Zünden von Pyrotechnik, „Polenböller“, „Bengalos“ und Co bei Fußballspielen – wie mache ich mich strafbar?

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Gerne und häufig wird bei Fußballspielen oder ähnlichen Veranstaltungen Pyrotechnik gezündet. Auch wenn es für Einige zur Belustigung und allgemeinen Anheizung der Stimmung fast schon dazu gehört, birgt es ein hohes Verletzungspotenzial für die umstehenden Personen. Es stellt sich daher die Frage, welche strafrechtlichen Konsequenzen das Zünden von Pyrotechnik hat: begeht man „nur“ eine Ordnungswidrigkeit oder macht man sich sogar strafbar?


Was versteht man unter Pyrotechnik?

Pyrotechnik ist ein Oberbegriff, der alles von Feuerwerk über Leuchtfackeln und Bengalos („Bengalisches Feuer“) bis hin zu den sog. „Polenböllern“ umfassen kann. Gerade „Polenböller“ und Bengalos erfreuen sich in Fußballstadien oder in der Zeit vor und nach den Spielen nahe des Stadions großer Beliebtheit. Bengalos dienen insbesondere der effektvollen Beleuchtung und werden häufig bei Seeunglücken verwendet, um auf sich aufmerksam zu machen. Charakteristisch hierfür ist ein greller (meist roter) Lichtschein sowie eine intensive Rauchentwicklung. Das bengalische Feuer kann dabei Temperaturen bis zu 2000 Grad Celsius erzeugen.  Bei Polenböllern handelt es sich hingegen um in Deutschland als illegal eingestufte Feuerwerkskörper mit starker Explosionswirkung.

Die besondere Gefährlichkeit von Pyrotechnik zeichnet sich dadurch aus, dass die jeweiligen Wirkungen von Bengalos und Polenböllern (massive Hitze, Explosionswirkung, starke Rauchentwicklung) durch den Verwender nicht kontrolliert werden kann. Es müssen nur äußere Einflüsse wie beispielsweise das Aufkommen von starkem Wind oder das Anrempeln durch andere Personen einwirken und schon kann sich die Pyrotechnik vollkommen anders auswirken und nicht mehr kontrolliert werden. Gerade bei Massenveranstaltungen wie etwa großen Fußballspielen birgt sich die Gefahr, dass bei so vielen dicht bei einander stehenden Menschen doch eine Person getroffen wird. Oft ist es nur eine Frage des Zufalls bzw. Glücks, ob jemand von den Feuerwerkskörpern erfasst wird oder nicht.


Zünden von Pyrotechnik, Polenböllern, Bengalos und Co: Ordnungswidrigkeit oder Straftat?

Grundsätzlich stellt bereits das Zünden von Pyrotechnik eine Ordnungswidrigkeit dar, sofern keine Person hiervon verletzt wurde oder anderweitig betroffen ist. Wird hingegen eine Person verletzt oder die Einrichtung des Stadions beschädigt, so stehen Straftatbestände wie beispielsweise gefährliche Körperverletzung oder Sachbeschädigung im Raum, die deutlich härter bestraft werden. Auch die „bloße“ Gefährdung von Menschen oder fremden Sachen von bedeutendem Wert durch das Zünden von illegalem Feuerwerk kann strafbar sein, nämlich wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. Für die entsprechende Einordnung ist das Sprengstoffgesetz (SprengG) mit der dazugehörigen Sprengstoffverordnung (SprengV) maßgeblich.


Unerlaubtes Zünden von Feuerwerk – wie hoch ist das Bußgeld?

Grundsätzlich stellt das Verwenden von Pyrotechnik im Freien ohne Gefahr für die anderen dann gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 16 SprengG i.V.m. § 23 Abs. 1 und 2, § 46 Nr. 8b SprengV eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn es sich um Kleinfeuerwerk der Kategorie II handelt, welches an anderen Tagen als an Silvester verwendet wird. Feuerwerke der Kategorie II sind unter anderem Silvesterfeuerwerk, Böller und Raketen. Diese Ordnungswidrigkeit wird mit Bußgeld geahndet. So kann die oben stehende Zuwiderhandlung gegen das SprengG – also das Zünden eines Feuerwerks ohne Genehmigung (außer am 31.12. bis 01.01) – mit einem Bußgeld bis 10.000 Euro geahndet werden.


