Wirksamkeit von Kündigungen eines Leiharbeitsverhältnisses aufgrund von Auftragseinbruch

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Sind ordentliche, betriebsbedingte Kündigungen eines Leiharbeitsverhältnisses wegen eines Auftragseinbruches auf Seiten des Verleihers/Arbeitgebers stets zulässig?

Nein. Ordentliche, betriebsbedingte Kündigungen sind nach § 1 Abs. 1 KSchG nur wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sind. Maßgeblich ist, ob dringende betriebliche Erfordernisse gegeben sind, welche einer Weiterbeschäftigung des (Leih-)Arbeitnehmers entgegenstehen. Ein solches dringendes betriebliches Erfordernis kann sich aus einem innerbetrieblichen oder einem außerbetrieblichen Grund ergeben. Ein Auftragsverlust, welcher die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer unmittelbar oder nach einer Anpassung durch den Arbeitgeber verringert, könnte einen solchen außerbetrieblichen Grund ergeben. Ein Auftragsrückgang stellt insoweit ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung dar, wenn der Arbeitsanfall so zurückgegangen ist, dass zukünftig für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis mehr für eine Weiterbeschäftigung besteht. Dabei muss der Inhalt und die Substanz des Sachvortrages des Arbeitgebers dem Umstand Rechnung tragen, dass die Einschätzung des zukünftigen – gesunkenen – Beschäftigungsbedarfs und -volumens prognostischen Charakter hat, sprich der Arbeitgeber muss den Rückgang des Beschäftigungsvolumens nachvollziehbar darstellen.

Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung entsteht ein entsprechender Überhang an Leiharbeitnehmern, wenn der Einsatz von Leiharbeitnehmern endet, ohne dass der Leiharbeitnehmer wieder bei anderen Entleihern oder im Betrieb des Verleihers sofort oder auf absehbare Zeit (nach entsprechender Anpassungsfortbildung) eingesetzt werden kann. Jedoch ist ein bloßer Hinweis auf einen auslaufenden Auftrag und auf einen fehlenden Anschlussauftrag regelmäßig nicht ausreichend, um einen – dauerhaften – Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses eines Leiharbeitnehmers zu begründen. Der Arbeitgeber trägt das wirtschaftliche Risiko, dass ein Leiharbeitnehmer kurzfristig nicht eingesetzt werden kann. So ist bereits in § 11 Abs. 4 Satz 2 und 3 AÜG geregelt, dass das Recht auf Vergütung des Leiharbeitnehmers im Fall des Annahmeverzuges nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden kann.

Für die Wirksamkeit der Kündigung eines Leiharbeitnehmers ist daher maßgebend, ob der Arbeitgeber in der Lage ist, anhand der Auftrags- und Personalplanung darzustellen, warum es sich nicht nur um eine kurzfristige Auftragsschwankung, sondern um einen dauerhaften Auftragsrückgang handelt. Auszuschließen sind nur kurzfristige Auftragsschwankungen. Kurzfristige Auftragslücken sind auch bei einem Leiharbeitsunternehmen nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG zu rechtfertigen. Solche kurzfristigen Auftragsschwankungen gehören zum typischen Wirtschaftsrisiko der Verleihfirmen darf (vgl. BAG 18/05/2006 2 AZR 412/05, mwN.).

Die Hürden der Darlegungslast sind für die Verleiher sehr hoch. Es ist erforderlich, zu den Tatsachen, welche kurzfristige Auftragslücken ausschließen können, konkret vorzutragen und Zeugenbeweis anzubieten. So reicht es nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg nicht aus, dass der Verleiher einen Zeugen benennt, ohne die zugrunde liegenden maßgeblichen Tatsachen detailliert vorzutragen. Ein solches unkonkretes Beweisangebot ist als Ausforschungsbeweis zurückzuweisen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 20.01.2017 2 Sa 1188/16 u. a.).

Nicht vollständig geklärt ist bis heute die zeitliche Komponente: Wann wird aus einer kurzfristigen Auftragsschwankung ein dauerhafter Auftragsrückgang? In früheren Urteilen wurde unter Bezugnahme auf § 9 Nr. 3 AÜG aF (Geltung bis 31.12.2001) angenommen, dass ein Verleiher für zumindest 3 Monate das Beschäftigungsrisiko zu tragen hat. Da diese Vorschrift aufgehoben wurde, ist eine solche Bezugnahme nicht mehr angezeigt. Das LAG Berlin-Brandenburg hat in der hier angesprochenen Entscheidung ausgeführt, dass das hier vorliegende Zuwarten des Verleihers von „nur“ drei Wochen für eine „kurzfristige Auftragslücke“ spricht und nach einer solchen kurzen Zeit eine betriebsbedingte Kündigung unzulässig war.

Somit ist bei jedem Einzelfall individuell und detailliert zu prüfen, ob ein Auftragsrückgang bei einer Verleihfirma tatsächlich eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung rechtfertigt. Arbeitnehmer haben nach Erhalt einer solchen Kündigung unbedingt die dreiwöchige Frist zur Einreichung einer Kündigungsschutzklage zu beachten. Eine Kündigung, gegen welche nicht innerhalb dieser Frist mittels einer Kündigungsschutzklage vorgegangen wird, gilt als wirksam, unabhängig von dem zu Grunde liegenden Sachverhalt.


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