Anspruch auf Versorgung mit dem Medikament Lynparza (Olaparib) bei metastasiertem Leiomyosarkom

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Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Beschluss vom  23.12.2021 – L 16 KR 516/21 B ER - die einstweilige Anordnung erster Instanz bestätigt.  Zu Recht hat sie die Kostenübernahme für die begehrte Therapie mit dem Medikament Lynparza (Olaparib) vorläufig zugesprochen. 

Das Arzneimittel Lynparza besitzt zwar eine Zulassung für andere Krebsarten , nicht aber für das vorliegende Leiomyosarkom. Richtigerweise wurde jedoch ein Anspruch aus § 2 Ia SGB V bejaht. Hiernach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von  dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende und dem medizinischen Fortschritt  abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung steht nicht (mehr) zur Verfügung.

Die Antragsgegnerin kann die Antragstellerin auch nicht auf eine palliativ-symptomatische Behandlung verweisen. Soweit sie in Übereinstimmung mit dem MD argumentiert, dass eine solche als Standard zur Verfügung stehe, ist dies zwar zutreffend. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine Alternative im Vergleich zu der begehrten Behandlung mit Olaparib. Während sich die behandelnden Ärzte von Letzterer eine (wenn auch wohl palliative) positive Auswirkung auf das Tumorgeschehen im Sinne einer Verlangsamung des Wachstums oder sogar einer Größenverringerung erhoffen, dient die palliativ-symptomatische Behandlung nur noch zur Beeinflussung der Auswirkungen der Tumore, insbesondere der Schmerzlinderung.

Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei stellt das Hauptziel der Krankenbehandlung die Heilung der Krankheit dar, worunter die völlige Wiederherstellung der Gesundheit, aber auch eine Besserung zu verstehen ist. Dagegen sind die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden regelmäßig nachrangige Behandlungsziele. Doch auch bei der Kollision von den Behandlungszielen der Linderung von Beschwerden und der Lebensverlängerung, obliegt die Wahl den Versicherten und daneben vor allem den Ärzten. Anderenfalls liefe § 2 Ia SGB V, der seinerseits auf den so genannten Nikolaus-Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 fußt, ins Leere. Denn eine rein palliative Behandlung der Symptome ohne weitere Bestrebung, auf die Krankheit als solche Einfluss zu nehmen, ist stets möglich. § 2 Ia SGB V dient jedoch gerade dazu, der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates nachzukommen, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 II 1 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) zu stellen. Dies vermag eine bloße Symptombehandlung regelmäßig gerade nicht mehr zu erreichen.  

Es besteht nach summarischer Prüfung schließlich auch eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht zumindest auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Das Tatbestandsmerkmal erfordert eine Wirksamkeitsprüfung am Maßstab der vernünftigen ärztlichen Praxis. Eine solche Herabstufung der Anforderungen hat das LSG angesichts des weit fortgeschrittenen Stadiums der Erkrankung in Verbindung mit der Vielzahl der bereits frustran verlaufenen Behandlungsversuche klar bejaht.

Zur Überzeugung des LSG sind zudem hinreichende Anhaltspunkte für eine positive Einwirkung des Medikaments Olaparib auf den Krankheitsverlauf ersichtlich. 

Fazit:

Die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen reiht sich ein in die jüngsten Entscheidungen des Schleswig-Holsteinischen LSG sowie des LSG NRW. Letzteres hat erst im Januar 2022 seine Rechtsprechung  aus August 2021 bestätigt, dass bei lebensbedrohlicher Erkrankung eine Medikation außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung beansprucht werden kann, wenn zwar keine lebensverlängernde Wirkung zu erwarten ist, aber der Patient eine höhere Lebensqualität erwarten kann, siehe hier: https://www.anwalt.de/konto/rechtstipps/meine-rechtstipps/ece93fc0-8f1d-49a0-8c51-e0cc20bcdfd7


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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