Kopftuchverbot am Arbeitsplatz nur erschwert möglich

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Der Europäische Gerichtshof entschied in zwei verbundenen Fällen über ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz (Urteil vom 15.07.2021; Az. C-804/18 und C-341/19). Ein Verbot bleibt unter erschwerten Bedingungen möglich.

Ausgangslage

Bereits 2017 urteilte das Gericht, dass ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz als religiöses Zeichen rechtmäßig sein könne. Entscheidend sei, dass Unternehmen damit eine Politik der Neutralität gegenüber den Kunden verfolgten (14.03.2017, Az. C-157/15). In einem weiteren Fall wurde entschieden, dass Kundenwünsche allein nicht ausreichten, um ein solches Kopftuchverbot am Arbeitsplatz zu rechtfertigen (Urt. v. 14.03.2017, Az. C-188/15)

Nachdem zwei Arbeitgeber aus Deutschland, der Kindergartenverein WABE e. V. und die Drogeriekette MÜLLER Handels GmbH & Co. KG solche Neutralitätsvorschriften verkündeten und ihren Mitarbeiter/innen das Tragen eines Kopftuches verbaten, musste sich der EuGH erneut mit diesen Fragen befassen. Es ging insbesondere darum, ob nationale Standards, die einen stärkeren Diskriminierungsschutz gebieten, vorranging anzuwenden waren.


EuGH zum Kopftuchverbot am Arbeitsplatz

Ein „Kopftuchverbot am Arbeitsplatz“ ist nun unter folgenden Voraussetzungen laut EuGH nur im Einzelfall möglich:

Die Neutralitätspolitik eines Unternehmens kann das Verbot des Tragens eines Kopftuches am Arbeitsplatz rechtfertigen, sofern

  • diese Politik einem wirklichen Bedürfnis des Arbeitgebers entspricht, er also nachteilige Konsequenzen zu erwarten hätte und diese auch nachweisen kann, bspw. Umsatzeinbußen, 
  • er diese Politik konsequent und kohärent durchsetzt und
  • diese Maßnahme darauf beschränkt, was unbedingt erforderlich ist. 

Der nationale Diskriminierungsschutz kann eine weitreichendere Prüfung, wie z. B. die Erfordernis einer konkreten Gefahr erfordern, d. h. ob eine Gefahr für die konkrete Unruhe innerhalb des Unternehmens oder die konkrete Gefahr von Ertragseinbußen vorliegt. Das Urteil gibt den Mitgliedsstaaten also einen Wertungsspielraum. Was in Deutschland erlaubt ist, kann in Frankreich verboten werden und beides wäre unionskonform.

Der EuGH betont aber den Zweck der europäischen Antirassismus- und Antidiskriminierungsrichtlinien: es dürfe keine Diskriminierung aufgrund der unionsrechtlich geschützten Merkmale geben. Die Religionsfreiheit ist ein hohes und stark geschütztes Gut. Will ein/e Arbeitgeber/in seine/ihre unternehmerische Freiheit dafür ausnutzen, religiöse Symbole und Zeichen an ihren Mitarbeiter/innen zu verbieten, so bedarf es einer strengen Kontrolle. Der EuGH betont sehr deutlich, dass diese Regelung einige Religionen mehr als andere betreffe und sich auch eher an Frauen als an Männer richte. Die intersektionale Diskriminierung, Religion verbunden mit der Herkunft und des Geschlechtes, wurde jedoch nicht geprüft.


Der Diskriminierungsschutz in Deutschland wägt die Religionsfreiheit höher ab

Fraglich ist natürlich, wann eine „konkrete Gefahr“ durch eine kopftuchtragende Mitarbeiterin vorliegt. Ein Urteil, das eine "konkrete Gefahr" bejaht, gibt es in Deutschland nicht.

Im Fall einer Verkäuferin entschied das Bundesverfassungsgericht bereits 2003, dass für ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz eine konkrete Gefahr für die wirtschaftlichen Interessen durch den Arbeitgeber vorgetragen und nachgewiesen werden müssten (BVerfG, vom 30. Juli 2003 - 1 BvR 792/03). Auch bei Erzieherinnen an öffentlichen Kindertagesstätten sei für ein Kopftuchverbot eine konkrete Gefahr erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 18. Oktober 2016 - 1 BvR 354/11). 

Damit bleibt wiederum offen, wann eine „konkrete Gefahr“ vorliegt. Arbeitgeber/innen tragen die Darlegungs- und Beweislast hierfür.


Für Sie tätig

Betroffenen Arbeitnehmer/innen bleibt anzuraten, ihre Ansprüche und Rechte einzufordern , falls eine solche Neutralitätspolitik in ihren Arbeitsstätten umgesetzt wird insbesondere, um Entschädigungs- und Abfindungsansprüche durchzusetzen. Hier müssen jedoch Fristen eingehalten werden, sodass eine schnelle Beratung unumgänglich wird.

Die Kanzlei Uyanık ist im Bereich Antidiskriminierungsrecht und Arbeitsrecht spezialisiert. Wir helfen Ihnen gerne.

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