AdvoAdvice verhandelt am Europäischen Gerichtshof zur Speicherung von Daten zur Restschuldbefreiung bei der Schufa

  • 4 Minuten Lesezeit

Die Spannung war greifbar, als die Rechtsanwälte Dr. Rohrmoser und Dr. Tintemann am 26.01.2023 die mündliche Verhandlung in zwei verbundenen Rechtssachen (C-26/22 und C-64/22) am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg wahrnahmen.

Wie bereits in mehreren Medien berichtet ging es bei dem von der Kanzlei AdvoAdvice betreuten Verfahren um zentrale Fragen zur Speicherung von Daten, die Auskunfteien – hier konkret die Schufa - aus öffentlichen Registern wie den Insolvenzbekanntmachungen übernommen haben. Daneben ging es aber auch um zentrale Fragen, ob die ablehnenden Bescheide einer Datenschutzbehörde generell gerichtlich überprüfbar sind und wie sich ein genehmigter Verhaltenskodex auf die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung auswirkt.

Gut besuchte Verhandlung; mehrere Beteiligte

An besagtem Donnerstag-Vormittag war der Saal IV des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg gut gefüllt. Neben den Klägervertretern Dr. Tintemann und Dr. Rohrmoser waren auch die Schufa Holding AG, das Land Hessen sowie die Europäische Kommission in der mündlichen Verhandlung vertreten. Das Land Hessen sowie die Schufa Holding AG ließen sich jeweils ebenfalls umfassend rechtlich beraten und vertreten.

Die Verhandlung zog mehrere interessierte Zuschauer an. Dabei waren insbesondere mehrere Verantwortungsträger der Aufsichtsbehörde in Hessen sowie der Schufa Holding AG anwesend. Dies zeigte von Anfang an, welche Bedeutung die Vorlagefragen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden für die Beteiligten hat.

Neben weiteren vereinzelt interessierten Zuhörern fand sich zudem eine größere Gruppe an Studenten ein, welche wohl der Einladung eines Verfahrensbeteiligten gefolgt sind.

Ablauf des Verfahrens und der mündlichen Verhandlung

Nachdem das Verwaltungsgericht Wiesbaden seine Vorlagefragen beim Europäischen Gerichtshof eingereicht hat, konnten die Verfahrensbeteiligten sowie die Mitgliedsstaaten sowie die Kommission schriftlich Stellung zu den Fragen nehmen. Eine mündliche Verhandlung setzt der Gerichtshof immer dann an, wenn dieser noch weiteren Klärungsbedarf hinsichtlich der vorgetragenen Aspekte sieht. Dazu hatte der Gerichtshof nochmals fünf konkretere Fragen zur weiteren Klärung an die Parteien gegeben.

Die mündliche Verhandlung selbst ist sodann untergliedert in drei Teile:

Mündliche Ausführung zu Fragen

Zunächst konnten alle Beteiligten zu den vom Gericht vorgelegten Fragen Stellung beziehen und diese in einem 15-minütigen Vortrag beantworten. Diesen Vortrag übernahm Dr. Rohrmoser und vertrat offensiv die Auffassung, dass eine parallele Speicherung von Daten in einem öffentlichen Verzeichnis sowie in einer privaten Datenbank gar nicht zulässig sein dürfte. Spätestens wenn die Daten aus dem öffentlichen Verzeichnis gelöscht werden, müssten die Daten dann auch bei Drittstellen gelöscht werden. Zuletzt wurde noch verdeutlicht, dass der Verhaltenskodex keinerlei Auswirkung auf die Rechtmäßigkeitsprüfung haben kann und hier insbesondere den nationalen Gerichten immer wieder gravierende Fehler unterlaufen.

Die Stellungnahmen der Schufa und des Landes Hessen waren aus unserer Sicht wenig überraschend und haben selbstredend die jeweiligen Positionen verteidigt. Spannender waren dagegen die Ausführung der Kommission, welche eine eher datenschutzfreundliche Stellung eingenommen hat.

