3 Wege zum fachmedizinischen Gutachten

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Wenn ein Patient vermutet, dass dem behandelnden Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist und ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist, so obliegt es dem Patienten für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zu beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und der Schaden durch diesen Fehler entstanden ist.

Als medizinischen Laien ist ihm dies jedoch nicht möglich. Vor erheblicher Bedeutung für die Durchsetzung von möglichen Schadenersatzansprüchen sind daher medizinische Fachgutachten. Außergerichtlich kommen hierbei ein Gutachten des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherungen), ein Gutachten der Schlichtungsstellen der Landesärztekammern oder ein privates fachmedizinisches Gutachten in Betracht.

Schlichtungsverfahren 

Sowohl gesetzlich als auch privat versicherten Patienten steht die Möglichkeit zu, sich bei einem Behandlungsfehlerverdacht an die Schlichtungsstelle der jeweiligen Landesärztekammer zu wenden. Im Jahr 2018 wurden vor den Landesärztekammern 9.901 Anträge auf Schlichtungsverfahren erledigt. Hiervon endeten 5.972 Anträge mit einer Entscheidung infolge der Erstellung eines medizinischen Gutachtens.

Hintergrund der hohen Zahl an Erledigungen ohne medizinisches Gutachten ist unter anderem, dass im Schlichtungsverfahren anders als bei der Einholung eines Privatgutachtens oder eines Gutachtens über dem MDK sowohl der Patient als auch die Behandlungsseite dem Schlichtungsverfahren zustimmen müssen. In 1.858 der entschiedenen Fälle wurde ein Behandlungsfehler/Risikoaufklärungsmangel bejaht. In 1.499 Fällen wurde der Fehler zudem als kausal für den Schaden angesehen.

(Siehe: Statistische Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für das Statistikjahr 2018, abrufbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Behandlungsfehler/Behandlungsfehler-Statistik_2018.pdf)

Der Antrag auf ein Schlichtungsverfahren ist bei der zuständigen Landesärztekammer einzureichen. Die Zuständigkeit der Landesärztekammer richtet sich dabei nach dem Sitz der Praxis bzw. des Krankenhauses. Die bei den Landesärztekammern eingerichteten Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen klären auf Antrag den Behandlungsfehlervorwurf. Die Antragsformulare und Hinweise zum Verfahren sind im Internet veröffentlicht.

Am Ende des Schlichtungsverfahrens, welches in der Regel 12 – 18 Monate dauert, steht eine unverbindliche Empfehlung, an die keine Seite gebunden ist. So steht dem Patienten dennoch die Möglichkeit zur Klageerhebung zu, selbst wenn die Kommission zu dem Ergebnis kommen sollte, ein Behandlungsfehler liege nicht vor. Gleichfalls kann seitens des Arztes bzw. dessen Haftpflichtversicherung eine Regulierung trotz der Bestätigung eines kausalen Behandlungsfehlers durch die Schlichtungsstelle abgelehnt werden.

Ein wesentlicher Vorteil des Schlichtungsverfahrens ist die verjährungshemmende Wirkung. In der Regel beträgt die Verjährungszeit 3 Jahre. Durch die Einleitung des Schlichtungsverfahrens wird die Verjährung gehemmt – sie pausiert faktisch – dies ist weder bei der Einholung eines Gutachtens durch den MDK noch durch einen privaten Anbieter der Fall.

Die Durchführung des Schlichtungsverfahrens ist kostenfrei.

Das MDK-Gutachten

Gesetzlich versicherte Patienten haben die Möglichkeit, sich zwecks Einholung eines medizinischen Gutachtens an ihre Krankenkasse zu wenden. Die Krankenkassen sollen bei Vorliegen eines Behandlungsfehlerverdachts ihre Versicherten unterstützen. Dies ergibt sich aus § 66 SGB V. Hierfür kann die Krankenkasse zur Abklärung eines Behandlungsfehlers den MDK mit der Erstellung eines fachmedizinischen Gutachtens beauftragen. Im Jahr 2018 wurden durch den MDK 14.133 Gutachten zu vermeintlichen Behandlungsfehlern erstellt. Hierbei wurde in 3.497 Fällen ein Behandlungsfehler bestätigt, dieser war jedoch nur in 2.799 Fällen auch kausal für den erlittenen Schaden.

(Siehe: https://www.mdk.de/aktuelles-presse/meldungen/artikel/behandlungsfehlerjahresstatistik-2018/)

Die Erstellung eines Gutachtens durch den MDK ist kostenfrei. Der MDK beurteilt, ob bei den Krankenversicherten ein gesundheitlicher Schaden vorliegt und ob ein Behandlungsfehler hierfür als Ursache in Frage kommt. Nach Beauftragung des MDK durch die Krankenkasse liegt die Bearbeitungszeit bei ca. 6 – 8 Monaten.

Privat versicherte Patienten haben nicht die Möglichkeit auf die Erstellung eines fachmedizinischen Gutachtens durch den MDK zurückzugreifen. Privatpatienten haben daher nur die Möglichkeit sich an die Schlichtungsstellen der Landesärztekammern zu wenden oder ein privates fachmedizinisches Gutachten einzuholen.

Anders als das Schlichtungsverfahren, welches von den Landesärztekammern angeboten wird, ist die Erstellung des MDK-Gutachtens für den gegnerischen Arzt bzw. das betreffende Krankenhaus nicht freiwillig. Einer Zustimmung der Gegenseite bedarf es daher in diesem Falle nicht. Anders als beim Schlichtungsverfahren erhält die Seite des Behandlers zudem das fachmedizinische Gutachten nicht. Dieses wird lediglich der Patientenseite übersandt.

Privatgutachten

Jedem Patienten steht zudem die Möglichkeit offen, selbst einen Arzt mit der Begutachtung einer ärztlichen Behandlung zu beauftragen.

Hierbei ist darauf zu achten, dass der mit der Begutachtung beauftragte Arzt in der Regel aus dem gleichen Fachgebiet kommen sollte wie der Arzt, dem der Behandlungsfehlervorwurf gemacht wird.

Ratsam ist weiterhin, dass der begutachtende Arzt in der beanstandeten Behandlung erfahren ist.

Es sollte sich zudem um einen Arzt handeln, der ebenfalls bereits Erfahrungen im Bereich der medizinischen Begutachtung in Zusammenhang mit arzthaftungsrechtlichen Fragestellungen hat.

Die Erstellung des Gutachtens sowie ggf. ergänzender Stellungnahmen sind vom Patienten selbst zu bezahlen. Dies kann mitunter sehr kostspielig sein. Vorteil dieses Gutachtens ist jedoch seine vergleichsweise geringe Bearbeitungszeit.

Die Qual der Wahl

Ob der Patient vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zunächst ein vorgeschaltetes medizinisches Gutachten vornehmen lassen sollte, ist anhand der jeweiligen Umstände gesondert zu entscheiden. Entscheidet sich der Patient im Vorfeld eines Gerichtsprozesses für die Einholung eines Gutachtens, so steht es dem Patienten offen, welche Möglichkeit er nutzen möchte. Hierbei ist der Patient auch nicht gezwungen, sich für eine der drei Optionen zu entscheiden, vielmehr kann er auch parallel verfahren und z. B. ein Gutachten durch den MDK einholen und gleichzeitig ein Privatgutachten in Auftrag geben.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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