Zur Vermögensbetreuungspflicht von Finanzbeamten gegenüber dem Staat

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. September 2017 – 2 StR 24/16

§ 266 StGB normiert die Untreue, die seit jeher als komplexester Tatbestand des Kernstrafrechts gilt. Grund dafür ist ein höchst abstrakter und systematisch nicht eindeutiger Aufbau, der dem Gesetz seit den 1930er Jahren anheimfällt. Bis dahin war das Delikt auch in Deutschland stark fallgruppendominiert. Im Gegensatz zu den meisten Vorschriften des Kernstrafrechts findet sich im Ausland nicht immer eine klare Entsprechung der Untreue, mitunter wird gänzlich auf diese verzichtet.

Der Tatbestand des § 266 StGB kennt zwei Varianten, von denen eine den Missbrauch einer dem Täter durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, vorsieht, die andere den Treuebruch einer ebensolchen. 

Gemein ist beiden Varianten nach der herrschenden monistischen Lehre, dass der Täter eine sogenannte Vermögensbetreuungspflicht innehaben muss. Eine solche Pflicht von Beamten gegenüber dem Staat ist nicht immer eindeutig auszumachen.

Der II. Strafsenat befasste sich daher mit der Frage, inwieweit zwei leitende Finanzbeamte, denen vorgeworfen wurde, im Rahmen des Investitionszulagenverfahren nach dem Investitionszulagengesetz 1999 während der Jahre 2003 bis 2005 rechtswidrige Weisungen erteilt zu haben, die zur unrechtmäßigen Gewährung von Investitionszulagen führten, eine Vermögensbetreuungspflicht oblag, die sie zu tauglichen Tätern der Untreue machen würde.

Dazu stellte er zunächst der bisherigen Linie des Bundesgerichtshofs folgend fest, dass ein Finanzbeamter, zu dessen dienstlichen Aufgaben es zähle, Anträge auf Bewilligung von Investitionszulagen selbstständig daraufhin zu überprüfen, ob die in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und den dazu erlassenen Verwaltungsanordnungen festgelegten tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben seien, sich wegen Untreue strafbar machen könne, weil ihm eine Vermögensbetreuungspflicht im Hinblick auf das Fiskalvermögen obliege. 

Diejenigen Beamten zählen demzufolge zum tauglichen Täterkreis der Untreue. Zur Begründung der Vermögensbetreuungspflicht sei es stets erforderlich, dass die verletzte Pflicht des Finanzbeamten in einem Bereich angesiedelt sei, in dem ihm ein gewisser Entscheidungsspielraum verliehen sei, den er eigenverantwortlich auszufüllen habe. 

Fehle es an einem solchen auf Eigenverantwortung beruhenden Entscheidungsspielraum des Treuepflichtigen, so fehle es an der Verletzung einer dem Schutzbereich des § 266 Abs. 1 StGB unterfallenden Vermögensbetreuungspflicht. Ohne Ermessensspielraum lässt sich nach dem II. Strafsenat somit keine vermögensbetreuungspflichtige Stellung eines Finanzbeamten im konkreten Verfahren herleiten.

Da es im vorliegenden Fall an einer eigenständigen Prüfung der Rechtmäßigkeit durch die Finanzbeamten fehlte, scheiterte die Strafbarkeit hinsichtlich § 266 StGB. Dies liegt jedoch in den besonderen Strukturen des Investitionszulagenverfahrens begründet, die einem steuerlichen Beamten keine Rechtmäßigkeitsprüfung auferlegt. Eine generelle, sich auf sämtliche öffentlich-rechtliche Verfahren beziehende Aussage ist dieser Rechtsprechung daher nur begrenzt zu entnehmen. Eine Einzelfallprüfung ist jedenfalls geboten.


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