Besonderheit: Strafe wegen Zünden von „Polenböllern“

Weil es sich bei „Polenböllern“ wegen dessen Explosionswirkung um einen explosionsgefährlichen Stoff handelt, wird das Zünden dieser Pyrotechnik bereits als Straftat geahndet, die gemäß § 40 Absatz 1 Nr. 3 i.V.m. § 27 SprengG deutlich härter bestraft wird. Hier droht beim Zünden von „Polenböllern“ eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.


Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung durch Zünden von „Polenböllern“, „Bengalos“ bei Fußballspielen

Wird eine Person von der Pyrotechnik getroffen oder anderweitig verletzt, so kann man sich wegen vorsätzlicher Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar machen. Die gefährliche Körperverletzung beruht darauf, dass durch die Verwendung der Pyrotechnik als gefährliches Werkzeug eine körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung (Körperverletzung) bei einer anderen Person hervorgerufen wird. Nimmt man dies zumindest billigend in Kauf, droht eine Strafe wegen gefährlicher Körperverletzung. Die jeweiligen Verletzungen können dabei in ganz unterschiedlicher Form auftreten. Typische Verletzung wegen Pyrotechnik sind beispielsweise:

  • Verbrennungen auf der Haut 
  • Hörminderungen
  • Ohrenschmerzen infolge des lauten Explosionsknalls
  • Knalltraumata
  • Prellungen o.ä. Verletzungen stumpfer Gewalteinwirkung aufgrund einer (fehlgeleiteten) Rakete 
  • Blendung der Augen durch das gleißende Licht
  • Kopfschmerzen.


Wie hoch ist die Strafe beim Vorwurf gefährliche Körperverletzung durch Zünden oder Werfen von Pyrotechnik?

Die gefährliche Körperverletzung wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft; in sogenannten minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Eine Geldstrafe ist anders als bei der „einfachen“ Körperverletzung nicht mehr vorgesehen. Auch wenn man die Strafe im Einzelfall zur Bewährung aussetzen kann, ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe dennoch als sehr schwerwiegend anzusehen. Für die Festlegung des genauen Strafmaßes im Einzelfall fallen sowohl begünstigende als auch strafschärfende Kriterien ins Gewicht wie etwa

  • Art und Schwere der Verletzung
  • Absicht des Täters beim Zünden der Pyrotechnik
  • Ähnlich begangene Straftaten in der Vergangenheit
  • Reue des Täters hinsichtlich der Tat.


Urteil: Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Zünden von Bengalos bei Fußballspiel

Am 24.11.2012 zündete eine Gruppe von Fans während eines Fußballspiels 19 Bengalische Fackeln. Dabei erlitten acht unbeteiligte Zuschauer Rauchvergiftungen, wobei auch ein zwölfjähriges Kind davon betroffen war. Im Zuge dessen verurteilte das Landgericht Essen die Täter wegen gefährlicher Körperverletzung, gemeinschaftlicher Sachbeschädigung sowie Verstoß gegen das Versammlungsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Dieses Urteil wurde anschließend durch das Oberlandesgericht Hamm bestätigt (Urteil vom 11.08.2015 – Az. 5 RVs 80/15). 


Strafe wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Zünden von Feuerwerk im Fußballstadium

Selbst wenn Bengalos im Stadium „nur“ abbrennen und dabei keine Personen zu Schaden kommen, verurteilen manche Gerichte den Täter wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und verhängen nicht das mildere Bußgeld nach dem Sprengstoffgesetz. Begründet wird dies damit, dass der Täter beim Zünden der Bengalos die Verletzung der umstehenden Personen zumindest billigend in Kauf nimmt. Das Verletzungspotenzial drängt sich dem Täter wegen der zahlreichen umstehenden Menschen im Rahmen der Massenveranstaltung nahezu auf. Aus diesem Grund nimmt er die Verletzungen zumindest billigend in Kauf. So entschied z.B. das Amtsgericht Hannover, welches den Angeklagten in einem solchen Fall zu einer Freiheitsstrafe von je vier Monaten – ausgesetzt zur Bewährung – sowie zur Zahlung von 500 Euro Geldstrafe verurteilte. 


