichterstattung im Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Manipulationsvorwürfe gegen Wirecard zu informieren.

Diese Berichte beschrieben erhebliche Umstände, die für die Anlageentscheidung der Kläger von Bedeutung waren, da sie das für Wirecard wichtige Asiengeschäft betrafen und seit Februar 2019 auch die Strafverfolgungsorgane in Singapur aktiv geworden sind. Stattdessen habe der Anlageberater der Sparkasse den Klägern lediglich Bewertungen dieser Presseberichte seitens der NordLB und LBBW zur Verfügung gestellt und dies auch erst bei einem der letzten Zeichnungstermine. Dies sei unzureichend gewesen, so das Landgericht. Zudem sei eine dieser Bewertungen auch noch fehlerhaft gewesen.

Hinzu komme, so das Gericht, dass sich die Sparkasse bei der Beratung der Kläger nicht auf die Einschätzung der Analysten hätte verlassen dürfen. Der Sparkasse sei bekannt gewesen, dass Emittentin der Wirecard-Zertifikate die Landesbank Baden-Württemberg war und somit die Einschätzung ihrer Analysten interessengesteuert ist. Gleiches gelte für die NordLB, da auch sie zur Sparkassen-Finanzgruppe gehört, so das Gericht.

Schließlich hätte die Sparkasse auch berücksichtigen müssen, dass man den Beurteilungen der Analysten seit der Finanzkrise im Jahr 2008 wegen der dabei zutage getretenen groben Fehleinschätzungen mit Skepsis gegenübertreten sollte. Dies auch, da sich seither Bestrebungen, Geschäfts- und lnvestmentbanken zu trennen (Trennbankensystem), nicht durchgesetzt haben und die Analysten somit auch zur Emissionsunterstützung der Bank tätig werden.

Das Gericht kommt daher zu diesem Ergebnis: „lndem die Sparkasse die Kläger nicht neutral über die Presseberichterstattung informierte und durch die – verspätete – Weitergabe der Analysteneinschätzungen die Presseberichterstattung verharmloste, verletzte sie ihre Pflichten zur sachgerechten Aufklärung über die für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände.“

Update: Sparkasse einigt sich auf Erstattung von rund 70 % der Klageforderung

Nachdem die Sparkasse Berufung gegen das Urteil zum Oberlandesgericht Dresden eingereicht hatte, kam es zu einer mündlichen Verhandlung, in welcher die Sparkasse einer vergleichsweisen Zahlung von € 30.000,00 gegen Erledigung der geltend gemachten Ansprüche zustimmte. 

Als Fachkanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht vertreten wir zahlreiche Investoren, die als Folge der Wirecard-Insolvenz erhebliche Verluste erlitten haben. Zum Ende des Jahres 2023 droht die Verjährung ihrer Ansprüche.

Rechtsanwalt Dr. Thomas Meschede, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, und sein Team der mzs Rechtsanwälte aus Düsseldorf stehen Geschädigten noch bis zum 13.12.2023 für eine kostenlose und unverbindliche Beratung zu ihren rechtlichen Möglichkeiten zu Verfügung.

Die Kanzlei ist telefonisch unter 0211-69002-68 oder per Mail unter info@mzs-recht.de erreichbar.

Über die Kanzlei

mzs Rechtsanwälte vereidigter Buchprüfer Meyer zu Schwabedissen und Partner mbB ist eine Fachkanzlei für Bank-, Kapitalmarkt- und Versicherungsrecht, die private und institutionelle Investoren seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich gegenüber diversen Akteuren am Kapitalmarkt vertritt. In den Jahren 2016 bis 2023 wurde die Kanzlei vom US-Verlag „Best Lawyer“ in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt durchgehend in die Liste der „Besten Anwälte Deutschlands“ im Bereich Kapitalmarktrecht aufgenommen.


Foto(s): Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Dr. Thomas Meschede, www.mzs-recht.de


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