Arbeitsrecht: Warum der Prozessvergleich besonders sinnvoll ist!

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Konflikte im Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis sind im Vergleich zu anderen Streitigkeiten von einer Reihe an rechtlichen wie auch tatsächlichen Besonderheiten geprägt. Dieser Umstand entspringt dem Wesen des Arbeitsvertrages. Er ist auf Dauer angelegt, sichert die Existenzgrundlage des Arbeitnehmers und zeichnet sich durch ein Machtgefälle zum Arbeitgeber aus. Das bedeutet jedoch nicht, dass Arbeitnehmer im Verfahren vor dem Arbeitsgericht zwangsläufig schlechte Karten haben. Im Gegenteil: Neben dem gesetzlichen Kündigungsschutz bietet insbesondere die Vergleichsmöglichkeit im Kündigungsschutzprozess ein wirksames Instrument, um Arbeitnehmerinteressen durchzusetzen! 

In diesem Rechtstipp erfahren Sie, was der Vergleich vor dem Arbeitsgericht eigentlich bedeutet und wie er sinnvoll eingesetzt werden kann.

 

1. Außergerichtlicher oder gerichtlicher Vergleich - Was bedeutet das?

Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege eines gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird, bezeichnet das Gesetz als Vergleich. Welche Regelungen die Parteien in diesem Sinne vereinbaren ist relativ frei. Die Parteien dürfen in einem gerichtlichen Vergleich selbst solche Aspekte einbeziehen, die bisher nicht Gegenstand des Klageverfahrens waren.

Die Grenze vergleichsweiser Regelungsmöglichkeit liegt jedoch dort, wo zwingende gesetzliche Vorgaben bestehen. So kann der Arbeitnehmer auf seine Ansprüche aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen nicht ohne Zustimmung der Tarifvertragsparteien bzw. des Betriebsrats verzichten. Zwingend vorgegeben sind beispielsweise auch:

  • Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
  • Gesetzlicher Mindesturlaub
  • betriebliche Altersvorsorge

Wesensmerkmal des Vergleichs ist weiterhin, dass beide Parteien nachgeben müssen. Jede Seite muss der anderen von ihrem Standpunkt aus ein Opfer bringen und ihr in irgendeiner Weise ein Entgegenkommen signalisieren. Das bedeutet, dass Zugeständnisse nur einer Partei nicht ausreichen, um eine verbindliche Vergleichsgrundlage zu schaffen. Die Praxis ist hier jedoch großzügig. Gerade im Arbeitsrecht wird zum Schutze der Arbeitnehmer bereits ein geringfügiges Nachgeben als ausreichend erachtet. Das eröffnet dem Gekündigten regelmäßig die Chance, seine Interessen durchsetzen zu können. Denn kaum ein Arbeitnehmer hat nach dem Ausspruch einer Kündigung noch ernsthaft den Wunsch, seine Arbeit im Betrieb des Arbeitgebers fortzusetzen.

 

2. Der Stellenwert eines Vergleichs im Kündigungsschutzprozess

Gerade im Arbeitsrecht herrscht eine hohe Streitschlichtungskultur. Denn das Gesetz sieht vor, dass die Gerichte in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinwirken sollen. Kündigungsschutzprozesse spielen dabei eine ganz wesentliche Rolle. Auffällig ist, dass nach den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes unter diesen Bestandsstreitigkeiten rund 80 % durch einen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen wurden.

Achtung: Es besteht kein gesetzlicher Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei einer Kündigung verpflichtet ist, eine Abfindung zu zahlen. Auch wenn die Parteien den Kündigungsschutzprozess vergleichsweise gegen Zahlung einer Abfindung beenden, entspricht das nicht der zwingenden Gesetzeslage. Vielmehr lässt sich der Arbeitgeber im Wege des gegenseitigen Nachgebens deswegen auf einen Vergleich ein, um das Verfahren zu beenden und das Risiko auszuschließen, nach einem arbeitnehmerfreundlichen Urteil den bis dahin aufgelaufenen Lohn auszahlen zu müssen.

 

3. Die Abfindung im gerichtlichen Vergleich

Besonders reizvoll für Arbeitnehmer: Im gerichtlichen Vergleich kann eine Abfindung vereinbart werden. Als Faustformel hat sich hierbei bewährt, dass es für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit ein halbes Bruttomonatsgehalt gibt. Wer also acht Jahre lang beschäftigt war und monatlich 4.000 € brutto verdient hat, würde eine Abfindung von überschlägig 16.000 € brutto erreichen. Dabei handelt es sich selbstverständlich nur um ein einfaches Rechenbeispiel. Die Abfindung hängt jedoch von den Einzelfallumständen und dem Verhandlungsgeschick des Arbeitnehmers ab.

Je besser die Chancen, den Kündigungsschutzprozess zu gewinnen, umso höher kann die Abfindung ausfallen. Umgekehrt ist jedoch auch zu beachten, dass die Abfindung umso geringer ausfallen kann, je stichhaltiger die Gründe des Arbeitgebers für die Kündigung sind.

 

4. Außergerichtlicher Vergleich - Eine sinnvolle Alternative?

Auch außerhalb eines Gerichtsverfahrens kann ein Vergleichsvertrag geschlossen werden. Anwendungsfälle sind hier vielfältig.

Zunächst kann ein Arbeitsvertrag durch einen Vergleich beendet werden. Juristen sprechen dann vom sogenannten Aufhebungsvertrag. Hierbei werden Mitarbeiter vor dem Ausspruch einer Kündigung darauf angesprochen, ob die Bereitschaft besteht, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Auch im Rahmen solcher Aufhebungsverträge werden häufig Abfindungszahlungen angeboten. Einen solchen sollten Sie jedoch nicht vorschnell unterschreiben, sondern zunächst anwaltliche Hilfe hinzuziehen. Bietet der Arbeitgeber nämlich solche Verträge von sich aus an, hat er meist keine tragfähigen Kündigungsgründe in der Hinterhand. Zudem besteht bei Aufhebungsverträgen die Gefahr von Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld.

Steht bereits eine Kündigung im Raum, kann ein außergerichtlicher Vergleich über das Schicksal des Arbeitsvertrages getroffen werden. Auch hier besteht Verhandlungsspielraum. Ein Manko bleibt jedoch: Der außergerichtliche Vergleich stellt im Gegensatz zum gerichtlichen Vergleich keinen Vollstreckungstitel dar. Damit besteht die Gefahr eines zusätzlichen Klageverfahrens, falls sich der andere Teil nicht an die Regelungen halten sollte.

 

5. Fazit

Der Vergleich hat im Arbeitsrecht eine herausragende Bedeutung, die sich Arbeitnehmer zu Nutze machen sollten. Wer sich einer Kündigung ausgesetzt sieht, sollte daher schnell anwaltlichen Rat hinzuziehen. Als Kölner Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht wissen wir, welche Chancen ein gerichtliches Vorgehen bietet, um eine interessengerechte Lösung zu finden. Nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf!


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