Aktienveräußerungsverluste - wie werden diese steuerlich berücksichtigt am Beispiel der WIRECARD Aktie

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Worum geht es ?

Wir haben bereits zu diesem Schadensfall aus der Sicht der Anleger verschiedene Rechtsfragen beleuchtet. Nachfolgend wird auf eine steuerliche Problematik, die mit dem Insolvenzverfahren, dem Halten der Aktien bzw. deren Verkauf verbunden, ist hingewiesen.

Derzeit wird die Aktiengesellschaft im Insolvenzverfahren verwaltet und ist teilweise noch handelbar über die Hamburger Börse. Die Verkaufspreise schwanken und liegen zwischen 0,013 und 0,001 € pro Aktie.

Wir haben für unsere Anleger in dem Insolvenzverfahren die Forderungen angemeldet und verweisen insoweit auf unseren Artikel

https://www.bontschev.de/aktuelles/news/wirecard-skandal/?search_highlighter=Wirecard.

Derzeit, zum Zeitpunkt dieses Artikels, können die Anleger die Aktien noch verkaufen und folglich auch durch den Verkauf einen entsprechenden Aktien Veräußerungsverlust erzielen.

Eine Veräußerung die steuerliche, gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 EstG, zu berücksichtigen ist, ist eine entgeltliche Übertragung des zumindest wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien auf einen Dritten.

Der BFH hat entschieden, dass für diesen Veräußerungstatbestand weder die Höhe der Gegenleistung noch die Höhe der anfallenden Veräußerungskosten relevant ist und es grundsätzlich im Belieben des Steuerpflichtigen steht, ob, wann und mit welchem Ertrag er Wertpapiere erwirbt und wieder veräußert. Diese Rechtsprechung aus dem Jahr 2009 und aktuell bestätigt aus dem Jahr 2018 steht dem BMF - Schreiben vom 18.01.2016 zwar entgegen, ist jedoch für uns Anleger maßgebend.

Dieses bedeutet für die Anleger, dass immer dann, wenn sie heute noch von dem Recht auf Verkauf Gebrauch machen, egal zu welchem Verkaufspreis, nicht nur der Schaden realisiert wird, sondern zugleich auch ein Aktien Veräußerungsverlust entsteht. Dieses ist dann relevant, wenn Anleger einen Verlust benötigen, um beispielsweise Aktiengewinne die sie in dem gleichen Veranlagungszeitraum erzielt haben mit Verlusten verrechnen wollen, um ihre Steuerlast zu mindern. Wer nun einwendet, dass für den Veranlagungszeitraum ab 2020 die Problematik besteht, dass diese Verrechnungsmöglichkeit auf einen Sockelbetrag i.H.v. 20.000,00 € beschränkt ist, hat grundsätzlich recht, da diese Beschränkung auch für Aktien gilt und der Gesetzgeber dieses in § 20 Abs. 6 S. 6 EStG geregelt hat. Es gilt die Beschränkung, dass nur innerhalb der Anlageklasse der Aktien Aktienverluste mit Aktiengewinnen zu verrechnen sind und nicht mit Gewinnen aus anderen Kapitalerträgen.

Es ist jedoch hier auch im Auge zu behalten, das derzeit eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erfolgt ist, mit Vorlagebeschluss des BFH vom 17.11.2020, die genau diese Frage klären soll, ob möglicherweise diese Beschränkung der Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. 

Weiterhin soll in diesem Vorlagebeschluss auch geklärt werden, dass gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen wird, wenn der Anleger im Bereich der Veräußerung von Kapitalanlagen Aktien Veräußerungsverluste nur mit Aktien Veräußerungsgewinnen und nicht mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnen kann und die Gefahr eines endgültigen Verlustuntergangs bei Versterben des Steuerpflichtigen besteht. 

Denn im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzug ist von der auszahlenden Stelle ein verbleibender Aktien Verlustverrechnungstopf immer dann zu schließen, sobald sie vom Tod des Steuerpflichtigen Kenntnis erlangt, weil der Antrag auf Ausstellung einer Verlustbescheinigung, gemäß § 43 Abs. 3 S. 4 EStG nach den Vorgaben eines BMF-Schreibens als gestellt anzusehen ist. 

