Auch Darlehensverträge nach 2010 sind widerrufbar

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Wenn es um den Widerruf von Darlehensverträgen geht, hieß es bislang immer, dass nur Verträge aus den Jahren 2002 – 2010 widerrufbar seien. Doch dass dies nicht der Wahrheit entspricht, wird meist nicht erwähnt. Wir klären Sie darüber auf, welche Verträge unter welchen Umständen widerrufbar sind!

Warum auch Verträge vor 2010 nicht widerrufbar sind und spätere aber doch

Vor allem die folgenden beiden Gerüchte halten sich hartnäckig:

  1. Alle Verträge aus den Jahren bis 2010 seien widerrufbar.
  2. Alle Verträge, die nach 2010 geschlossen wurden, könnten nicht widerrufen werden.

Zum ersten Gerücht bleibt festzuhalten, dass tatsächlich die meisten widerrufbaren Darlehensverträge aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrungen aus den Jahren 2002 – 2010 stammen. Ursächlich dafür ist ein Muster zur Widerrufsbelehrung, dass der Gesetzgeber zur Verfügung gestellt hatte. Nach allgemeiner Auffassung der Rechtsprechung war dieses allerdings fehlerhaft. Nahezu alle Kreditinstitute übernahmen jedoch das fehlerhafte Muster, sodass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann. Damit war ein derartiger Vertrag ewig widerrufbar. Insbesondere konnten sich die Institute nicht auf eine Schutzwirkung berufen, wenn sie das Muster übernahmen und zusätzlich abänderten (z. B. korrigierten).

Allerdings nahmen Gerichte teilweise an, dass kein Widerrufsrecht bestehe. Dies betraf Fälle, in denen die Kreditinstitute entweder das Muster eins zu eins übernommen oder eigene, korrekte Belehrungen verfasst hatten.

Zur Klarstellung des zweiten Gerüchts bedarf es zunächst einer Betrachtung der Gesetzesänderung. Die bis einschließlich 2010 in der BGB-InfoVO geregelten Informations- und Belehrungspflichten nahm der Gesetzgeber ab 2010 in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) mit auf. Seitdem sind die Voraussetzungen zur Widerrufsbelehrung dort niedergeschrieben und überarbeitet worden. Das dortige Muster wird von der Rechtsprechung als ausreichend erachtet, sodass im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass die Widerrufsbelehrungen korrekt seien.

Die Realität sieht jedoch anders aus: Trotz des im EGBGB vorgegeben Musters werden oftmals Fehler von den Kreditinstituten bei der Belehrung gemacht. In besonders vielen Fällen werden vom Verbraucher Pflichtangaben gefordert, die nach dem Gesetz nicht benötigt werden. Außerdem nehmen zahlreiche Kreditinstitute Voraussetzungen mit auf, die nicht in die Belehrung gehören. Diese Voraussetzungen werden seitens der Bank dann nicht erfüllt, was das besonders schützenswerte Vertrauensinteresse des Verbrauchers immens beeinträchtigt und zur Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung führt.

Wie sich die Rechtsprechung dazu äußert

Der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich im Februar 2016 ebenfalls mit der Frage auseinandersetzen, ob Darlehensverträge nach 2010 aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrungen widerrufbar seien. In seinem Urteil (23. Februar 2016 – Az. XI ZR 101/15) entschied der BGH, dass die Widerrufsbelehrung hinreichend deutlich gestaltet ist, wenn sie den formalen Anforderungen des EGBGB und des Musters genüge. Fälschlicherweise wird der Urteilsspruch zumeist jedoch damit gleichgesetzt, dass der BGH die Widerrufsbelehrung als rechtmäßig anerkannt hat. Dies hat der BGH jedoch ausdrücklich abgelehnt zu prüfen, weil es ausschließlich um formelle und nicht materielle Fragen ging. Somit hat es der BGH bislang offen gelassen, wann eine Widerrufbelehrung eines Vertrags nach 2010 fehlerhaft oder korrekt ist.

Darlehensverträge widerrufen

Seit dem 21.06.2016 ist das „ewige Widerrufsrecht“ aufgehoben. Spätestens nach einem Jahr und 14 Tagen muss der Widerruf nun erklärt sein – unabhängig davon, ob die Belehrung fehlerhaft gewesen ist. Folglich können alle Darlehensverträge vor 2010 zu Ansprüchen führen, wenn Sie diese bis zum 21.06.2016 widerrufen haben. Darüber hinaus können bestimmte Verträge weiterhin widerrufen werden, allen voran solche, die aus der Zeit seit 2010 stammen (über die Möglichkeiten eines Widerrufs haben wir bereits in einem vorherigen Artikel umfassend informiert).

Scheuen Sie sich also nicht, uns zu kontaktieren. Wir stehen Ihnen mit kompetenter Beratung zur Seite und unterstützen Sie bei Ihren Ansprüchen gegenüber der Bank.

Darlehensvertrag kündigen

Natürlich können Sie Ihren Darlehensvertrag auch kündigen. Dafür gelten die regulären gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsrechte. Die Kündigungsrechte bleiben vom Widerrufsjoker unberührt. Dabei handelt es sich nämlich um eine andere Vertragsausgestaltung. Empfehlenswert ist es jedoch, dass Sie zunächst prüfen, ob Sie ein Widerrufsrecht haben. In den meisten Fällen ist der Widerruf für Sie günstiger und besser als die Kündigung.

Gerne überprüfen wir Ihre Verträge!

Wer wir sind

Die Rechtsanwaltskanzlei Benedikt-Jansen und Dorst ist auf Bank-und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Herr Rechtsanwalt Benedikt-Jansen ist seit 13 Jahren Vertrauensanwalt der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V., einem staatlich anerkannten Verbraucherschutzverband zur Bekämpfung unredlicher Finanzdienstleister (z. B. aus dem Bankensektor, Kapitalanlagesektor, Versicherungen, etc.). Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden hat seit dem Jahre 2004 zehntausende Fälle rechtsmissbräuchlicher Vertragspraktiken (insbesondere unwirksame Vertragsklauseln) erfolgreich bekämpft. Seit 2010 ist Herr Benedikt-Jansen Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarktrecht. Er verfügt über einen außergewöhnlich umfangreichen Schatz an Erfahrungen auf dem Gebiet des bankenrechtlichen Verbraucherschutzes.

Für weitere Informationen oder Fragen stehen er und sein Team Ihnen auf seiner Homepage zur Verfügung.


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