Ab welcher Summe lohnt es sich, Unterhalt zu fordern?

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Stellen Sie sich vor, Sie nutzen einen kostenlosen Rechner zur groben Schätzung der zu erwartenden Unterhaltshöhe von Ihrem Ex-Partner mit dem Ergebnis, dass Ihnen pro Monat ganze 20 EUR zustünden. Viele Unterhaltsberechtigte fragen sich nun, ob Sie den Aufwand einer Geltendmachung des Unterhalts auf sich nehmen wollen, manche gar, ob das überhaupt erlaubt ist! Erfahren Sie, ob und wo bei Unterhaltsforderungen eine Untergrenze verläuft, warum Forderungen nach 50 EUR schon stattgegeben wurden, solchen nach 100 EUR aber nicht, und welche Unterschiede es dabei zwischen Kindes- und Ehegattenunterhalt gibt.

Gibt es eine Formel zur Unterhaltsberechnung?

Zunächst kurz zur Erklärung, wonach sich die zu zahlende Menge Unterhalt eigentlich bestimmt. Die Höhe des zu zahlenden Unterhalts richtet sich nach dem sogenannten bereinigten, also unterhaltsrechtlich relevanten, Nettoeinkommen. Das ist ein wichtiger Bestandteil der Formel zur Unterhaltsberechnung. Mit diesem Nettoeinkommen ist jedoch nicht die Zahl auf der Gehaltsabrechnung gemeint. Ausgehend von dem, was jemand verdient, werden bestimmte Beträge vom Lohn abgezogen, zum Beispiel berufsbedingte Aufwendungen wie ein Firmenwagen, bestimmte Kranken- und Altersvorsorgekosten für sich selbst, unter Umständen auch Schulden. Von dieser Zwischensumme kann nun bestimmt werden, wie viel Geld der Unterhaltszahlende an Ex-Partner und/oder Kind monatlich zahlen muss.

Ist es nun so, dass der Unterhaltsschuldende nach Abschluss all dieser Abzüge unter den sogenannten Selbstbehalt rutscht, also die Einkommensmenge, die er selbst zum monatlichen Überleben braucht (die Höhe können Sie den Leitlinien der aktuellen Düsseldorfer Tabelle entnehmen), ist er von der Zahlungspflicht befreit.

Unterschied bei Geringforderungen zwischen Ehegatten- vs. Kindesunterhalt

Liegt das bereinigte Einkommen des Unterhaltsschuldenden lediglich knapp über dem Selbstbehalt, werfen Unterhaltsrechner, die man kostenlos zur groben Schätzung nutzen kann, nun häufig ganz kleine Summen aus. Viele Berechtigte fragen sich jetzt,

  • ob sie wegen 20 oder 30 EUR pro Monat an zu erwartendem Unterhalt extra eine Berechnung beauftragen sollen,
  • oder auch, ob sich nach der endgültigen Berechnung eine noch kleinere Summe ergibt,
  • oder überhaupt kein Geld bei einer beauftragten Berechnung herausspringt.

Bezüglich letzterem brauchen Sie sich nicht zu sorgen, da ein erfahrener Anwalt für Unterhaltsrecht Ihnen vorab nach Nennung der Einkommen beider Partner und ggf. Prüfung weiterer Faktoren einen Hinweis gibt, ob ein Anspruch bestehen könnte, und ob die Forderung dem Risiko einer gerichtlichen Abweisung unterläge.

Dafür muss man jedoch die zwei häufigsten Unterhaltsarten getrennt betrachten: einmal den Kindesunterhalt, und auf der anderen Seite den Ehegattenunterhalt, also den Unterhalt nur für den Ex-Partner.

Lohnt sich bei geringen Summen eine Forderung nach Ehegattenunterhalt?

Die Gesetzgebung in Deutschland hat verankert, dass sich Geschiedene aus Gründen der nachehelichen Solidarität auch über die Ehe hinaus unterstützen sollen, wenn dies notwendig erscheint. Beispielsweise kann ein Partner nachehelichen Unterhalt vom anderen verlangen, wenn er oder sie nach der Scheidung nach Jahren wieder in den Job einsteigt, der Arbeitslohn aber nicht ausreicht, um halbwegs über die Runden zu kommen. Diese Art von nachehelichem Unterhalt nennt sich juristisch Aufstockungsunterhalt.

Es gibt nun Gerichtsentscheidungen, die Forderungen nach einem solchen Aufstockungsunterhalt von 50 EUR stattgegeben (so etwa OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 1082) haben, während sie Forderungen von 100 EUR abgewiesen haben. Moment, fragen Sie sich - wie kann jetzt das sein?

