§ 28b IfSG vom 24.11.2021 verfassungswidrig ("3G" am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln)

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Liebe Leser,

am 24.11.2021 ist der neue § 28b IfSG in Kraft getreten, welcher unter anderem bestimmt, dass den Zutritt zum Arbeitsplatz (in Bezug auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber) als auch zu öffentlichen Verkehrsmitteln nur noch Menschen erhalten, die "asymptomatisch" sind (§ 2 Nr. 1 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung), also insbesondere kein Fieber und keinen Husten haben, und einen Impf-, Genesenen- oder negativen Testnachweis vorlegen können. Das führt dazu, dass Ungeimpfte sich im Grunde täglich testen lassen müssen, verbunden mit einem Ansturm auf Testzentren, Knappheit und Überteuerung bei den Schnelltest-Produkten und anderen Problemen. Doch auch Geimpfte und Genesene sind plötzlich gezwungen, in den betroffenen Bereichen ihre personenbezogenen Daten offenzulegen, private Informationen über den Gesundheitszustand.

Meiner Auffassung nach verletzt dieses Gesetz diverse Grundrechte der Betroffenen, insbesondere Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG (Freiheit der Person), Art. 11 GG (Freizügigkeit), Art. 12 GG (Berufsfreiheit), Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht und informationelle Selbstbestimmung), Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit), Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) sowie Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz). Diese Maßnahmen sind nicht geeignet, einen legitimen Zweck zu fördern, und sind weder erforderlich noch angemessen. Die größten Probleme bestehen meiner Auffassung nach bei der Erforderlichkeit, da dem Staat mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, die geeigneter, aber weniger eingriffsintensiv für die Bürger wären. So hätte dem Abbau der Intensivbetten bzw. dem Personalnotstand in den Krankenhäusern entgegengewirkt werden können und müssen. Seit Beginn der Pandemie stehen laut DIVI-Intensivregister ca. 6.000 Intensivbetten weniger zur Verfügung. Gleichwohl erhalten Krankenhäuser noch immer gemäß § 21 Abs. 1a Krankenhausgesetz Ausgleichszahlungen, wenn sie "planbare Aufnahmen, Operationen oder Eingriffe verschieben oder aussetzen". Der Aufbau von Intensivbetten, die Ausbildung und Einstellung von Personal wird nicht gefördert. Die aktuelle Situation ist also vom Staat mindestens billigend in Kauf genommen worden. 

Derart schwerwiegende Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger können daher nicht gerechtfertigt werden, zumal völlig unklar ist, ob die "3G"-Regelungen am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln überhaupt geeignet sind, die Infektionszahlen zu senken, wenn man sich die überfüllten Testzentren und die Selbsttests/Fremdtestungen am Arbeitsplatz anschaut.

Die Ungleichbehandlung zwischen Geimpften und Getesteten ist nicht mit Sachgründen zu rechtfertigen, da Geimpfte das Virus gleichermaßen übertragen können und somit nicht weniger "gefährlich" für das Gesundheitssystem sind. Dass nur Ungeimpfte der Testpflicht unterliegen, stellt somit einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG dar.

Damit ist das Gesetz verfassungswidrig. Bundesgesetze können ausschließlich mit einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90 ff. BVerfGG angegriffen werden, wobei auch ein Eilantrag nach § 32 BVerfGG möglich ist.

Florian Gempe
Rechtsanwalt
Strafverteidiger



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