Arbeitsrecht 2010

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Kündigung wegen Bagatelldelikten

Im abgelaufenen Jahr hatten mehrere Arbeitsgerichtsprozesse nach Kündigungen wegen sogenannter Bagatelldelikte Aufsehen erregt. Insbesondere der Fall der Berliner Supermarkt-Kassiererin „Emmely", die nach 31 Jahren entlassen wurde, weil sie zwei liegengebliebene Pfandbons im Wert von 1,30 Euro für sich verwendet hatte, sorgte für Aufsehen. Einer Sekretärin wurde gekündigt, nachdem sie beim Anrichten eines Imbisses eine Frikadelle verspeist hatte. Und eine Altenpflegerin musste gehen, weil sie trotz ausdrücklichen Verbots nach der Essensausgabe an die Heimbewohner sechs übriggebliebene Maultaschen eingesteckt hatte. Die Arbeitsgerichte hielten diese Kündigungen für rechtmäßig und hatten sich damit harscher Kritik von Gewerkschaftern und Politikern zugezogen.

Die SPD will im Januar einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen, demzufolge sofortige Kündigungen wegen Bagatellvergehen künftig verboten werden sollen. Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, bei kleineren Vergehen zunächst eine Abmahnung auszusprechen. Erst im Wiederholungsfall soll eine Kündigung in Betracht kommen. Die SPD will zudem durchsetzen, dass der Verdacht eines Bagatelldeliktes nicht mehr ausreiche, um Mitarbeiter vor die Tür zu setzen.

Die Regierung sowie die Arbeitgeberverbände zeigen sich ebenso wie die Arbeitsrichter skeptisch. Selbst wenn die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichtes die Kritik an den Entscheidungen zu den Bagatelldelikten im Jahr 2009 für „völlig daneben hält" hält der Vorsitzende des Bundesverbandes der Arbeitsrichter, Joachim Vetter, den Vorstoß der SPD für Aktionismus.

Viel Erfolg ist diesen Plänen somit wohl nicht beschieden.

Seit Jahrzehnten gilt die Rechtsprechung, wonach Diebstahl oder Unterschlagung auch geringwertiger Sachen ein Kündigungsgrund sei. Allerdings hat das BAG dieses Jahr die Möglichkeit diese Rechtsprechung zu ändern. Der Fall der Berliner Kassiererin hat es - wenn auch aus anderen Gründen als der Frage der Höhe der Unterschlagung - vor das BAG geschafft und nicht wenige Arbeitsrechtler erwarten, dass sich das BAG auch zur Frage der Höhe des Schadens äußert. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der für Kündigungen zuständige Zweite Senat des BAG neu besetzt ist. Vom neuen Vorsitzenden Burghard Kreft wird erwartet, dass er Zentralfragen des Kündigungsschutzrechtes überdenkt - und zwar nicht unbedingt zugunsten der Arbeitgeber.

Kurzarbeit

Wie auch in den vergangenen Jahren wird die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld verlängert. Ab dem Jahr 2010 auf bis zu 18 Monate. Wurde Kurzarbeit in 2009 angezeigt, gilt die derzeitige Regelung von 24 Monaten Bezug von Kurzarbeitergeld.

Dabei müssen vor allem Arbeitgeber Folgendes beachten:

Unabhängig davon, wann Kurzarbeit in 2009 oder 2010 angezeigt wurde oder wird, gilt derzeit die Vorgabe, dass es hinsichtlich des Umfangs des Arbeitsausfalls für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld ausreichend ist, wenn es mindestens bei einem Mitarbeiter einen Arbeitsausfall von mindestens 10% gibt. Insofern ist Kurzarbeit für alle Betriebe jeder Branche und jeder Größe relevant. Unklar ist, ob Arbeitgeber sich auf diesen leichteren Zugang auch über den 31.12.2010 hinaus berufen können, oder die wesentlich restriktiveren Vorgaben des § 170 Abs. 1 Nr. 4 SGB III (mindestens ein Drittel der im Betrieb oder einer Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmer müssen von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sein) gelten.

Von Bedeutung ist für Arbeitgeber ist auch, dass die vollständige Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen ab dem 7. Monat des Bezugs von Kurzarbeitergeld bzw. ab dem 1. Monat bei entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen ebenfalls derzeit nur bis 31.12.2010 greift. D.h. ohne weitere Neuregelung über den 31.12.2010 hinaus, würden diese Kosten wieder vom Arbeitgeber zu tragen sein.

