A3, Köln: Zu Unrecht geblitzt – warum Betroffene wegen Fahrverboten schnellstmöglich handeln sollten

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Die Hintergründe der Blitzer-Panne am „Heumarer Dreieck“ bei km 0,80 in Fahrtrichtung Oberhausen haben wir bereits in einem anderen Rechtstipp ausführlich erörtert. Unter dem Titel „Blitzer-Skandal auf der A3 bei Köln-Ost / Königsforst – was können Betroffene nun tun?“ wurde dargestellt, welche unmittelbaren Folgen die nicht zu rechtfertigende Unterstellung einer in jedem Einzelfall um 20 km/h überzogenen Geschwindigkeitsüberschreitung für die Verkehrsteilnehmer hatte. Vordergründig betrachtet geht es um zu hohe Geldbußen, ungerechtfertigte Punkteeintragungen beim Kraftfahrtbundesamt und auch Fahrverbote ohne Grund oder von zu langer Dauer.

Nicht hinreichend herausgestellt wurde bislang aber die zeitliche Bedrängnis, in der sich viele Betroffene befinden. Dies soll mit dem vorliegenden Beitrag nachgeholt werden.

1.) Grundsätzliches zum Fahrverbot

a)
Ein Fahrverbot von ein- bis dreimonatiger Dauer ist die schärfste Konsequenz, die für einen Verkehrsteilnehmer nach einer Überschreitung der Regelungen der Straßenverkehrsordnung drohen kann. Sie ist vorgesehen, wenn jemand eine Ordnungswidrigkeit unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begeht (§ 25 Abs. 1 S. 1 StVG).

b)
Die Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) zeigt auf, wann ein Verkehrsverstoß als so grob eingestuft wird, dass selbst bei einem bislang unbescholtenen Fahrer schon die einmalige Überschreitung mit einer spürbaren mobilitätsbeschränkenden Rechtsfolge belegt werden soll. Für die hier allein zu besprechenden Fälle einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften kommt es nach § 4 Abs. 1 BKatV dann zu einem Regelfahrverbot von mindestens einmonatiger Dauer, wenn jemand die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 41 km/h überschreitet.

Auf die Blitzer-Panne bei Köln bezogen bedeutet dies, dass all jenen, die unter Berücksichtigung der Toleranz tatsächlich 101 km/h oder mehr gefahren sind, neben einer Geldbuße von wenigstens 160 € und zwei Punkten in Flensburg mindestens ein einmonatiges Fahrverbot auferlegt wurde, weil ihnen eben fälschlicherweise eine Überschreitung um 41 km/h oder mehr angelastet wurde, obwohl es bei tatsächlich zulässigen 80 km/h „nur“ 21 km/h oder mehr waren.

c)
Daneben soll die besinnende Funktion, die einem Fahrverbot zugesprochen wird, auch dann ihre Wirkung entfalten, wenn jemand zwar eine etwas weniger gewichtige punktebewehrte Verkehrsüberschreitung begeht, dabei aber zeigt, dass es ähnlich gelagerte Vorfälle in jüngerer Vergangenheit bereits gegeben hat und diese auch rechtskräftig entschieden wurden. Dann nämlich erscheint es aus Sicht des Verordnungsgebers geboten, jemanden durch eine nachhaltige Ermahnung auf den rechten Weg und zu einem verkehrsordnungskonformen Fahrverhalten zurück zu bringen.

§ 4 Abs. 2 S. 2 BKatV stellt klar, dass es regelmäßig zu einem Fahrverbot führen soll, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeugs wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von wiederum mindestens 26 km/h begeht.

Auf die Ereignisse am „Heumarer Dreieck“ bezogen bedeutet dies Folgendes: Hatte jemand bereits eine Geschwindigkeitsüberschreitung um mindestens 26 km/h begangen und wurde er auf der A3 bei Köln dann binnen eines Jahres ab Rechtskraft über diese „alte“ Entscheidung geblitzt, so genügte bereits eine – tatsächlich nach Toleranzabzug gefahrene – Geschwindigkeit von nur 86 km/h, um nach dieser „2*26 km/h-Regel“ ein Fahrverbot von einmonatiger Dauer auszulösen. Da derjenige aber die an sich maßgebliche Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h nur minimal überschritten hatte, hätte er bei fehlerfreier Verhaltensweise der zuständigen Behörden nicht mehr als ein Verwarnungsgeld in Höhe von 10 € erhalten dürfen.

Und es wird noch schlimmer. Denn außerhalb dieses sogenannten vertypten Regelfalls könnte ein Blitzer-Foto am angegebenen Ort auch dann das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen gebracht haben, wenn ein Betroffener dort mit nur 81 bis 85 km/h gefahren ist, in engem zeitlichen Zusammenhang davor aber bereits etwas nachhaltiger oder öfter im Verkehr aufgefallen ist. Denkbar wären beispielsweise zwei vorangegangene Geschwindigkeitsüberschreitungen um 23 und 24 km/h oder auch eine Geschwindigkeitsüberschreitung in diesem Bereich, die mit einer Abstandsunterschreitung gepaart war. Auch dann kann durch das Zusammenwirken dieser „alten“ Fälle mit dem Kölner Fall im Rahmen der Ermessensausübung der zuständigen Behörde ein Fahrverbot ausgelöst worden sein.

d)
Grundsätzlich wird ein Fahrverbot unmittelbar mit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam (§ 25 Abs. 2 S. 1 StVG).

