AGB-Klausel unwirksam? Volle Urlaubsabgeltung trotz Kurzarbeit !
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AGB, Kurzarbeit, Urlaubsabgeltung, Arbeitsrecht, Kosten, Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen Urteil (Az.: 10 SLa 470/24)
Kurzarbeit kann dazu führen, dass der Jahresurlaub und der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung reduziert werden. Sind jedoch solche Kurzarbeitsklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam, bleibt der volle Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung bestehen.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat in einem aktuellen Urteil (Az.: 10 SLa 470/24) entschieden, dass vorformulierte Kurzarbeitsvereinbarungen in Arbeitsverträgen besonderen Wirksamkeitserfordernissen unterliegen. Fehlen beispielsweise konkrete Angaben wie Ankündigungsfristen für die Anordnung der Kurzarbeit oder ein Enddatum der Kurzarbeit, kann dies die Wirksamkeit der Klausel beeinträchtigen. Dies wirkt sich direkt auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur vollständigen Urlaubsabgeltung aus.
Der Fall: Streit um Urlaubsabgeltung
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangte der Arbeitnehmer die vollständige Urlaubsabgeltung für die Jahre 2020 bis 2022. Während dieses Zeitraums einigten sich die Parteien aufgrund der pandemischen Lage auf Kurzarbeit, basierend auf einer vom Arbeitgeber vorgelegten vorformulierten Klausel. Der Arbeitgeber argumentierte, dass dem Arbeitnehmer wegen der vereinbarten Kurzarbeit weniger Urlaubstage zustünden und somit kein vollständiger Abgeltungsanspruch bestehe.
Für die Reduzierung von Urlaubstagen aufgrund von Kurzarbeit gibt es keine klare Gesetzeslage. Allerdings haben sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Fällen von vollständigem Arbeitsausfall (sogenannter Kurzarbeit "null") entschieden, dass die Reduzierung der Arbeitszeit auf "null" einer vorübergehenden Teilzeitbeschäftigung entspricht (EuGH, C-229/11 und C-230/11; BAG, 9 AZR 225/21).
Voraussetzung für eine Reduzierung des Urlaubsanspruchs ist jedoch die Wirksamkeit der Kurzarbeitsvereinbarung. Ist diese unwirksam, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf vollständige Urlaubsabgeltung für die betroffene Zeit, was für den Arbeitgeber unerwartete Kosten bedeuten kann.
Wann ist eine vorformulierte Kurzarbeitsvereinbarung unwirksam?
Eine vorformulierte Kurzarbeitsvereinbarung kann unwirksam sein, wenn sie:
Keine Ankündigungsfrist enthält: Fehlt eine klare Regelung zur Ankündigungsfrist, kann dies zur Unwirksamkeit führen, beispielsweise bei Formulierungen wie: "Der Arbeitgeber kann die Arbeitszeit kurzfristig und ohne Vorwarnung ändern."
Kein Enddatum benennt: Ohne ein festgelegtes Enddatum fehlt dem Arbeitnehmer die notwendige Planungssicherheit.
Eine einseitige Abbruchmöglichkeit für den Arbeitgeber vorsieht: Formulierungen wie: "Der Arbeitgeber kann die Kurzarbeit jederzeit beenden und den Arbeitnehmer zur vollen Arbeitszeit zurückrufen" sind unzulässig.
Leitsätze des Gerichts
Das LAG Niedersachsen hat in seinen Leitsätzen klargestellt:
Gehaltskürzung während der Kurzarbeit: Die Einführung von Kurzarbeit führt dazu, dass die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit und damit das Gehalt des Arbeitnehmers gekürzt werden. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des Gehalts wird während der Kurzarbeit ganz oder teilweise ausgesetzt.
Unzulässige einseitige Änderungen: Angesichts der existenziellen Bedeutung des Gehalts für den Arbeitnehmer ist es nicht akzeptabel, wenn der Arbeitgeber sich das Recht vorbehält, die Arbeitszeit ohne Vorankündigung jederzeit zu ändern und die Kurzarbeit sofort zu beenden.
Notwendigkeit eines Enddatums: Wenn Kurzarbeit in den AGB geregelt ist, muss ein voraussichtliches Enddatum für die Kurzarbeit genannt werden.
Was bedeutet das für Arbeitnehmer?
Die Reduzierung des Urlaubsanspruchs aufgrund einer unwirksamen Kurzarbeitsvereinbarung ist nicht gerechtfertigt. Das Gericht entschied, dass der Kläger keine Kürzung seiner Urlaubsansprüche wegen der Kurzarbeit befürchten muss, da die Kurzarbeitsregelung ungültig war und die Vergütungspflicht des Arbeitgebers weiterhin bestand.
Was bedeutet das für Arbeitgeber?
Ist die Kurzarbeitsvereinbarung unwirksam, steht dem Arbeitnehmer ein ungekürzter Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu. Für den Arbeitgeber können dadurch unerwartete Kosten entstehen.
Worauf Arbeitnehmer achten sollten:
Arbeitnehmer sollten Kurzarbeitsvereinbarungen genau prüfen und auf folgende Punkte achten:
Klare Ankündigungsfristen: Wie lange im Voraus muss der Arbeitgeber Änderungen der Arbeitszeit ankündigen?
Festes Enddatum: Bis wann ist die Kurzarbeit befristet?
Regelungen zur Wiederaufnahme der vollen Arbeitszeit: Unter welchen Bedingungen kehren Arbeitnehmer zur regulären Arbeitszeit zurück?
Worauf Arbeitgeber achten sollten:
Arbeitgeber sollten Kurzarbeitsvereinbarungen von einem Rechtsanwalt überprüfen lassen, um unangenehme Kosten zu vermeiden.
Rechtliche Beratung
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