Hierdurch kommt es zu einer Verlagerung der Aktien Veräußerungsverluste in die letzte Erblasser Veranlagung. Fehlt es dann an Aktien Veräußerungsgewinnen in diesem Veranlagungszeitraum, verfallen die Aktien Veräußerungsverluste faktisch, denn in der Erblasser Veranlagung der Kapitaleinkünfte gewährt das Gesetz keine Schlussbesteuerung. 

Insoweit hoffen wir, dass der sehr intelligente Vorlagebeschluss des BFH, der sehr umfangreich ist und verschiedene Rechtsfragen beleuchtet, zugunsten der Anleger eine Klärung herbeiführen wird.

Was bedeutet dieses aber im konkreten Fall für die Anleger der Wirecard Aktie? 

Hier besteht die Möglichkeit, wenn Sie die Aktien verkaufe um die Aktienveräußerungsverluste zu generieren und diese mit Aktien gewinnen verrechnen wollen, können Sie dieses tun und im Rahmen Ihrer Steuererklärung die entsprechenden Anträge, gemäß § 32d Abs. 4 EStG stellen und insoweit in Ihrem Steuerbescheid auf ein offenlassen dieser Rechtsfrage bestehen. 

Dieses nennt man dann eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 2a AO. 

Diese setzt voraus, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Gerichtshofs der Europäischen Union bereits ergangen ist und die gesetzliche Neuregelung noch aussteht oder Zweifel an der Vereinbarkeit einer der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Rechtsnorm mit höherrangigem Recht (insbesondere mit dem Grundgesetz oder dem Europäischen Unionsrecht) besteht. 

Dieser konkrete Tatbestand rechtfertigt nur dann eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO, wenn dieselbe Frage bereits Gegenstand eines Musterverfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist.

Es stellt sich nunmehr die Frage was passiert, wenn der Handel vollständig eingestellt wird und folglich an der Börse ein Verkauf nicht mehr möglich ist? Dann ist es grundsätzlich so, dass der Veräußerungstatbestand nicht bereits verwirklicht ist, wenn der Aktionär vor der Löschung der Aktiengesellschaft mit einer Auskehrung von Vermögen im Rahmen der Schlussverteilung des Insolvenzverfahrens nicht mehr rechnen kann, oder die Notierung der Aktien an der Börse eingestellt ist, oder deren Börsenzulassung widerrufen wird. Auch dieses hat der BfA in einer aktuellen Entscheidung vom 17.11.2020 so bestätigt.

Was empfehlen wir? 

Lassen Sie sich in diesen Fragen am besten von einem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht mit Kenntnissen im Steuerrecht beraten. 

Insbesondere Anleger mit größeren Depotbeständen müssen auch immer diese Frage im Auge behalten, und nicht nur auf mögliche Schadensersatzprozesse gegen die Wirtschaftsprüfer und einen Erlös im Insolvenzverfahren hoffen. Hier gibt das Steuerrecht den Aktionären einen Gestaltungsspielraum.

Gern beraten wir Sie dazu.

Insbesondere für rechtsschutzversicherte Geschädigte bleibt es empfehlenswert, individuelle Aktivitäten in die richtigen Bahnen zu leiten. Nehmen Sie gern unverbindlich Kontakt mit uns auf und stellen uns Ihre Fragen. Massenabfertigung ist nicht unsere Sache. Wir bieten unserer Mandantschaft einen persönlichen und auf Ihren Fall, sowie Interessen, konzentrierten Service an, der auch die Deckungsanfrage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung mitumfasst.

Setzen Sie sich bitte gern mit uns in Verbindung:

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Rechtsanwältin Bontschev ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und für Steuerrecht. Seit über 20 Jahren vertritt Rechtsanwältin Bontschev, und die im Bankrecht spezialisierte Kanzlei, ausschließlich die Interessen von Anlegern und Investoren. 

Sie hat im Rahmen der Vertretung der Interessen der Gläubiger zahlreiche Erfahrungen durch ihre Tätigkeit und Mitwirkung in Gläubigerausschüssen gemacht.

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