10 Fragen zur Abmahnung, Teil 1

  • 4 Minuten Lesezeit

10 Fragen zur Abmahnung, Teil 1

Die meisten Arbeitnehmer, die zum Ziel einer harschen Zurechtweisung durch ihren Arbeitgeber geworden sind, stehen dieser Situation zunächst ratlos und verunsichert gegenüber. Die Vorstellung, möglicherweise den Arbeitsplatz zu verlieren, schürt Versagensängste und wird überwiegend als massiv existenzgefährdend empfunden 

Bereits die Einordnung, ob es sich um eine (ernstzunehmende) Abmahnung oder um eine bloße Unmutsäußerung oder Ermahnung z. B. im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs handelt, ist in vielen Fällen nicht leicht zu beantworten. Das nachfolgende Frage- und Antwort-System (Teil 1 und 2) soll helfen, Betroffenen eine erste Einordnung vorzunehmen und die weitere Vorgehensweise abzuklären.

1.Was ist eigentlich eine Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinne?

Mit einer Abmahnung verdeutlicht der Arbeitgeber, dass er ein bestimmtes Verhalten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses als eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten ansieht und nicht bereit ist, weitere Pflichtverletzungen zu dulden (Rügefunktion).

Sie soll dem Mitarbeiter vermitteln, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht und muss auf diese Gefährdung des Arbeitsplatzes hinweisen (Warnfunktion). Die Androhung einer Kündigung in Wortform wird allerdings nicht verlangt. 

Hierbei muss der Arbeitgeber die Pflichtwidrigkeit so konkret nach Zeit, Ort und sonstigen Umständen benennen, dass der Arbeitnehmer nachvollziehen kann, wann er welche Pflicht durch welches Verhalten verletzt haben soll. Der Arbeitgeber ist dabei nicht gehalten, jede einzelne Pflichtverletzung gesondert abzumahnen. In einer Abmahnung können mehrere Vorwürfe enthalten sein, sofern diese nur hinreichend konkretisiert sind. Nachteil: erweist sich auch nur einer von mehreren Vorwürfen im Nachhinein als unzutreffend, verliert die gesamte Abmahnung ihre Wirkung.

Die Abmahnung ist Voraussetzung für jede ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung. Sie ist aber entbehrlich, wenn bereits ein einmaliges Fehlverhalten des Arbeitnehmers dermaßen gravierend ist, dass dem Arbeitgeber eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann, z. B. bei schweren Straftaten gegen die Interessen des Arbeitgebers oder der Mitarbeiter wie z. B. Diebstahl, vorsätzliche Körperverletzung, Sexualdelikten etc. Das heißt, die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund i. S. d. § 626 BGB Abs. 1 liegen vor, also solche Verhaltensweisen, die jegliches Vertrauen in das künftige Wohlverhalten des Arbeitnehmers zutiefst erschüttern und es nicht geboten erscheinen lassen, diesem das Privileg einer Bewährungschance zukommen zu lassen.

Natürlich wird die Abmahnung auch in die Personalakte aufgenommen. 

2. Was ist der Unterschied zwischen Abmahnung und Ermahnung?

Die Ermahnung ist eine bloße arbeitsvertragliche Rüge. Ihr fehlt im Vergleich zur Abmahnung die Androhung der Kündigung. Folgerichtig kann auf eine bloße Ermahnung nicht eine verhaltensbedingte Kündigung gestützt werden, falls sich das gerügte Fehlverhalten wiederholt. Vielmehr muss dann zunächst eine Abmahnung nachgeschoben werden, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden kann.

3. In der Abmahnung wird häufig wörtlich mit der Kündigung gedroht. 

Ist das nicht völlig überzogen?

Die Abmahnung will unmissverständlich verdeutlichen, dass im Wiederholungsfalle die Kündigung droht. Dem Arbeitnehmer soll letztmals vor Augen geführt werden, dass ein sich wiederholendes Fehlverhalten ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen wird. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass dies in drastischer Form erfolgt, auch wenn der betroffene Arbeitnehmer dies zunächst als nicht maßgerecht empfindet. 

Allerdings ist der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, die offene Kündigungsandrohung im Wortlaut aufzunehmen. Er kann dies auch weniger spektakulär diplomatisch umschreiben, wie z. B. „der Bestand des Arbeitsverhältnisses ist bedroht“ oder „der Arbeitsplatz ist gefährdet“. Nicht ausreichend im Sinne der Warnfunktion sind demgegenüber vage Andeutungen wie z. B. die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ oder „weiterer rechtlicher Schritte“, da es sich dabei auch um weniger einschneidende Schritte unterhalb der Kündigungsstufe handeln könnte wie z. B. Versetzung oder Umsetzung.

4. Bedarf es zu einer Kündigung mehrerer Abmahnungen?

Es ist ein alter arbeitsrechtlicher Irrglaube, dass es zu einer Kündigung mehrerer Abmahnungen bedarf. Im Ergebnis kommt es auf die Schwere des Fehlverhaltens einerseits, aber auch die Länge der Zeit zwischen den beiden bzw. einzelnen Zuwiderhandlungen an. So kann bei einer erheblichen Pflichtverletzung, die zu einer Abmahnung geführt hat, bereits eine kurz darauf erfolgte weitere Zuwiderhandlung eine Kündigung rechtfertigen, während bei mehreren Verstößen, die jedes Mal nur knapp oberhalb der Erheblichkeitsschwelle gelegen haben und zwischen denen jeweils längere Zeiten akzeptablen Verhaltenswaren, sich eine Kündigung als unverhältnismäßig erweisen dürfte.

Allerdings muss es sich immer um gleichartige Verstöße handeln. Werden demgegenüber mehrere Abmahnungen wegen unterschiedlicher Verstöße ausgesprochen, kann der Arbeitgeber nicht wegen des Vorliegens mehrerer Abmahnungen verhaltensbedingt kündigen, sondern muss auch hier einen Fall mindestens einmaliger Wiederholung zum Anlass nehmen.

5. Ist eine Abmahnung wegen jeder Kleinigkeit möglich?

Eindeutig nein. Eine unverhältnismäßige Abmahnung ist unwirksam. Es soll darauf ankommen, „ob ein besonnener Arbeitgeber die Pflichtverletzung nach Art und Gewicht kündigungsrechtlich für erheblich halten durfte, weil der Arbeitnehmer seinen Arbeitspflichten in nicht ganz unerheblichem Umfang nicht nachgekommen ist“. Bagatellverstöße sind demnach unbeachtlich.

-

Rechtsanwalt Dieter W. Schmidt ist Fachanwalt für Arbeitsrecht mit dem Kanzleisitz in Passau, verfügt über eine 30-jährige anwaltliche Berufserfahrung und vertritt Ihre arbeitsrechtlichen Interessen bundesweit an sämtlichen Arbeits- und Landesarbeitsgerichten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dieter Schmidt

Beiträge zum Thema