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Besonderheiten bei ärztlichen Kunstfehlern

  • 5 Minuten Lesezeit
Monique Michel anwalt.de-Redaktion

Die meisten von uns haben Vertrauen zu ihrem Arzt und gehen davon aus, dass er sie auch bestmöglich behandeln wird. Überwiegend ist das auch der Fall, doch auch einem Arzt können Fehler unterlaufen, die womöglich zu Schäden beim Patienten führen - sowohl materiell als auch immateriell. In vorliegendem Beitrag erläutert die anwalt.de-Redaktion einige Beispiele von Kunstfehlern im Rahmen von Operationen sowie Besonderheiten, die beispielsweise bei fehlgeschlagener Sterilisation oder bei Geburtsschäden von Kindern gelten.Die grundlegenden Informationen über ärztliche Behandlungsfehler an sich finden Sie in unserem Beitrag "Arzthaftung - Wenn Mediziner Fehler machen".

Ärztliche Kunstfehler bei Operationen

Viele Patienten fürchten sich besonders vor Fehlern, die im Rahmen einer Operation passieren können. Zum einen, weil eine Operation an sich schon ein gewisses Risiko birgt, zum anderen, weil der Operierte häufig durch Dämmerschlaf oder Vollnarkose nichts vom Eingriff mitbekommt und sich besonders "ausgeliefert" fühlt. Grundsätzlich gilt für OP-Fehler das gleiche wie für andere ärztliche Fehler z.B. bei der Diagnose, bei Befunderhebung, Beratung, Therapiewahl usw.

Der OP-Eingriff muss erforderlich sein und sorgfältig vorbereitet und geplant werden. Der Arzt hat eine geeignete und bewährte Methode zu wählen und den Patienten umfassend über alles aufzuklären, insbesondere auch die Risiken. Bei empfindlichen, ängstlichen Patienten muss er auch mit angst oder angstänlichen Reaktionen rechnen und entsprechend darauf eingehen. Die OP selbst hat er mit höchster Sorgfalt und Achtsamkeit nach den allgemeinen Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführen.

Beispiele für Kunstfehler:

Im Körper zurückbleibende Fremdkörper (BGH 4, 138), Unfruchtbarkeit wegen unsachgemäßer Aussachbung der Gebärmutter (OLG Köln, Urteil v. 25.04.2007, Az.: 5 U 180/05), nicht ordnungsgemäße Lagerung des Patienten während der OP (OLG Jena, Urteil v.28.03.2007 - 4 U 1030/04), unterlassene Röntgenaufnahme während OP, um deren Fortsetzung zu beurteilen, fehlerhafte Überwachung des noch unerfahrenen Anästhesisten (BGH, Urteil v. 28.03.2007, Az.: 4 U 1030/04), Wahl eines ungeeigneten Narkosemittels, fehlende Überwachung in der Aufwachphase (BGH, Urteil v.  03.10.1989, Az. VI ZR 319/88).


Besonderheiten bei Sterilisation

Schlägt eine Sterilisation fehl (bei Mann oder Frau) und wird die Frau daraufhin schwanger, so kann darin eine Körperverletzung der Frau liegen. Das hat der BGH beretis 1980 (Urteil v. 18. 3. 1980, Az.: VI ZR 105/78 und Az.: VI ZR 247/78) entschieden und erst im vergangenen Jahr bestätigt (Urteil v. 08.07.2008, Az.: VI ZR 259/06).

Anhand dieser Fälle stellte sich die Frage, inwieweit ein ungewolltes Kind als "Schaden" gesehen werden dürfe, für den die Eltern Schadensersatz verlangen können. Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vertrat im Urteil v. 28.05.1993 (Az.: 2 BvF 2/90,  2 BvF 4/92,  2 BvF 5/92) die Ansicht, dass "eine rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes als Schadensquelle...von Verfassungs wegen (Art. 1 I GG) nicht in Betracht" komme. Wegen der Unantastbarkeit der Menschenwürde verbiete es sich, die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen. Dem widersprach nicht nur 1994 der BGH (Urteil v. 16.11.1993, Az.: VI ZR 105/92) sondern 1998 auch der 2. Senat des BVerfG (Beschluss v. 12.11.1997, Az.:1 BvR 479/92 und 1 BvR 307/94). Die Richter stellten klar, dass der Schaden nicht in der Existenz des Kindes liege, somit auch die Menschenwürde nicht berührt sei, sondern in den Unterhaltspflichten, denen die Eltern durch die ungeplante Geburt ausgesetzt sind.

Ist die Geburt eines Kindes also auf eine fehlerhafte Sterilisation  zurückzuführen, haftet der Operateur der Sterilisation für den Unterhalt dieses Kindes.

