„Aller guten Dinge sind drei!“ – Wie viele Abmahnungen braucht es wirklich?

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„Aller guten Dinge sind drei“ sagt der Volksmund, aber er hat nicht immer recht. Weit verbreitet – aber falsch – ist z. B. die Annahme, dass der Arbeitgeber immer erst drei Abmahnungen aussprechen muss, bevor er kündigen kann. Der folgende aktuelle Fall aus der Rechtsprechung verdeutlicht das.

Der Sachverhalt

Am Ende einer betrieblichen Weihnachtsfeier hatten sich noch einige Mitarbeiter an der Bar zusammengefunden. Auf die Diskussion folgte die Eskalation: Ein Mitarbeiter betitelte den Geschäftsführer in Anwesenheit mehrerer Arbeitskollegen als „Fixer“, „Wixer“ und „Pisser“ und wandte sich auch mit den Worten „Verpiss Dich!“ sowie einer körperlichen Drohgebärde an ihn. Am Folgetag zeigte sich der Mitarbeiter keineswegs einsichtig und drohte, er werde, falls ihm gekündigt werden sollte, „verbrannte Erde“ hinterlassen.

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis, der Arbeitnehmer klagte dagegen.

Das Urteil

Das Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung, wie auch vorher schon das Arbeitsgericht, für wirksam. Insbesondere war nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Ausraster bereits abgemahnt worden war. Das Verhalten des Arbeitnehmers stelle eine derart schwerwiegende Entgleisung dar, dass der Arbeitgeberin jede weitere Zusammenarbeit nicht zugemutet werden könne. Das gelte im Übrigen auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beschimpfungen erheblich alkoholisiert gewesen sein sollte (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27. April 2021 – 2 Sa 153/20).

Der rechtliche Hintergrund

Zunächst einmal ist eine vorherige Abmahnung allenfalls dann erforderlich, wenn man einem Arbeitnehmer ein Fehlverhalten vorwirft. Nur wenn der Arbeitnehmer sich anders verhalten könnte, wenn er denn wollen würde, kann eine Abmahnung überhaupt ihren Zweck erfüllen, also eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers in der Zukunft bewirken.

Darüber hinaus sind Kündigungen – rechtlich gesehen – keine Strafe, sondern das Instrument zur Beendigung von Arbeitsverträgen, die aller Voraussicht nach in der Zukunft nicht sinnvoll weitergeführt werden können. Erforderlich ist also eine negative Prognose. Im Fall der hier interessierenden Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen läuft es auf die Frage hinaus: Muss der Arbeitgeber damit rechnen, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seine Pflichten verletzen wird?

Und um diese Frage möglichst objektiv beantworten zu können, ist regelmäßig eine Abmahnung erforderlich, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird. Nur wenn der Arbeitnehmer durch eine Abmahnung dazu angehalten wurde, ein bestimmtes Fehlverhalten in Zukunft zu unterlassen und er sich dennoch erneut in gleicher bzw. gleichartiger Weise falsch verhält, darf davon ausgegangen werden, dass er auch weiterhin dieses Fehlverhalten zeigen wird.

Schließlich geht es auch um Verhältnismäßigkeit. Nicht jede Pflichtverletzung rechtfertigt gleich eine Kündigung, denn, insoweit hat der Volksmund recht: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Eine Abmahnung ist ein milderes Mittel zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses und damit in aller Regel einer Kündigung erst einmal vorzuziehen.

ABER:

Ein Abmahnung ist z. B. dann nicht erforderlich, wenn die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers so schwer wiegt, dass die Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit bereits durch diese eine Pflichtverletzung für immer zerstört ist – ein Beispiel dafür ist der eingangs geschilderte Fall.

Rat für die Praxis

Grundsätzlich muss vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung abgemahnt werden. Wie viele Abmahnungen erforderlich sind, ist vom Einzelfall abhängig. Bei schwerwiegendem Fehlverhalten allerdings, das jegliche Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit zerstört, kann eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden.

All das gilt jedoch nur, wenn auf den Betrieb, in dem der Arbeitnehmer arbeitet, das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, dort also mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden (berechnet wird nicht nach Köpfen, sondern nach Beschäftigungsanteilen: bis zu 20 Wochenstunden = 0,5; bis zu 30 Wochenstunden = 0,75; über 30 Wochenstunden = 1,0). In sogenannten Kleinbetrieben hingegen benötigt der Arbeitgeber keinen rechtlichen Grund zur Kündigung und damit ist auch eine Abmahnung schon allein deswegen nicht erforderlich – egal, wie schwerwiegend das Fehlverhalten der Arbeitnehmers ist.


Link zum Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 27.04.2021


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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