Im Falle von Aufstockungsunterhalt ist es so, dass dieser dem einen Partner zur Fortführung des ehelichen Standards gereichen soll. Auf gut deutsch: damit er nach dem Verlust seines emotionalen und auch finanziellen Halts nicht in ein allzu großes Loch fällt. Tritt nun der Fall ein, dass der Unterhaltszahler rechnerisch einen zweistelligen Betrag Aufstockungsunterhalt beisteuern müsste, es beiden Partnern aber finanziell nach der Scheidung gut geht, entfällt dieser Anspruch. Aufstockungsunterhalt soll nicht dazu dienen, rein mathematische Einkommensunterschiede bis auf den Cent genau auszugleichen, sondern steile Gefälle abzutragen: wenn also einer im Geld schwimmt und der andere am Hungertuch nagt, übertrieben dargestellt. Dann können 50 EUR viel Geld im Monat bedeuten.

Das OLG München (FamRZ 2004, 1208) hat 2004 hingegen mit Prozenten gearbeitet, und gesagt: Wenn die Unterhaltsforderung weniger als 10% des Einkommens des Unterhaltsempfangenden beträgt, wird nicht ausgeglichen. So kam es, dass auch mal eine Forderung nach 100 EUR abgewiesen wurde, da dem Gericht die 100 EUR im Vergleich zum restlichen Einkommen wie der bekannte „Tropfen auf dem heißen Stein“ erschienen.

Wir sehen also in der Rechtsprechung, dass sich eine Summe nicht automatisch als Referenzwert auf andere Fälle des Ehegattenunterhalts übertragen lässt. Lassen Sie sich hierfür unbedingt vorab anwaltlich beraten. Suchen Sie sich dafür eine Kanzlei, die entweder

  • ein kostenloses Erstgespräch dafür anbietet, um anhand erster Daten einen Anspruch zu prüfen,
  • Ihnen eine Beratung über einen Beratungshilfeschein mit einem Eigenanteil von max. 15 EUR gewährt,
  • oder Sie gerichtlich begleitet, auch wenn Sie Verfahrenskostenhilfe beantragt haben.

Lohnt sich bei geringen Summen eine Forderung nach Kindesunterhalt?

Beim Kindesunterhalt verhält es sich anders als bis hierhin anhand des Ehegattenunterhalts beschrieben. Jeder Euro, der über dem Selbstbehalt des Unterhaltsschuldenden liegt, kann und muss für die Unterstützung des Nachwuchs‘ verwendet werden. Es gibt keine Grenze, unter der eine Forderung als „Bagatelle“ abzutun wäre.

Legt man die 50 EUR aus den anderen Fällen zu Grunde, rechnet sich die Jahressumme auf 600 EUR hoch. Wer als Alleinerziehender auf jeden Cent angewiesen ist, für den lohnt sich im Zweifel auch die gerichtliche Durchsetzung dieser Summe. Wenden Sie zum Beispiel 100 EUR von den 600 für die Unterhaltsberechnung bei einem Anwalt auf, haben sich Ihre Kosten bereits nach 2 Monaten amortisiert – und von da an sorgt unter anderem die festgestellte Berechnung für den monatlichen Zahlungseingang des weiteren Unterhalts vom Ex-Partner.

Die Höhe des Unterhalts für minderjährige Kinder richtet sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle. Diese wird für gewöhnlich alle zwei Jahre zum Jahresbeginn aktualisiert. Bei volljährigen Kindern teilen sich beide Eltern den Unterhaltssatz nach ihren jeweiligen finanziellen Möglichkeiten, abzüglich des Kindergelds, das dem Kind nun direkt zusteht. Auch hier gibt es kein Gefeilsche um die 50 EUR zu zahlenden Unterhalt. Ganz alleine schon deswegen, da der 18. Geburtstag an der Lebenssituation zahlreicher Schüler überhaupt nichts großartig ändert, da sie oft weiterhin zuhause wohnen, zur Schule gehen und in Ruhe ihr Abitur abschließen sollen.

Ganz kleine Unterhaltsansprüche per Vereinbarung wachsen lassen

Es gibt viele Eltern, denen es selbst nicht recht ist, nur zweistellige Beträge im Monat für Ihre Kinder entrichten zu können. Vielleicht ist ihre finanzielle Situation auch nur ein temporärer Engpass, und in zwei Jahren geht es wieder bergauf? In solchen Fällen können Sie sich einen Streit auch sparen und die beste Lösung außerhalb der Gerichte suchen, und zwar über eine Unterhaltsvereinbarung.

Beim Kindesunterhalt für Minderjährige können Sie eine dynamische Vereinbarung festschreiben, nach der sich die kleine Summe mit jeder Anpassung der Sätze in der Düsseldorfer Tabelle erhöht. Gerne helfen wir Ihnen übrigens, eine solche Vereinbarung zu erstellen. Wollen Sie die Unterhaltsfrage noch vor Ihrer Scheidung regeln, können Sie die entsprechenden Inhalte auch in einer Scheidungsfolgenvereinbarung aufnehmen. Auch hier stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Ihnen alles Gute.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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