Ist aber in den zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen den Betroffenen nicht verhängt worden und wird ein solches auch bis zur Bußgeldentscheidung nicht verhängt, so wird das Fahrverbot ausnahmsweise erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft (§ 25 Abs. 2a S. 1 StVG). Etwas vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass unter den angegebenen zeitlichen Bedingungen für die Abgabe des Führerscheins zwecks Vollstreckung eines Fahrverbots eine Schonfrist von viermonatiger Dauer eingeräumt wird, die mit dem Datum der Rechtskraft zu laufen beginnt und dem Betroffenen die Möglichkeit gibt, etwas flexibler zu disponieren und die führerscheinfreie Zeit zu planen.

2.) Fallkonstellation: Fahrverbot rechtskräftig verhängt und derzeit verbüßt

Unsere Kanzlei erreichen täglich Nachrichten von Betroffenen, denen – abhängig vom Maß der von der Stadt Köln vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung und etwaiger Voreintragungen in Flensburg entweder wegen angeblicher grober oder beharrlicher Pflichtverletzung – ein Fahrverbot auferlegt wurde, welches aktuell bereits verbüßt wird.

In derartigen Fällen ist große Eile geboten!

Aus unserer Sicht sollte es möglich sein, dass über einen anwaltlichen Antrag die Vollstreckung des Fahrverbots unverzüglich aufgeschoben wird, um in der Sache selbst – mit etwas mehr Ruhe – eine Klärung herbeizuführen, die dann sowohl das Fahrverbot, als auch die Punktefolge und das Bußgeld betrifft.

3.) Fallkonstellation: Fahrverbot verhängt, aber noch nicht verbüßt

Wer hingegen zwar bereits einen rechtskräftigen Bußgeldbescheid mit Fahrverbotsfolge oder einen entsprechenden Urteilsspruch des Amtsgerichts Köln erhalten, seinen Führerschein aber noch nicht abgegeben hat, der wird unter Berücksichtigung der zeitlichen Umstände selbst bei bestehender Schonfrist allenfalls noch wenige Wochen haben, bis dieses Privileg von viermonatiger Dauer ausläuft.

Auch in derartigen Fällen muss umgehend gehandelt werden, um wenigstens einen Vollstreckungsaufschub zu bewirken und Zeit zu gewinnen!

4.) Fallkonstellation: kein Fahrverbot verhängt – dieses droht aber in der Zukunft

Natürlich ist durchaus nicht jeder der nach derzeitiger Schätzung 400.000 Betroffenen des Blitzer-Skandals gleich mit einem Fahrverbot belegt worden. Es wird einige geben, die insbesondere aufgrund tadelfreien Vorlebens „nur“ einen Punkt und eine eher geringfügige Geldbuße bekommen haben.

All jene sollten sich nach den obigen Ausführungen aber darüber im Klaren sein, dass diese mehr oder weniger harmlos erscheinende Fehlentscheidung aus Köln zu einem Bumerang werden kann, wenn es ab dem Datum der Rechtskraft dieser Entscheidung anderenorts in näherer Zukunft noch zu einem weiteren Verkehrsverstoß kommt. Schließlich genügt auch dann unter Umständen bereits eine neuerliche Geschwindigkeitsüberschreitung um 26 km/h, um ein Fahrverbot auszulösen, welches ohne den Kölner Punkteeintrag nicht zu befürchten stünde.

Wenn jemandem bereits ein solches neuerliches „Missgeschick“ widerfahren ist, wird von der dort örtlich zuständigen Bußgeldbehörde und ggf. auch dem dortigen Gericht eine Entscheidung getroffen, bei der regelmäßig unberücksichtigt bleiben dürfte, aus welchen Gründen der Voreintrag in Flensburg aus dem Kölner Verfahren stehengeblieben ist.

Um es auf den Punkt zu bringen: Wer sich wegen vermeintlicher Geringfügigkeit nicht gegen einen ungerechtfertigten Punkteeintrag ohne Fahrverbot zur Wehr setzt, der riskiert, dass es zu eben solch einer unliebsamen Mobilitätseinschränkung kommt, wenn er oder sie in näherer Zukunft nochmals einen roten Blitz zu sehen bekommt.

Gerade in derartigen bereits laufenden Folgeverfahren tun Betroffene also gut daran, den Kölner Fall schnellstmöglich im Rahmen der Möglichkeiten neu aufzuwickeln, um das Fahreignungsregister zu bereinigen.

Die nun zu verzeichnenden Streitigkeiten zwischen der Bezirksregierung und der Stadt Köln und die damit einhergehende Ungewissheit für die Betroffenen verbraucht unabsehbar wertvolle Zeit, was im Wiederholungsfall dazu führen kann, dass dann ein – letztlich wiederum nicht gerechtfertigtes – Fahrverbot zu befürchten steht.

Rechtsanwalt Dr. Sven Hufnagel ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und auf die Verteidigung in Bußgeldsachen spezialisiert. Er ist bundesweit tätig und wird im Focus-Spezial für die Jahre 2015 und 2016 als einer von Deutschlands „Top-Anwälten im Verkehrsrecht“ bezeichnet. Weitere Informationen über ihn und seine umfassende Tätigkeit im Zusammenhang mit dem „Kölner Blitzer-Gate“ finden Sie auf unserer Website.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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