Alkohol am Steuer: Was ist bei der Verteidigung gegen den Vorwurf wichtig?

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Strafbarkeit liegt immer ab einer vorwerfbaren Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,1 Promille vor. Ab diesem Promillewert spricht man von absoluter Fahruntüchtigkeit.

Aber auch schon mit einer BAK unterhalb von 1,1 Promille oder bei Nachweis von Drogen oder Medikamenten im Blut kann man als Täter einer Trunkenheitsfahrt beschuldigt werden. Man spricht dann von sog. relativer Fahruntüchtigkeit. Hier müssen Umstände in der Person des Fahrers oder Fahrfehler den Schluss zulassen, dass das Fahrzeug von ihm infolge der Alkohol- oder Drogeneinnahme nicht mehr sicher geführt werden konnte.

Da auch nüchternen Verkehrsteilnehmern bisweilen Fehler unterlaufen, kann hier ein erfolgversprechender Verteidigungsansatz liegen. Nicht jeder Fahrfehler oder jede körperliche Auffälligkeit genügt hier.

Es muss z. B. hinterfragt werden:

  • Liegen alkoholtypische Ausfallerscheinungen vor?
  • Liegt eine alkoholtypische körperliche Auffälligkeit vor?
  • Was hat die Polizei insoweit in der Anzeige festgehalten?
  • Was haben evtl. andere Zeugen beobachtet?
  • Was hat der Arzt vor der Blutentnahme über den Zustand des Beschuldigten im sog. „Torkelbogen“ vermerkt?
  • Welche äußeren Bedingungen können zum Fahrfehler geführt haben?

Bei einem Verdacht auf absolute oder relative Fahruntüchtigkeit wird der Führerschein von der Polizei sichergestellt oder beschlagnahmt. Ab diesem Moment darf der Beschuldigte kein Kfz mehr fahren.

Ein gegen die Beschlagnahme des Führerscheins vor Ort eingelegter Widerspruch sollte gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft wieder zurückgenommen werden.

Grund: Nach § 111a der Strafprozessordnung entscheidet ein Richter durch Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

Diese nachteilige gerichtliche Entscheidung kann wie ein Präjudiz wirken, wenn sie in die Strafakte gelangt. Bei absoluter Fahruntüchtigkeit wird mit einem Widerspruch ohnehin nichts zu erreichen sein. Bei relativer Fahruntüchtigkeit kommt es auf die Aufzeichnungen der Polizei oder die Beobachtungen sonstiger Zeugen an. Ohne die Kenntnis solcher Aufzeichnungen kann ein etwaiger Widerspruch gar nicht sinnvoll begründet werden. Deshalb ist zunächst Akteneinsicht durch den beauftragten Rechtsanwalt zu nehmen.

Der eventuelle Widerspruch oder eine Beschwerde gegen den Beschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kann ggf. dann auch zu einem späteren Zeitpunkt noch eingelegt werden. Sie ist nicht fristgebunden.

Zu prüfen ist außerdem:

  • Erfolgte die Anordnung der Blutprobe aufgrund „bestimmter Tatsachen“ nach § 81a Abs. 2 S. 2 StPO?

So muss ein über die bloße Vermutung hinausgehender, auf bestimmte Tatsache gestützter Anfangsverdacht einer vorschriftswidrigen Alkohol- oder Drogenfahrt vorgelegen haben. Die bloße Ausübung des Rechts die freiwillige Mitwirkung einer Atemalkoholkontrolle oder eines Drogentests zu verweigern, darf nicht zum Anfangsverdacht geführt haben.

Radfahrer machen sich erst ab einer BAK von 1,6 Promille wegen Trunkenheit im Verkehr strafbar. Aber auch bei darunterliegenden Promillewerten kann eine strafbare Trunkenheitsfahrt gegeben sein, wenn zusätzlich zu dem BAK-Wert weitere Beweisanzeichen wie erhebliche Fahrfehler oder Verhaltensauffälligkeiten auf eine Fahruntüchtigkeit des Radfahrers hinweisen. Eine Fahrerlaubnisentziehung durch die Strafjustiz gibt es bei Radfahrern nicht. Jedoch wird es bei Führerscheininhabern im Nachgang zum Strafverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Überprüfung der Fahreignung durch die Fahrerlaubnisbehörde in Form einer MPU kommen. Hier muss mit allen Mitteln um eine Einstellung des Verfahrens oder zumindest die positive richterliche Feststellung fehlender Ungeeignetheit zum Führen von Kfz gekämpft werden (Bindungswirkung für die Fahrerlaubnisbehörde).

Wenn man wegen Trunkenheit im Verkehr in Verdacht gerät, sollte man gegenüber der Polizei niemals Angaben machen, besonders nicht zur Alkohol-, Rauschmittel- oder Medikamentenaufnahme.