Grundsätzlich kann auch während der Kurzarbeit gekündigt werden. Allerdings wird ab dem Zeitpunkt einer Kündigung, sei es durch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, oder dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages kein Kurzarbeitergeld durch die Agentur für Arbeit mehr gezahlt. D.h. Kündigungen durch den Arbeitgeber sollten möglichst kurz vor dem Beginn der jeweiligen Kündigungsfrist ausgesprochen werden.

Bsp.: Bei einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende bedeutet eine Kündigung, die am 01.01.2010 zugeht, dass vom 02.01.2009 bis einschließlich 28.02.2010 kein Kurzarbeitergeldanspruch mehr besteht. Geht die Kündigung erst am 31.01.2010 zu, entfällt der Anspruch erst ab 01.02.2010. Aufhebungsverträge sollten somit möglichst erst am letzten Tag eines Beschäftigungsverhältnisses abgeschlossen werden, wobei aus Arbeitnehmersicht wegen etwaiger Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld ggf. die Kündigungsfristen doch einzuhalten wären.

Befristungsrecht

Der Koalitionsvertrag sieht Änderungen im Befristungsrecht vor, die wahrscheinlich im Jahr 2010 umgesetzt werden.

Für Unternehmen war in der Vergangenheit äußerst problematisch, dass auch ein Arbeitsverhältnis nicht sachgrundlos befristet werden konnte, wenn zuvor schon einmal mit demselben Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis bestand. Dieses uneingeschränkte Vorbeschäftigungsverbot soll aufgehoben werden. Eine Befristung soll nach einer Wartezeit von einem Jahr erneut auch ohne Sachgrund möglich sein. Diese für die Praxis wesentliche Änderung ist hoffentlich in Kürze zu erwarten.

Leider wird im Übrigen das Befristungsrecht nicht von bürokratischen und überflüssigen Hemmnissen befreit. Überfällig wäre die Korrektur der rigiden Rechtsprechung zum Schriftformerfordernis, die eine Heilung eines bloßen Formfehlers nicht zulässt.

Arbeitnehmerdatenschutz

Im letzten Jahr waren eine Reihe von Datenskandalen öffentlich geworden. Dazu gehörten die Bespitzelung von Lidl-Mitarbeitern, Datenschutz-Verletzungen bei der Deutschen Bahn, ein Sicherheitsloch auf der Internet-Plattform des Bundesagentur für Arbeit und zuletzt die Bluttests bei Daimler. Seitdem steht der Arbeitnehmerdatenschutz im Blickpunkt. So sieht auch der Koalitionsvertrag Verbesserungen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes vor. Die Arbeitnehmer sollen vor Bespitzelungen am Arbeitsplatz geschützt werden. Die Erhebung und Bearbeitung von Daten der Arbeitnehmer, die für das Arbeitsverhältnis nicht relevant sind, soll verboten werden. Diese Regelungen sollen in einem eigenen Kapitel im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) untergebracht werden. Es ist davon auszugehen, dass bereits 2010 die Entwürfe der Koalitionspartner erstellt werden.

Meldepflicht der Arbeitsstunden an die Unfallversicherungsträger

Ab dem 1. Januar 2010 müssen Unternehmen die Arbeitsstunden ihrer Beschäftigten an die Unfallversicherung zwingend melden. Ansonsten werden die Meldungen als fehlerhaft abgewiesen und müssen nachgeholt werden. Zu melden sind entweder die tatsächlich erfassten Arbeitsstunden oder zumindest die Sollarbeitsstunden. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, können auch geschätzte Arbeitsstunden gemeldet werden.

Gendiagnostikgesetz

Die umstrittenen Bluttests bei Bewerbern in Unternehmen sorgten 2009 für Wirbel. Zwar wurden keine genetischen Tests durchgeführt. Trotzdem tritt am 1. Februar das Gendiagnostikgesetz in Kraft. Es verbietet dann auch noch mal ausdrücklich gendiagnostische Untersuchungen am Arbeitsplatz.

Über weitere Änderungen der Gesetzgebung und in der Rechtsprechung halten wir Sie selbstverständlich regelmäßig auf dem Laufenden.


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