Arbeitslosengeld I: Aufhebungsvertrag, Abfindung und Anrechnung, Sperrzeit, Minderung

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Die Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse endet ohne Abfindung. Umso wichtiger ist es, sie zu behalten. Aber wann wird diese auf Arbeitslosengeld I angerechnet? Wird das Arbeitslosengeld I sofort ab Beginn der Arbeitslosigkeit gezahlt? Wie lange wird es gezahlt?

Sie haben mit Ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen und eine Abfindung ausgehandelt, um das Arbeitsverhältnis zu beenden. Alle steuerrechtlichen Fragen sind geklärt, - und dann will als erstes die Bundesagentur für Arbeit von Ihnen wissen, ob Sie eine Entlassungsentschädigung erhalten haben und wenn ja, wie hoch diese ist.

Die erste Frage, die sich stellt: Wird die Abfindung angerechnet, im Sinne von: Wird das Arbeitslosengeld gekürzt?

Grundsätzlich: Nein. Es muß allerdings eine Voraussetzung erfüllt sein: Das Arbeitsverhältnis darf nicht früher beendet worden sein, als es bei einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung geendet hätte. Bsp.: Sie haben eine reguläre Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende. Am 25.06. unterzeichnen Sie Ihren Aufhebungsvertrag, mit dem das Ende des Arbeitsverhältnis einvernehmlich auf den 31.12. des Jahres gelegt wird. Kann dann die Bundesagentur für Arbeit von Ihnen verlangen, daß Sie von Ihrer Abfindung "leben"? Ist die Abfindung dann relevant für den Bezug von Arbeitslosengeld I?

Antwort: Nein. Hätte Ihr Arbeitgeber Ihnen am 25.06. gekündigt, wäre das Arbeitsverhältnis ebenfalls zum 31.12. beendet. Sie werden also keinen Tag früher arbeitslos.

Was geschieht, wenn das Arbeitsverhältnis früher endet als vertraglich / gesetzlich geregelt? Wie kommt es dann dazu, daß erst später Arbeitslosengeld I gezahlt wird?

Das ist das sog. "Ruhen", geregelt in § 158 Abs. 1 SGB III: Das Arbeitslosengeld I wird zwar in voller Höhe gezahlt, aber nicht unmittelbar im Anschluß an die Arbeitslosmeldung, sondern erst einige Zeit später. Wie lange die "Pause" ist, berechnet sich nach § 158 Abs. 3 SGB III und ist abhängig von mehreren Faktoren: Wie alt der Arbeitnehmer ist, wie lange er dem Betrieb angehört hat und wie hoch sein Arbeitslosengeld I ist. Grob gesagt: Je länger der Arbeitnehmer in dem Betrieb beschäftigt war und je älter er ist, desto weniger wird angerechnet; die Spannbreite geht von 25 – 60 %. Diese Summe wird geteilt durch das kalendertägliche Arbeitslosengeld und ergibt dann die Dauer des "Ruhens", eine Phase, in der Arbeitslosengeld I nicht gezahlt wird. In dieser Zeit ist der Arbeitslose krankenversichert, § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Die Zahlung des Arbeitslosengeld I wird zeitlich nach hinten verlagert; sie beginnt nicht sofort mit dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, sondern erst später. Dementsprechend endet sie auch erst später.

Davon zu trennen sind Sperrzeit und Minderung.

Sperrzeit ist eine Zeit, in der Arbeitslosengeld I nicht gezahlt wird. Sie wird angeordnet, weil der Arbeitslose sich "versicherungswidrig" verhalten hat, § 159 SGB III, und die Länge ist unterschiedlich.

- Die bekannteste Sperrzeit ist wahrscheinlich, daß "die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe)". Einfachster Fall: Der/die Arbeitslose hat gekündigt oder einen Aufhebungsvertrag geschlossen oder dem Arbeitgeber einen Grund für eine berechtigte ordentliche oder außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung gegeben.

Ein wichtiger Grund für dieses Verhalten läßt eine Sperrzeit aber entfallen:

Die Rechtsprechung akzeptiert z. B., daß der Arbeitnehmer aus privaten Gründen seinen Wohnort wechseln mußte oder daß der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt hat oder daß der Arbeitnehmer eine andere Arbeitsstelle fest in Aussicht hatte (was sich dann aber zerschlagen hat). Vorsicht bei Mobbing als wichtigem Grund: Was schon "Mobbing" ist und was noch nicht, ist häufig Ansichtssache.

Achtung: Eine Sperrzeit läuft "kalendermäßig" ab und " … beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet…". Was in § 159 Abs. 2 SGB III so umständlich formuliert wird, führt häufig zu Mißverständnissen: Wenn Sie z. B. einen Aufhebungsvertrag schließen, dann beginnt die Sperrzeit einen Tag nach Vertragsschluß. Egal, ob Sie schon Leistungen der Arbeitsagentur beziehen oder nicht. Im Idealfall ist die Sperrzeit (maximal 12 Wochen bei Arbeitsaufgabe) schon abgelaufen, wenn Sie sich erstmalig bei der Arbeitsagentur melden.

Eine Sperrzeit führt immer zu einer Minderung, § 148 SGB III.

Um die kommen Sie nicht herum. Sie ist teilweise empfindlich: Laut § 148 Nr. 4 SGB III beträgt sie "die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe; in Fällen einer Sperrzeit von zwölf Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die der oder dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, zusteht …" Sie beginnt also im obigen Bespiel nicht einen Tag nach Vertragsschluß, sondern erst an dem Tag, an dem der/die Arbeitslose sich bei der Arbeitsagentur meldet.

Gerade für ältere Arbeitnehmer kann die Minderung zu empfindlichen Einbußen führen:

Ältere Arbeitnehmer können nämlich eine reguläre Bezugsdauer von bis zu 24 Monaten haben; geregelt in § 147 SGB III:

nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von insgesamt mindestens … Monaten
und nach Vollendung des … Lebensjahres
beträgt die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes ... Monate
12

6
16

8
20

10
24

12
30
50.
15
36
55.
18
48
58.
24

D. h., ein 58 jähriger Arbeitnehmer hätte theoretisch 24 Monate Bezugsdauer, bei Eigenkündigung entfallen davon aber nicht 12 Wochen, sondern sechs Monate (ein Viertel der Anspruchsdauer).


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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