Falsche genetische Beratungen, im Rahmen von Familienplanung können ebenfalls einen Behandlungsfehler darstellen und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche für den Unterhalt eines ungewünschten Kindes auslösen. (BGH, Urteil v.  17.12.1996, Az.: VI ZR 133/95).


Behandlung von Ungeborenen

Bereits während der Schwangerschaft wird die werdende Mutter heutzutage intensiv betreut. Zahlreiche Untersuchungen sollen überwachen, ob sich das Kind gesund entwickelt. Inzwischen können bei Komplikationen bereits im Mutterleib Behandlungen oder sogar Operationen am Ungeborenen vorgenommen werden. Doch auch früher schon war anerkannt, dass ein Ungeborenes (sog. nasciturus) bereits eigenen Rechtsschutz hat, z.B. wenn die Mutter verletzt wird und das Kind dadurch später Schäden davonträgt. Werden also die Mutter oder das Kind fehlerhaft behandelt und trägt das Kind dadurch einen Schaden davon, so hat es einen eigenen Schadensersatzanspruch gegen den behandelnden Arzt, auch wenn die Behandlung noch vor der Geburt stattfand. So sind Gynäkologen grundsätzlich verpflichtet die Untersuchungen nach den Mutterschutzrichtlinien vorzunehmen (KG, Urteil v. 02.10.2003, Az.: 20 U 402/0). Allerdings muss er nicht weitergehende Untersuchungen auf Missbildungen des Kindes (z.B. Phokomelie) anstellen, wenn kein Anlass dazu besteht (OLG München, Urteil v. 14.01.1993, Az.: 1 U 3305/92) 


Geburtsschäden

Von Geburtsschaden spricht man, wenn ärztliche Kunstfehler kurz vor oder während der Geburt eines Kindes zu dessen Verletzung oder gar dauerhaften Schädigung bzw. Behinderung führen. Auch hier können die Eltern, wie bei Fehlbehandlungen des Ungeborenen, für ihr Kind Schadensersatz und Schmerzensgeld einfordern. Weil die Zahl der Geburtshilfefehler pro Jahr konstant hoch ist und es sich um ein medizinisch komplexes Gebiet handelt, haben sich viele Medizinrechtler auf den Bereich des Geburtsschadensrecht spezialisiert. Bei der Frage, ob der betreuende Arzt, das Krankenhaus oder die Hebamme einen Fehler bei der Geburtshilfe gemacht haben, kommt es jeweils auf die individuelle, konkrete Situation an. Dabei werden u.a. die Vorgeschichte der Mutter, der Verlauf der Schwangerschaft und die Entbindungsmethode berücksichtigt.

Besonders häufige Risiken bei einer Geburt sind etwa z.B. Verletzung des Kindes durch Saugglocke/Geburtszange, Schädelbrücke beim Kind, Geburtsstillstand, Steißlage des Kindes, Infektionen, Nervenschädigungen des Kindes oder der vielfach gefürchtete Sauerstoffmangel, der etwa durch Nabelschnurkomplikationen auftreten kann. Azrt und/oder Hebamme sind verpflichtet, bei Komplikationen sofort entsprechende Hilfsmaßnahmen einzuleiten und die Gebärende entsprechend aufzuklären und ihr Einverständnis für die geplante Maßnahme einzuholen.

Beispiele: Ohne einen außergewöhnlichen Befund, sind Ärzte nicht verpflichtet, eine schwangere über die Risiken einer normalen Geburt und die Möglichkeiten/Risiken eines Kaiserschnitts aufzuklären (OLG Koblenz, Urteil v. 04.12.2003, Az.: 5 U 234/03), treten jedoch während der Entbindung Umstände auf, nach denen eine Schnittentbindung notwendig oder jedenfalls vorteilhaft erscheint, so muss der Arzt die Mutter frühzeitig über die Risiken und Vorteile der jeweiligen Entbindungsmethoden aufklären und sie entscheiden bzw. einwilligen lassen, während sie dazu körperlich noch in der Lage ist (BGH, Urteil v. 16.02.1993, Atz.: VI ZR 300/91); ein Kaiserschnitt (sog. Sectio) kann z.B. bei Beckenendlage (Steißlage) des Kindes angezeigt sein (BGH, Urteil v. 16.12.1988, Az.: VI ZR 132/88).  Während der Geburt müssen Mutter und Ungeborenes regelmäßig örztlich überwacht werden, insbesondere wenn bereits pathologische Befunde vorliegen (OLG Oldenburg, Urtiel v. 16.01.1996, Az.: 5 U 17/95).

(MIC)


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