Strafbarkeit wegen schwerer Gefährdung durch Freisetzen von Giften

In schwerwiegenden Fällen kann man sich etwa beim Zünden von Rauchbomben im Fußballstadion darüber hinaus gemäß § 330a Abs. 1 StGB strafbar machen. Dieser stellt unter Strafe, wenn man giftige Stoffe verbreitet oder freisetzt und dadurch 

  • die Gefahr des Todes oder
  • die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder
  • die Gefahr einer Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen

verursacht.


Wie hoch ist die Strafe für schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften?

Die vorsätzliche schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften wird nach Absatz 1 mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. Stirbt jemand durch das Freisetzen von Giften, ist die Strafe höher. Dann droht eine Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren. Dafür droht eine etwas niedrigere Strafe, wenn die Gefahr nur fahrlässig – nicht vorsätzlich – verursacht wird. 


Urteil: Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Bewährung für das Zünden einer Rauchbombe auf Fußballtribüne

Bei einem Fußballspiel zündete der Angeklagte eine Rauchbombe auf der Fußballtribüne. Der dabei entstandene Rauch breitete sind insbesondere bei den oberen Rängen stark aus. Infolge dessen erlitt eine größere Anzahl von Menschen erhebliche Gesundheitsstörungen. Diese Folge verursachte der Angeklagte nur fahrlässig. Das Amtsgericht Dortmund verurteilte den Angeklagten gemäß § 330a Abs. 1 und 5, § 52 StGB i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 13, § 42 SprengG wegen Giftbeibringung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Bewährung.


Strafe wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion nach § 308 Abs. 1 StGB durch Zünden von „Polenböllern“

In besonders schwerwiegenden Fällen kann man sich darüber hinaus gemäß § 308 Abs. 1 StGB wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion strafbar machen. Demnach macht sich jeder strafbar, der eine Strengstoffexplosion herbeiführt und dadurch konkret 

  • Leib oder Leben eines anderen Menschen oder
  • oder fremde Sachen von bedeutendem Wert

gefährdet. Dies wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

Einen noch schwerwiegenderen Fall regelt Absatz 2 der Vorschrift. Dieser regelt, dass der Beschuldigte vorsätzlich eine Sprengstoffexplosion ausführt und dabei fahrlässig die Folge

  • einer schweren Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder
  • eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl 

verursacht. Dies wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren geahndet.

Wenn durch das Herbeiführen der Sprengstoffexplosion jemand stirbt, kann sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe drohen. Gerade detonierende Polenböller können als eine solche Sprengstoffexplosion eingeordnet werden.


Urteil: Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen Zünden eines „Polenböllers“ im Fußballstadion

Der Bundesgerichtshof bestätigte die gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 21 Fällen. Der Angeklagte hatte im Innenraum eines vollbesetzten Fußballstadions einen „Polenböller“ gezündet, wodurch insgesamt 21 Personen schwere Verletzungen wie etwa Hörminderungen, Knapptraumata sowie Kopfschmerzen davontrugen. Da für das Erfordernis der Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen nach § 308 Abs. 2 Nr. 2 StGB bereits 14 Personen ausreichen, ist diese Voraussetzung in dem Fall erfüllt gewesen.


Vorwurf Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte durch Werfen mit „Polenböllern“

Nicht selten kommt es vor, dass Polizisten im Rahmen solcher Veranstaltungen mit Polenböllern etc. beworfen werden. Neben den anderen bereits aufgeführten Straftatbeständen kann man sich zusätzlich noch wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gemäß § 114 StGB strafbar machen. Dafür kann man mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden.


Sachbeschädigung durch Zünden von „Bengalos“

Oft wird insbesondere beim Zünden des „Bengalischen Feuers“ Teile des Fußballstadions wegen der enormen Hitze beschädigt. Aus diesem Grund werden viele Täter infolge dessen wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB verurteilt. Die Strafe beträgt hierbei Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.


Zivilrechtliche Konsequenzen bei Zünden von Pyrotechnik bei Fußballspiel – Schmerzensgeld und Schadensersatz

Mit den strafrechtlichen Konsequenzen ist es in solchen Fällen meist nicht getan. Oft wird das Strafverfahren im Rahmen eines sog. Adhäsionsverfahrens mit dem Zivilverfahren verbunden. Das bedeutet, dass man bei Verurteilung im Strafverfahren wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung etc. oftmals automatisch auf zivilrechtlicher Ebene etwa Schmerzensgeld an die geschädigte Person zahlen muss oder Schadensersatz an den Fußballverein für die beschädigte Einrichtung.

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