Anspruch auf Nachgewährung von Urlaub bei behördlich angeordneter Quarantäne weiter offen - Covid-19

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Am 16. August hat das Bundesarbeitsgericht die bislang umstrittene Rechtsfrage sowohl zum Leidwesen der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer in einem Beschluss nicht beantwortet, sondern ausdrücklich offen gelassen und eine Entscheidung  des EuGH im Rahmen eines Vorlageverfahrens beantragt.

Für den Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts ist es entscheidungserheblich, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/ 88/ EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nach nationalem Recht nicht nachzugewähren ist, weil der betroffene Arbeitnehmer selbst nicht krank war. (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16. August 2022 – 9 AZR76/22 A. 

Ein Teil der Landesarbeitsgerichte vertritt die Meinung, dass eine Nachgewährung von Urlaub nicht in Betracht kommt, weil § 9 BUrlG eng auszulegen sei und nicht auf andere Sachverhalte, insbesondere nicht den Fall einer Quarantäne-Anordnung wegen einer Infektion mit COVID- 19, ausdehnbar sei. Die individuelle Nutzbarkeit des Urlaubs sei kein Kriterium für eine Nachgewährung (LAG Köln Urteil v. 13. Dezember 2021 – 2 Sa 488/21;LAG Schleswig-Holstein Az. 9 AZR 100/22).

Das LAG Hamm vertritt dagegen die Auffassung, dass im Falle einer angeordneten Quarantäne eine vergleichbare Situation mit einem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer vorliege. Demnach komme es nicht darauf an, wie der Arbeitnehmer die Quarantäne empfinde oder ob er in der Lage sei, dieser positive Aspekte abzugewinnen. Die Anordnung einer Quarantäne stehe einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraums entgegen, unabhängig davon, wie der Betroffene sie persönlich empfinde. Das LAG Hamm bejahte deshalb eine Analogie zu § 9 BUrlG mit der Folge, dass einem Arbeitnehmer eine Gutschrift der Urlaubstage zu gewähren sei (LAG Hamm. Mit Urteil v. 27. Januar 2022 Az. 5 Sa 1030/21. 

Welche Ansicht sich durchsetzt, bleibt nun weiter offen bis der EuGH die Frage des BAG abschließend beantwortet hat - die Rechtslage bleibt bis dahin leider weiter ungeklärt.

Betroffene Arbeitgeber sollten die Begehren der Arbeitnehmer auf Nachgewährung von Urlaub unter Hinweis auf die mehrheitliche Meinung der Landesarbeitsgerichte (derzeit) und die offene Rechtslage zurückweisen.

Betroffene Arbeitnehmer sollten den Anspruch auf Gutschrift der Urlaubstage unter Hinweis auf die Rechtsprechung des LAG Hamm und die noch offene Rechtslage (derzeit) weiter geltend machen.

Anmerkung: Im Text gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wurde bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet. 


Autor: Rechtsanwalt Roland Faust

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Schwerpunkt Arbeitsrecht


0231/445015

Kanzlei Dortmund


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