Zu Unrecht geblitzt: BAB 45, Münzenberg – 60er-Beschränkung unwirksam – km 193.300 – Ri. Dortmund

  • 4 Minuten Lesezeit

Wer die BAB 45 häufiger befährt, kennt möglicherweise auch den Parkplatz „Stauferburg“ zwischen Wölfersheim und Münzenberg. Eben dort werden vom Bundesamt für Güterverkehr (BAG) häufig Schwerlast-Verkehrskontrollen durchgeführt. 

Um dies zu ermöglichen, können voranstehende Bedarfsschilder zu einem sogenannten Geschwindigkeitstrichter aktiviert werden. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit wird dann auf 100/80/60 km/h gedrosselt, bevor auf Höhe des Parkplatzes mit Laser-Technik etwaige Geschwindigkeitsverstöße festgestellt werden.

Gemessen wird beim Streckenkilometer 193.300 in der Regel mit einem Laser-Messgerät vom Typ XV 3. Zu Spitzenzeiten sollen damit bis zu 500 angebliche Verkehrssünder täglich mit mehr oder weniger überhöhter Geschwindigkeit erwischt worden sein.

Doch aus unserer Sicht sind derartige Vorwürfe in der Regel nicht berechtigt, denn die Beschilderung der Tempo-Limits ist für den rechtlichen Laien völlig unklar. Hierzu finden Sie weitere Informationen in diesem ersten Teil des zweiteiligen Beitrags. 

Im zweiten Teil („BAB 45, Münzenberg, km 193.300, Ri. Dortmund – Geschwindigkeitsmessung verfassungswidrig?“) wird es gesondert noch darum gehen, dass aus unserer Sicht die in Münzenberg durchgeführten Messungen verfassungswidrig und damit unverwertbar sind. 

Übliche Tatvorwürfe der Bußgeldstelle in Anhörungsbögen und Bußgeldbescheiden

Das Regierungspräsidium Kassel als zuständige zentrale Bußgeldstelle des Bundeslandes Hessen, zu dem auch der Wetterau-Kreis gehört, sendet meist Anhörungsbögen oder gar Bußgeldbescheide zu, in denen es heißt:

Ihnen wird vorgeworfen, am ... um ... Uhr in Münzenberg, A 45, Ri. Dortmund, km 193.300 als Führer des ..., (amtliches Kennzeichen) ... folgende Ordnungswidrigkeit begangen zu haben: 

Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um ... km/h. 

Zulässige Geschwindigkeit: 60 km/h.

Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): ... km/h.

Berücksichtigte Toleranz: ... km/h

Beweismittel: Foto, LEIVTEC XV 3

Zeuge: ..., PASt Mittelhessen

Besonderheit: Keine wirksame Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für Pkw- und Motorradfahrer auf 60 km/h

Das Sonderbare daran: Nicht nur im Internet häufen sich seit Monaten Berichte darüber, dass Verkehrsteilnehmer an besagter Stelle geblitzt wurden, die Bedarfsschilder aber gerade nicht aktiviert gewesen seien. Auch in unserer eigenen anwaltlichen Praxis kommt es immer öfter zu entsprechendem Vortrag betroffener Mandanten. 

Einerseits wird mit fester Überzeugung vorgetragen, dass die Wechselschilder (sogenannte Prismenwender) nicht „auf aktiv“ gedreht waren, als man an ihnen vorbeifuhr, und es wird ausgeschlossen, dass man gleich vier derartige Schilder vor der Messstelle übersehen haben könnte. 

Andererseits erklären viele Pkw-Fahrer, dass sie zwar die „aktivierten“ Schilder schon gesehen haben, diese aber nicht auf sich bezogen haben, sondern dachten, dass sie nur für Lkws ab 2,8 Tonnen, Busse und Pkws mit Anhänger gelten. 

Dies wirft naturgemäß die Frage auf, ob an bestimmten Messtagen tatsächlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Pkw-Fahrer rechtswirksam auf 60 km/h beschränkt wurde.

Erhebliche Zweifel kommen daran bei uns dadurch auf, dass in der Regel zwar den entsprechenden Akten Kopien die verkehrsrechtliche Anordnung und auch Lichtbildmappen mit aufgeklappten Bedarfszeichen beigefügt sind – diese stammen aber in den bislang hier laufenden Fällen sämtlich gerade nicht von dem jeweiligen Tattag selbst. 

