Vorsicht bei "Krankmeldung" nach erfolgter Kündigung

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Was war passiert?


Ein Arbeitgeber und ein Arbeitnehmer stritten über einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall des Arbeitnehmers nach der Kündigung durch den Arbeitgeber.

Der Arbeitgeber verfasste am 02.05.2022 eine Kündigung. Am selben Tag meldete sich der Arbeitnehmer zunächst für eine Woche krank. Mit Folgebescheinigungen erweiterte der Arbeitnehmer die Krankmeldung anschließend bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.05.2022. Der Arbeitgeber weigerte sich, dem Arbeitnehmer für den Zeitraum seiner Krankheit Entgelt zu zahlen.


Entscheidung des LAG Niedersachsen


Der Arbeitgeber war erstinstanzlich zur Zahlung des Entgelts verurteilt worden. Das LAG Niedersachsen (AZ 8 Sa 859/22) wies die Berufung des Arbeitgebers zurück.

Der Arbeitgeber führte an, die vom Arbeitnehmer eingereichten Arbeitsunfähigkeits-bescheinigungen hätten keinen Beweiswert, weil sich der Arbeitnehmer am Tage der Kündigung krankmeldete und die Krankheit exakt bis zum Ablauf der Kündigungsfrist andauerte. Grundsätzlich ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geeignet, die tatsächliche Erkrankung des Arbeitnehmers nachzuweisen. Bei Krankheit entsteht ein Entgelt-fortzahlungsanspruch. Der Arbeitgeber stütze sich auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Das BAG hatte im Falle einer Arbeitnehmerkündigung und Krankmeldung am selben Tage, die genau bis zum Ablauf der Kündigungsfrist andauerte, entschieden, dass der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht der oben beschriebene Beweiswert zukommt.

In dem vom LAG Niedersachsen zu entscheidenden Fall kündigte aber nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Zum anderen trafen das Datum der Kündigung und die Krankmeldung zwar zeitlich zusammen, die schriftliche Kündigung wurde dem Arbeitnehmer jedoch erst einen Tag später zugestellt. Der Arbeitnehmer konnte sich also nicht auf Grund der Kündigung krankmelden, weil sie ihm noch gar nicht bekannt war. Allein die Koinzidenz, also das zeitliche Zusammentreffen, vom Ende der Kündigungsfrist mit dem Ende der Arbeitsunfähigkeit sei nicht ausreichend, um den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfallen zu lassen. Der Arbeitgeber hätte durch einen schlüssigen Vortrag nachweisen müssen, dass ernsthafte Zweifel an einer tatsächlichen Erkrankung des Arbeitnehmers bestehen. Dies hat er nicht getan.


Fazit


Meldet sich der Arbeitnehmer zunächst krank und erhält erst danach die Kündigung des Arbeitgebers, so entfällt der Beweiswert einer bis zum Ende der Kündigungsfrist andauernden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht. Anders kann es wiederum sein, wenn sich der Arbeitnehmer nach Erhalt der Kündigung sofort krankmeldet und die Erkrankung bis zum Ende der Kündigungsfrist andauert. 

Allein das Zusammentreffen, vom Ende der Kündigungsfrist mit dem Ende der Arbeitsunfähigkeit ist nicht ausreichend, um den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfallen zu lassen.

Rechtsanwalt Stephan Kersten

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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