Altersdiskriminierung beim Gehalt: Lebensaltersstufen im BAT sind europarechtswidrig
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Der europäische Gerichtshof entschied am 8. September 2011, dass das Vergütungssystem des BAT altersdiskriminierend ist. Die Beklagte, das Land Berlin, wendet den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) an. § 27 des Vergütungstarifvertrages Nr. 35 zum BAT sieht eine Eingruppierung der Beschäftigten nach Lebensalter vor. Dabei werden jüngere Arbeitnehmer benachteiligt, da der Beschäftigte je nach Alter in eine höhere Lebensaltersstufe kommt und damit eine höhere Vergütung erhält. Der Kläger hielt diese Regelung für altersdiskriminierend und begehrte die Einordnung in die höchste Lebensaltersstufe.
Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall zusammen mit einem weiteren Verfahren dem EuGH mit der Bitte um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit der Entgeltregelungen im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes mit dem Verbot der Altersdiskriminierung vor. Dabei ging es zum einen um die Rechtmäßigkeit des § 27 BAT und zum anderen um die Überführung in den TVöD.
Die Rechtmäßigkeit der Lebensaltersstufen nach BAT
Denn bei der Überleitung wurde die bisherige Eingruppierung in eine Lebensaltersstufe nach BAT aufgrund notwendiger Besitzstandswahrung fortgeführt, womit die etwaige Diskriminierung fortbestand. Diese Vorabentscheidungsverfahren sind von enormer praktischer Relevanz. Zwar ist inzwischen auch in Berlin im öffentlichen Dienst der BAT durch den TVöD ersetzt worden. Wäre allerdings auch die Überleitung in den TVöD europarechtswidrig, so würden die öffentlichen Arbeitgeber mit erheblichen Forderungen zu rechnen haben, da sämtliche Beschäftigte in die höchste Lebensaltersstufe eingestuft werden müssten.
Auf der anderen Seite wenden eine Vielzahl von privaten Arbeitgebern nach wie vor den BAT an oder Tarifwerke, die an den BAT angelehnt sind. Insbesondere im sozialen und gemeinnützigen Bereich werden oftmals BAT-nahe Regelungen angewendet. Auch Non-Profit Organisationen und Verbände sind häufig an den BAT gebunden. Für diese Arbeitgeber ist sowohl die Frage der Anwendbarkeit der Lebensaltersstufen an sich als auch die der Überleitung zum TVöD von erheblicher Bedeutung.
Der EuGH hat die öffentlichen Arbeitgeber verschont. Zwar wurden die Lebensaltersstufen des § 27 BAT für unwirksam erachtet. Es sei kein Grund erkennbar, warum ältere Beschäftigte mehr verdienen sollten als jüngere Beschäftigte. Insbesondere gebe es bei älteren Beschäftigten per se keinen höheren Finanzbedarf als bei jüngeren. Auch eine automatische Verknüpfung von Lebensalter und Berufserfahrung sei nicht gerechtfertigt. Insofern haben jüngere Beschäftigte grundsätzlich den gleichen Anspruch auf Vergütung wie ältere Beschäftigte. Allerdings wird diese Praxis im TVöD nicht fortgeführt, sondern die Berufserfahrung des Beschäftigten wird in den Mittelpunkt gestellt. Dies ist nach Auffassung des EuGH eine legitime Differenzierung und nicht altersdiskriminierend. Insofern besteht die Möglichkeit, Fehler der Vergangenheit durch die Überleitung in den TVöD zu heilen.
Die Überleitung der BAT-Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in den TVöD gemäß Überleitungsvertrag hielt der EuGH für wirksam. Nach dem Überleitungstarifvertrag (TVÜ) erhielt zwar jeder Beschäftigte ein individuelles Vergleichsentgelt in Höhe seiner bisherigen Vergütung auf Basis seiner individuellen Altersstufe nach BAT. Dieses Entgelt wurde dann in den TVöD überführt, was zu dem Ergebnis führt, dass die Ungleichbehandlung bei der Eingruppierung nach BAT auch nach der Überleitung fortgeführt wird. Faktisch sind die Mitarbeiter nach wie vor altersdiskriminiert. Der EuGH honoriert jedoch das Bemühen der Tarifvertragsparteien das rechtswidrige und diskriminierende Vergütungssystem des BAT durch ein neues diskriminierungsfreies System zu ersetzen und sieht einen legitimen Zweck in diesem Bemühen, der die Diskriminierung rechtfertigt.
Fazit:
Der öffentliche Dienst oder auch die öffentlichen Arbeitgeber des Landes Berlin sind mit einem blauen Auge davon gekommen. Die privaten Arbeitgeber, die den BAT anwenden, müssen allerdings unverzüglich in ein diskriminierungsfreies Tarifwerk wechseln, da ansonsten sämtliche Beschäftigte Anspruch auf Eingruppierung in die höchste Lebensaltersstufe haben. Zudem hat dieses Urteil natürlich Signalwirkung hinsichtlich aller Vergütungsregelungen, die in irgendeiner Form das Alter berücksichtigen. Tarifparteien und Arbeitgeber sind gut beraten, ihre Tarifwerke oder Vergütungsregelungen daraufhin zu prüfen, ob diese den Vorgaben des EuGH genügen. Zu guter Letzt gilt dies natürlich auch für sämtliche rechtliche Rahmenbedingungen im Arbeitsleben. So stellt sich die Frage, ob zum Beispiel die Unkündbarkeitsregelungen, die sich teils noch in Tarifwerken finden, wirksam sind. Aus heutiger Sicht ist eher davon auszugehen, dass diese Mitarbeiter genauso kündbar sind wie alle anderen auch und damit im Falle einer betriebsbedingten Kündigung auch in die Sozialauswahl mit einzubeziehen wären.
Unsere Empfehlung:
Insofern sollten betriebliche Regelungen, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge auf diskriminierende, insbesondere altersdiskriminierende Inhalte geprüft und gegebenenfalls geändert werden.
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