Es erklärt sich von selbst, dass eine Foto-Dokumentation, die z. B. zwei Wochen vor einem bestimmten Messtag erstellt wurde, insbesondere bei umklappbaren Bedarfsverkehrszeichen keinerlei Relevanz entfalten kann.

Vor allem aber halten auch wir die dort vorzufindende Beschilderung für verwirrend und es erscheint nachvollziehbar, warum so viele Pkw-Fahrer die Schilder nicht auf sich beziehen. Wäre es tatsächlich im Sinne der Verkehrssicherheit der Kontrolleure gewollt, das Tempo-Limit einzuhalten, wäre es ein Leichtes, die Beschilderung durch kleinere Änderungen so zu modifizieren, dass jeder Verkehrsteilnehmer durch einen flüchtigen Blick erkennen und verstehen kann, wie schnell er fahren darf. 

Genau so sollten Geschwindigkeitsbeschränkungen beschildert werden und aus unserer Sicht verstößt die Situation vor Ort gegen derartige Rechtsgrundsätze. 

Wir halten die Beschilderung der Tempolimits deswegen an der besagten Messstelle für rechtlich unwirksam und gehen mit gezielter Argumentation hiergegen vor. 

Besonders auffallend ist für uns, dass ohne jegliche Ausnahme alle bislang von uns geführten Verfahren an dieser Messstelle mit angeblichen Geschwindigkeitsverstößen im Fahrverbotsbereich verbunden sind. 

Während bei sonstigen Messstellen selbst bei stationären Blitzern immer Vorwürfe der Geschwindigkeitsüberschreitung der Höhe nach variieren, also entweder im Verwarnungsgeldbereich (< 20 km/h Überschreitung bei Pkw-Fahrern ohne Anhänger) steckenbleiben, gerade so die Punkte-Grenze erreichen (ab 21 km/h bei der genannten Gruppe) oder aber gar mit Regel-Fahrverboten verknüpft sind (ab 41 km/h), sollen in Münzenberg alle Mandanten mit mindestens 43 km/h zu schnell unterwegs gewesen sein. 

Eben diese abnormale statistische Feststellung spricht in erheblichem Umfang dafür, dass tatsächlich die Beschilderung vor Ort so unklar ist, dass sie reihenweise falsch verstanden wird, was dringend ein Eingreifen der dafür zuständigen Straßenverkehrsbehörde erforderlich macht und bis dahin eine Korrektur durch das Bußgeldgericht, damit wenigstens das drohende Fahrverbot wegfällt. Dafür setzen wir uns ein. 

Empfehlung: Alle Messungen prüfen lassen

Es ist zumindest bei angeblichen Verkehrsverstößen im Punkte- oder gar Fahrverbotsbereich schon wegen der dubiosen Beschilderungssituation unbedingt anzuraten, die Messung anwaltlich überprüfen zu lassen.

Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit. Meist besteht auch die Möglichkeit, ergänzend ein technisches Messgutachten bei einem versierten Sachverständigen zu beauftragen, um die Verteidigungschancen auf Erhalt des Führerscheins und Verhinderung von Punkten in Flensburg zu maximieren.

Den oben schon angesprochenen zweiten Teil des Beitrags, in dem es um die bei Münzenberg eingesetzte und aus unserer Sicht verfassungswidrige Messtechnik geht, finden Sie hier.

Dr. Sven Hufnagel

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Mit 15-jähriger Erfahrung aus einer vierstelligen Zahl geführter Bußgeldverfahren und seiner Spezialisierung auf die Abwehr von Fahrverboten überprüft Rechtsanwalt Dr. Sven Hufnagel regelmäßig Geschwindigkeitsmessungen an oben genannter Stelle auf Richtigkeit hin.

In den Jahren 2015 bis 2018 wurde er in der „Focus-Liste“ durchgehend als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“ genannt.

Weitere Infos: www.fahrverbot-rechtsanwalt.de und www.anwalt-strafrecht.com


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. jur. Sven Hufnagel

Beiträge zum Thema