Annullierung des Fluges und Verspätung des Ersatzfluges: doppelte Ausgleichszahlung?

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Kann ein Fluggast zwei Ausgleichszahlungen fordern, wenn neben dem annullierten Flug auch der Ersatzflug verspätet durchgeführt wurde? 

Mit Urteil vom 10. September 2018 hat das Landgericht Hannover (1 S 175/17) in der Berufungsinstanz entschieden, dass einem Fluggast bei zwei Flugunregelmäßigkeiten während einer Flugreise der Anspruch auf Ausgleichszahlung zwei Mal zustehen kann.

Was war geschehen?

Die Passagierin schloss mit einem Reiseveranstalter einen Reisevertrag, der unter anderem einen Flug am 03. Oktober 2016 zum Inhalt hatte. Dieser Flug wurde annulliert. Der Klägerin wurde am Folgetag ein Ersatzflug angeboten, der sich jedoch mehr als 3 Stunden verspätete. Die Klägerin verlangte daraufhin die Ausgleichszahlung wegen der Annullierung des ursprünglich gebuchten Fluges und eine weitere Ausgleichszahlung wegen der Verspätung des angebotenen Ersatzfluges. 

Das Urteil des Amtsgerichts Hannover 

Nach dem Anerkenntnis der Beklagten im Hinblick auf die Annullierung des Fluges am 3. Oktober 2016 hat das Amtsgericht die weitergehende Klage, mit der die Ansprüche auf Ausgleichszahlung wegen der Flugverspätung am 04. Oktober 2016 weiterverfolgt wurden, abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Klägerin nicht über eine zweite bestätigte Buchung für den verspäteten Flug verfügte. 

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Das Urteil des Landgerichts Hannover

Mit Urteil vom 10. September 2018 hat das Landgericht Hannover das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klägerin die weitere Ausgleichszahlung für die Flugverspätung am 4. Oktober 2016 zugesprochen.

Das Landgericht hat festgehalten, dass sich Einschränkungen des Anspruchs auf Ausgleichszahlung nicht daraus ergeben, dass lediglich eine Flugverbindung auf einer Strecke betroffen gewesen sei. Es ist nicht nur allein darauf abzustellen, dass die Klägerin im Ergebnis lediglich mit einer Verspätung (von einem Tag) das angestrebte Flugziel erreicht hat. Das Landgericht hat zugunsten der Klägerin entschieden, dass sie zweimal wegen des von ihr angestrebten Fluges ein Ärgernis und Unannehmlichkeiten erlitten hat, sodass sie entsprechend der Ziele der Fluggastrechte-Verordnung sowohl einen Ausgleichsanspruch wegen der Annullierung des ursprünglich vorgesehenen Fluges als auch wegen der Verspätung des Ersatzfluges hat. Bestätigt wird diese Haltung nach Auffassung des Landgerichts durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2017 (X ZR 73/16).

Im Übrigen scheitert der Anspruch auch nicht daran, dass die Klägerin nicht über ein förmliches Dokument (bestätigte Buchung) verfügte, aus dem sich der Beförderungsanspruch für den Ersatzflug ergibt.

Gemäß Art. 3 der Fluggastrechte-Verordnung ist deren Anwendungsbereich erst unter der Bedingung eröffnet, dass die Fluggäste über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen. Eine bestätigte Buchung ist anzunehmen mit Übergabe einer Buchungsbestätigung bzw. bei Online-Buchungen mit der zum Ausdruck bereitgestellten Erklärung des ausführenden Luftfahrtunternehmens. Vorliegend wurde ein solcher Nachweis allerdings unstreitig nicht erbracht. Die Beklagte hat allerdings nach Durchführung des verspäteten Fluges schriftlich bestätigt, dass dieser mit 8 Stunden Verspätung gelandet sei. Das Landgericht sah hierin eine „bestätigte Buchung“ im Sinne der Fluggastrechte-Verordnung.

Dem Urteil ist im vollen Umfang zuzustimmen, denn es stärkt den Verbraucherschutz in angemessener Weise. Wenn ein Luftfahrtunternehmen einen Ersatzflug bereitstellt (wozu es verpflichtet ist), gelten für diesen die Fluggastrechte gleichermaßen wie für den ursprünglich gebuchten Flug. Zutreffend hat das Landgericht angemerkt, dass bei dieser Fallkonstellation der Fluggast doppelt beeinträchtigt ist.

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