Abbruch einer Doppelhaushälfte und Verstoß gegen Rücksichtnahmegebot

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Auch ein Vorhaben, das zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, kann dennoch gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, wenn es sich in seine Umgebung nicht einfügt, weil es an der gebotenen Rücksicht auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt. Dies ist bei Aufhebung eines Doppelhauses durch Abriss einer Gebäudehälfte anzunehmen, wenn die zwischen den benachbarten Grundstückseigentümern begründete Schicksalsgemeinschaft hierdurch einseitig aufgehoben wird.


Im vorliegenden, vom VGH München, B. v. 20.06.2023 - 2 ZB 22.231 – entschiedenen Fall beabsichtigte der Bauherr, anstelle der bestehenden Doppelhaushälfte ein freistehendes Mehrfamilienhaus zu bauen. Die beiden Gebäude bilden eine bauliche Einheit dergestalt, dass zwei Gebäudehälften in wechselseitig vertraglicher und abgestimmter Weise an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind, so dass sie einen Gesamtbaukörper bilden, und sich das Gesamtgebäude als bauliche Einheit darstellt, sog. Doppelhaus im Sinne des § 22 Abs. 2 S.1 Bau NVO.


Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme hielt der Überprüfung stand: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, 4 C 12.98) zum Begriff des Doppelhauses werden die benachbarten Grundstückseigentümer durch den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs eingebunden. Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der (häufig schmalen) Grundstücke erhöht. Dies wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, „erkauft“ (vgl. BVerwG, 4 C 5.12). Diese enge Wechselbeziehung, die jeden Grundstückseigentümer zugleich begünstigt und belastet, begründet ein nachbarliches Austauschverhältnis - und legt dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung auf -, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf.


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