Zur Haftung der Gesellschafter von Publikumsgesellschaften

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Geschlossene Fonds in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts („GbR" oder auch „BGB-Gesellschaft") waren in den 1990er und frühen 2000er Jahren ein beliebtes Mittel, um öffentliche Förderungen im Rahmen der Kapitalanlage mit in Anspruch zu nehmen. Insbesondere die Fonds, die dabei in Immobilien in Berlin investiert haben, sind in der Folgezeit - aus diversen Gründen - notleidend geworden und beschäftigen seitdem die Gerichte. Sofern der Anleger dabei keine Schadensersatzansprüche gegenüber dem seinerzeitigen Vermittler geltend machen konnte und auf diese Weise das Risiko weitergeleitet hat, sind Gegenstand der jüngeren Verfahren insbesondere Rechtstreite zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter über die Zahlung von Nachschüssen, „freiwilligen" Sanierungsbeiträgen oder dem Ausgleich eines negativen Abfindungsguthabens nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft. Ein zweites Thema sind Direktansprüche der finanzierenden Banken gegenüber den Anlegern. Hintergrund hierfür ist, dass nach der noch bis 2003 von BGH vertretenden Doppelverpflichtungstheorie auch direkte vertragliche Beziehungen zwischen dem einzelnen Anleger als Gesellschafter der GbR und der finanzierenden Bank, vertreten durch die Geschäftsführung der GbR, zustande kamen.

Mit einigen in diesen Komplexen aufgeworfenen Fragen konnte sich der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs erst kürzlich befassen (Urteil vom 17.04.2012, II ZR 95/10; Urteil vom 17.04.2012, II ZR 198/10; Urteil vom 17.04.2012, II ZR 152/10).

Die beiden erstgenannten Urteile betreffen dabei den identischen Sachverhalt. Die Beklagten hatten sich jeweils an einem als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierten geschlossenen Immobilienfonds beteiligt, dessen Zweck die Errichtung von Mehrfamilienhäusern im Wege des Erbbaurechts und die spätere Verwaltung der Immobilien war. Zur Finanzierung waren von den Gründungsgesellschaftern teilweise schon vor der Werbung der Anleger Darlehen aufgenommen worden. In den Gesellschaftsverträgen findet sich der Hinweis, dass die Gesellschafter mit ihrem Gesellschaftsvermögen gesamtschuldnerisch, darüber hinaus nur quotal entsprechend ihrer Beteiligungshöhe, in der Höhe jedoch unbegrenzt haften. Der Gesellschaftsvertrag lag der finanzierenden Bank vor. Nachdem die finanzierende Bank die Darlehen wegen Zahlungseinstellung gekündigt hat, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GbR eröffnet und der Insolvenzverwalter nahm die Gesellschafter auf Zahlung des von der Bank errechneten Anteils an der Darlehensrestschuld in Anspruch.

Der BGH hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Der Senat stützte dabei die Haftung der Gesellschafter - entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung - auf § 128 HGB analog und bestätigte damit das Berufungsurteil des Kammergerichts. Allerdings sei die grundsätzlich unbeschränkte Haftung der einzelnen Gesellschafter im Hinblick auf die Regelungen des Gesellschaftsvertrags, der der Bank bei Gewährung des Darlehens bekannt war, begrenzt. Bemessungsgrundlage hierfür sei aber nicht - wie noch vom Kammergericht angenommen - die zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme offenstehende Restforderung, sondern vielmehr die ursprüngliche Darlehensforderung nebst Zinsen und Kosten.

Die Beklagten hatten sich gegen die Forderungen unter anderem damit verteidigt, dass der Darlehensvertrag nicht wirksam zustande gekommen und überdies noch vor ihrem Eintritt abgeschlossen worden sei. Beide Einwände griffen nach Ansicht des Senats nicht durch, da die Haftung nach § 128 HGB analog sich auch auf die beim Eintritt bereits bestehenden Gesellschaftsschulden beziehe. Ein besonderer nach der Rechtsprechung des BVerfG zu berücksichtigender Vertrauensschutz wäre nicht gegeben, da die Anleger beim Eintritt mit einer Fremdfinanzierung rechnen mussten. Eine solche war bei der Mehrzahl der Fonds auch gerade angedacht und offen im Prospekt dargelegt.

Schadenersatzansprüche, mit denen die Beklagten die Aufrechnung erklärt hatten, sah der Senat nicht als dargelegt an.

Bezüglich der Höhe der Bemessungsgrundlage bezog sich der BGH auf eine objektive Auslegung von Gesellschaftsvertrag und Darlehensvertrag. Im Rahmen dieser Auslegung kam der Senat zum Ergebnis, dass eine vertragliche Beschränkung der Haftung dahingehend, dass Zahlungen auf die Darlehensschuld quotal auf den Haftungshöchstbetrag der einzelnen Anleger angerechnet werden sollten, in den Verträgen nicht enthalten sei.

Diesen Aspekt griff der Senat im letztgenannten Urteil ebenfalls auf und urteilte, dass die bestehende Restschuld nur als absolute Haftungshöhe zu berücksichtigen sei, das jedoch weder aufgrund gesetzlicher noch aufgrund vertraglicher Regelungen eine Anrechnung der geleisteten Zahlung auf die Haftungshöhe automatisch zu erfolgen habe.

Mit den Urteilen bestätigt der 2. Senat seine Tendenz, Gesellschafter von als GbR organisierten geschlossenen Fonds in die Haftung umfassend mit einzubeziehen und stärkt somit auf der anderen Seite die Bemühungen zur Sanierung der Fonds. Dem vom Kammergericht vertretenen Ansatz, die geleisteten Zahlungen an die Bank anspruchsmindernd mit zu berücksichtigen, erteilte er ausdrücklich eine Abfuhr. Ob dies im Ergebnis für den einzelnen Anleger gerecht ist, oder ob so nicht die starken Mitglieder eines Fonds, deren Mitgesellschafter sie sich gerade nicht ausgesucht haben, benachteiligt werden, kann hier offen bleiben. Jedenfalls schaffen die Urteile Klarheit bezüglich der noch ausstehenden Rechtsstreitigkeiten.

Rechtsanwalt Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht



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