Grund:

  • Ohne entsprechende Angaben des Beschuldigten kann nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, wann die Resorption des Alkohols abgeschlossen war, sodass sich eine Rückrechnung verbietet. Es darf dem Fahrer dann nur die Alkoholmenge zum Vorwurf gemacht werden, die zu der später im Blutalkoholgutachten festgestellten Promillekonzentration geführt hat. Nachtrunkbehauptungen könnten zwar mittels einer sog. Begleitstoffanalyse überprüft werden. Dazu ist allerdings die Kenntnis der angeblich nach der Fahrt konsumierten Getränke notwendig.
  • Wer Angaben dazu macht, wie es zu der Trunkenheitsfahrt kommen konnte, riskiert eine verschärfte Strafe, weil ggf. eine vorsätzliche Tatbegehung unterstellt werden kann.

Die relative oder absolute Fahruntüchtigkeit führt nach §§ 316, 69, 69a StGB dazu, dass der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist, weshalb es neben der Strafe wegen Trunkenheit im Verkehr zu der Nebenfolge Entziehung der Fahrerlaubnis und der Festsetzung einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis kommt. Hierzu bedarf es keiner besonderen Feststellungen der Justiz. Im Juristendeutsch spricht man deshalb davon, dass die Ungeeignetheit „indiziert“ sei.

Wenn sich der Beschuldigte bzw. der Angeklagte bereits während des Verfahrens mit seinen persönlichen Defiziten, die zu der Alkoholfahrt geführt haben, auseinandergesetzt und sie letztlich gelöst hat, widerlegt dies die Tatsache der Ungeeignetheit oder schränkt die Indizwirkung zumindest ein.

Ein Ansatz der Verteidigung kann daher sein, dass sich der Mandant unter fachkundiger Anleitung eines Verkehrstherapeuten einer geeigneten Kursmaßnahme unterzieht. Ein guter Verteidiger kennt qualifizierte Verkehrstherapeuten und Rehabilitationsprogramme.

So kann in den meisten Fällen eine deutliche Abkürzung oder Verkürzung der Sperrfrist erreicht werden.

Passiert die Absolvierung des Verkehrsseminars bereits während des Ermittlungsverfahrens, also zeitnah zur Tat, kann sich der Verteidiger in vielen Fällen mit der Staatsanwaltschaft von vornherein auf den Erlass eines Strafbefehls mit einer verkürzten Sperrfrist verständigen.

Auch ein wichtiger Aspekt für viele Beschuldigte:

  • Eine öffentliche gerichtliche Hauptverhandlung wird auf diese Weise vermieden.
  • Die Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrererlaubnis wird deutlich verkürzt

Alternative Strategie: MPU-Gefahr vermeiden

Sofern, insbesondere nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer hohen BAK von über 1,6 Promille oder bei Wiederholungstätern eher die Vermeidung einer medizinisch-psychologischen-Untersuchung (MPU) vor Neuerteilung einer Fahrerlaubnis als die möglichst schnelle Wiedererlangung der Fahrerlaubnis (mit MPU) im Vordergrund steht, kann es auch Ziel der Verteidigung sein, eine Gerichtsentscheidung ohne Fahrerlaubnisentziehung mit entsprechender Bindungswirkung für die Fahrerlaubnisbehörde zu erreichen. Diese Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung verhindert die behördliche Anordnung einer MPU, die dem Betroffenen manchmal mehr Sorgen macht als seine Strafsache. Die Bindungswirkung des Urteils ist dann nicht mehr gegeben, wenn das Gericht das Urteil damit begründet, dass durch die Rehabilitationswirkung der Verkehrstherapie die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist. Es reicht nicht aus, dass auf den Entzug der Fahrerlaubnis nach dem Grundsatz in dubio pro reo verzichtet wird, denn in solchen Fällen wird die Fahrerlaubnisbehörde doch noch eingreifen und die Belassung der Fahrerlaubnis von einer positiven MPU abhängig machen. Es ist schon bei Alkoholfahrten mit nahezu 3 Promille gelungen, Betroffenen auf diese Weise eine behördlich angeordnete MPU zu ersparen.

Tipp:

Für Betroffene empfiehlt es sich immer, möglichst frühzeitig Kontakt zu einem versierten Strafverteidiger aufzunehmen. Nur so bleiben sämtliche Verteidigungsoptionen gewahrt. Angaben zur Sache gegenüber den Ermittlungsbehörden sollte unbedingt unterbleiben (Aussageverweigerungsrecht). Schweigen ist immer Gold! Die Folgen einer Trunkenheitsfahrt sind immer teuer. Wer an einem guten Anwalt sparen will, zahlt unter dem Strich jedoch oft mehr.

Der Verfasser, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Demuth, ist auf die Verteidigung von Menschen in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren spezialisiert – bundesweit.


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