Fragen und Erwiderung

In der zweiten Phase der Verhandlung stellte das Gericht sowie der Generalanwalt noch weitere Fragen an die Verfahrensbeteiligten. Diese mussten sodann jeweils kurz beantwortet werden. Die Fragen richteten sich hier eher an die anderen Verfahrensbeteiligten.

Im letzten Teil konnten alle Beteiligten nochmals kurz auf Aspekte eingehen, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung benannt wurden, um zu diesen zu erwidern. Hier konnten durch die Kanzlei AdvoAdvice nochmals auf wertvolle Aspekte hingewiesen werden, z.B. dass eine gerichtliche Überprüfung von behördlichen Entscheidungen der Regelfall darstellt und auch im Datenschutzrecht gelten müsse.

Aussicht zum Verfahren und fragwürdige Einschätzung von Kollegen

In der aktuellen Berichterstattung zu dem Thema tun sich einige Kollegen hervor, welche weder anwesend waren noch mit den Verfahren in irgendeiner Weise zu tun haben. Gleichwohl sprechen diese schon vom Untergang des „Systems Schufa“ und geben Einschätzungen ab, wann mit einem endgültigen Urteil zu rechnen sei.

Die Einschätzungen können nicht nachvollzogen werden:

Zunächst müsste die Schufa wegen der hier verhandelten Fälle allenfalls auf einen Teil ihrer Daten verzichten, welche aber nur einen kleinen Prozentsatz der gespeicherten Personen betrifft. Mit einer entsprechenden Entscheidung im zweiten -nicht durch AdvoAdvice verhandelten- Verfahren C-634/21 müsste die Schufa ggf. Anpassungen an ihrem System vornehmen. Dass die Tätigkeit „verboten“ werde oder „nicht mehr durchführbar“ sei, ist nicht ersichtlich.

Auch die Einschätzung, dass ein Urteil ggf. erst 2024 erfolgen wird, sorgt für einige Überraschung. Es ist mit einer deutlich früheren Urteilsfindung zu rechnen. Die Schlussanträge des Generalanwaltes werden in wenigen Wochen erwartet.

Rechtsanwalt Dr. Rohrmoser fasste zusammen: „Die mündliche Verhandlung zeigte die unterschiedlichen Positionen in diesen Fragen deutlich auf. Nicht zuletzt die Stellungnahmen und die Rückfragen des Gerichts geben Hoffnung, dass es hier zu einem erfolgreichen Urteil für die Verbraucher kommen kann, auch wenn das Gericht keine Tendenz formuliert hat. Die Schlussanträge des Generalanwaltes werden hier womöglich schon etwas mehr Klarheit bringen.“

Welche Bedeutung hat das Verfahren für Betroffene mit dem Eintrag der Restschuldbefreiung aktuell?

Mit Blick auf das Thema Restschuldbefreiung hilft die mündliche Verhandlung noch nicht unmittelbar weiter. Bereits im Januar 2022 berichteten wir darüber, dass sowohl der BGH als auch der EuGH mit dieser Frage beschäftigt sind (Artikel hier). Spannend ist insofern, dass der Bundesgerichtshof nur drei Wochen nach dem EuGH, nämlich am 14.02.2023 ebenfalls zur Speicherung der Restschuldbefreiung verhandelt. Im Optimalfall wird es daher schon zeitnah ein Urteil geben, was die Rechte der Verbraucher stärkt. Sollten der BGH und der EuGH zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, gehen die Streitigkeiten um die Fragen weiter.

Betroffenen von einer Restschuldbefreiung kann insofern angeraten werden, ihre Ansprüche weiter geltend zu machen, um ein hoffentlich positives Urteil umgehend nutzen zu können. Gerne unterstützen wir Sie – sowie bisher zahlreiche andere Beteiligte – dabei, Ihre Rechte durchzusetzen. Hierzu können Sie uns unter 030 / 921 000 40 oder unter info@advoadvice.de erreichen.

Foto(s): AdvoAdvice

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Raphael Rohrmoser

Beiträge zum Thema