Zuständiges Gericht bei Inobhutnahme eines minderjährigen Kindes - Fürsorgebedürfnis

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Der zweite Senat des Oberlandesgericht Hamburg hat am 11.10.2023 über eine Vorlage entschieden, in der es um die Frage ging, welches Gericht im Rahmen eines Verfahrens nach § 1666 BGB für die Entscheidung über die Inobhutnahme eines Neugeborenen durch das Jugendamt örtlich zuständig ist.


(OLG Hamburg, Beschluss vom 11.10.2023, Az.: 2 AR 9/239)



Inobhutnahme und Verfahren nach § 1666 BGB

Ein Kind wurde im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek geboren, woraufhin das zuständige Jugendamt aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit der Mutter aktiv wurde. Die Mutter, die erst kurz vor der Geburt nach Hamburg umgezogen war, konnte oder wollte die notwendige Unterbringung in einer Mutter-Kind-Einrichtung nicht akzeptieren. Das Jugendamt nahm das Kind noch im Krankenhaus in Obhut und brachte es in ein Kinderschutzhaus im Bezirk des Amtsgericht  Hamburg-St. Georg. Nach der Inobhutnahme beantragte das Jugendamt den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Amtsgericht Hamburg-Barmbek. Der Mutter wurden daraufhin Teile der elterlichen Sorge entzogen. Später erklärte dasselbe Gericht seine örtliche Unzuständigkeit und verwies das Verfahren an das Amtsgericht Hamburg-St. Georg. Einen Tag später  nahm eine Bereitschaftspflegefamilie außerhalb von Hamburg das Kind bei sich auf. Im weiteren Verlauf erklärte sich Amtsgericht Hamburg-St. Georg ebenfalls für unzuständig und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung vor.


Fürsorgebedürfnis - § 152 Absatz 3 FamFG

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts war problematisch, da das Neugeborene noch keinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte. Dieser ist aber für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts relevant. Nach § 152 Absatz 2 FamFG ist, wenn keine Ehesache anhängig ist, dasjenige Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist dies nicht der Fall, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 152 Absatz 3 FamFG. Danach ist dasjenige Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge bekannt wird. Im vorliegenden Fall kommen beide Gerichte, Amtsgericht Hamburg-Barmbek und Amtsgericht Hamburg-St. Georg in Betracht, aber es haben sich beide Gerichte für unzuständig erklärt, was die Notwendigkeit einer Entscheidung durch den Senat hervorrief. Der Senat entschied letztlich, dass das AG Hamburg-St. Georg zuständig ist, basierend auf der Bindungswirkung der ursprünglichen Verweisung und der Tatsache, dass das Fürsorgebedürfnis des Kindes in beiden Gerichtsbezirken offenkundig wurde. Besonderes Augenmerk legte der Senat darauf, dass bei der Festlegung der Zuständigkeit das Wohl des Kindes und die Zweckmäßigkeit der gerichtlichen Zuständigkeit im Vordergrund stehen sollten.


Das Hauptsacheverfahren nach § 1666 BGB ist weiterhin beim AG Hamburg-Barmbek anhängig, was die Komplexität der Zuständigkeiten innerhalb der deutschen Familiengerichtsbarkeit verdeutlicht.


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