Arbeitsrecht: Fristlose Kündigung wegen Entwendung von Dieselkraftstoff

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LAG Rheinland-Pfalz (3. Kammer), Urteil vom 27.06.2022 – 3 Sa 440/19


Was war passiert?


Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung beendet worden ist. 

Der Kläger war als Berufskraftfahrer bei der Beklagten beschäftigt. Im Laufe seiner Tätigkeit für die Beklagte zeigte das Kontrollsystem des Lkw immer wieder Fehlstände bezüglich der Tankfüllung an. Der Lkw-Tank fasst circa 660 Liter, das Kontrollsystem meldete im Laufe eines Jahres Fehlstände, die insgesamt 5.141 Liter betrugen. Der Kläger machte für den fehlenden Diesel im Tank Unbekannte Diebe verantwortlich. Die Beklagte vermutete den Diebstahl durch den Kläger. Die Beklagte hat eine Lkw-Flotte von 125 Fahrzeugen, bei denen es nur bei 17 Lkw Unregelmäßigkeiten bezüglich der Tankfüllstände gab. Unter den 17 Fahrern haben 11 bereits gegenüber der Beklagten die Dieselentnahmen zugegeben, von den übrigen Fahrern erhielten 5 eine Kündigung (der Kläger fiel hierunter). Der Kläger wendete sich gerichtlich gegen die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber.


Die Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz


Das Gericht entschied zu Gunsten des Arbeitgebers. Es liegt ein außerordentlicher Kündigungsgrund gemäß § 626 Abs. 1 BGB vor. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. 

Ein derartiger Grund wird zunächst objektiv bestimmt und berücksichtigt werden nur Umstände, die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetreten sind. Nachträgliche Gründe werden nur insoweit berücksichtigt, wenn durch sie die Kündigungsgründe in einem neuen Licht erscheinen. 

Das Gericht stellte zunächst fest, dass der Kündigende die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände des wichtigen Grundes trägt. Im verhandelten Fall konnte der Arbeitgeber durch das Kontrollsystem feststellen, dass dem Lkw mehrmals Dieselkraftstoff entnommen wurde. Die Entnahmen erfolgten ohne Wissen des Arbeitgebers und ohne Anzeige einer Straftat. Die Entnahme durch den Kläger konnte der Arbeitgeber nicht nachweisen, jedoch Indizien liefern. Die Entnahmen waren an unterschiedlichen Abstellorten, so auch unmittelbar am Wohnort des Klägers.


Das Gericht stellte klar, dass für die richterliche Würdigung der § 286 Abs. 1 ZPO gilt. Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Für die richterliche Überzeugung ist es ausreichend, wenn ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen. 

Der Diebstahl von Dieselkraftstoff stellt einen Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber dar. Die Integritätsverletzung von Eigentum und Vermögen des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer ist ein Verhalten, dass die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung infrage stellt. Das Gericht war von Indizien der Beklagten überzeugt und sah einen außerordentlichen Kündigungsgrund als geben an. Der Kläger entnahm widerrechtlich in einer Vielzahl von Einzelfällen Dieselkraftstoff aus dem Lkw-Tank.


Fazit:


Das Urteil stärkt die Rechte von Arbeitgebern bei außerordentlichen und ordentlichen Kündigungen. Das Gericht stellt klar, dass im Rahmen der freien Beweiswürdigung auch Indizien ausreichen, um das Gericht zu überzeugen. Die Indizien müssen so überzeugend sein, dass ein brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet.

LINDEMANN Rechtsanwälte

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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