Arbeitszeiterfassung Pflicht für alle Arbeitgeber?– Arbeitsgericht Emden (2 Ca 94/19)

  • 2 Minuten Lesezeit

Bisher gibt es in Deutschland keine allgemeine Pflicht für Arbeitgeber zur Arbeitszeiterfassung. Arbeitgeber sind gem. § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG bisher nur dazu verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu dokumentieren.

Am 14.05.2019 hat der Europäische Gerichtshof (C-55/18 – CCOO) entschieden, dass die Mitgliedstaaten der EU die Arbeitgeber zu einem objektiven, verlässlichen und zugänglichen Zeiterfassungssystem verpflichten müssen.

Umstritten ist, ob sich aus dem Urteil des EuGH eine unmittelbare Pflicht für Arbeitgeber ergibt oder ob zuvor der Gesetzgeber tätig werden muss, um eine Pflicht zur vollständigen Arbeitszeiterfassung zu begründen.

Das Arbeitsgericht Emden (2 Ca 94/19) hat am 20.02.2020 entschieden, dass bereits jetzt eine unmittelbare Pflicht für Arbeitgeber zur Einführung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Zeiterfassungssystems besteht. In dem entschiedenen Fall war der Arbeitnehmer sieben Wochen lang als Bauhelfer für den Arbeitgeber tätig. Der Arbeitgeber zahlte dem Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnis den Lohn für 183 Arbeitsstunden aus. Der Arbeitnehmer hatte selbst seine Arbeitszeit erfasst und hatte 195,05 Arbeitsstunden errechnet. Vor dem Arbeitsgericht Emden klagte er die Differenz ein. Das Arbeitsgericht Emden gab der Klage statt. Es legte der Entscheidung zunächst die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast zugrunde, nach der der Arbeitnehmer zunächst darzulegen hat, wann er gearbeitet hat. Darauf muss der Arbeitgeber einen substantiierten Vortrag zu den Aufgaben des Arbeitnehmers sowie deren Erfüllung und der zeitlichen Lage vorlegen. In dem vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer eigene Aufzeichnungen seiner Arbeitszeit vorgelegt. Der Arbeitgeber argumentierte hierzu mit einem Bautagebuch, das das Arbeitsgericht nicht als geeignete Arbeitszeiterfassung ansah. Der Arbeitgeber hätte laut Arbeitsgericht ein objektiv verlässliches und zugängliches System einrichten müssen zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit. Mangels ausreichender Aufzeichnung habe der Arbeitgeber gegen seine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nach Art. 31 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta (GrCh) verstoßen. Diese wirke nach Auffassung des Arbeitsgerichts für den Arbeitgeber unmittelbar. Das Gericht sieht die Arbeitszeiterfassung als vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers an. Wird diese Pflicht verletzt, gelte der unter Vorlage von Eigenaufzeichnungen geleistete Vortrag des Arbeitnehmers als zugestanden. Deswegen hat das Arbeitsgericht hier die vom Arbeitnehmer erfasste Stundenzahl anerkannt.

Fraglich ist nach wie vor, ob sich die Ansicht des Arbeitsgerichts Emden durchsetzen wird, oder ob nicht doch der Gesetzgeber tätig werden muss. Trotzdem stellt dieses Urteil bereits jetzt eine Stärkung der Arbeitnehmer dar. In der Praxis ist Arbeitnehmern in jedem Fall zu raten, immer auch eine eigene Zeiterfassung zu führen.

Siehe auch ArbG Emden, Urteil vom 24.09.2020 – 2 Ca 144/20


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Patricia Hauto LL.M.

Beiträge zum Thema