Aufbau und Funktionsweise des sogenannten Umsatzsteuerkarussells

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Die Funktionsweise eines sogenannten Umsatzsteuerkarussells lässt sich vereinfacht so darstellen.

Zu Beginn werden Waren zum Beispiel Mobiltelefone, Strom, Emissionszertifikate aus dem übrigen EU-Gemeinschaftsgebiet von sogenannten Ketteneinspeisern (regulär oder zum Schein) als innergemeinschaftliche steuerfreie Lieferung an ein im deutschen Inland gelegenes Unternehmen, den sogenannten Missing Trader, geliefert. 

Dieser ist der erste Abnehmer hinter der EU-Binnengrenze. Er wird dazu benutzt, Karussell-Betrugsware in das Umsatzsteuererhebungsgebiet (Inland) tatsächlich oder auf dem Papier einzuführen und soll dem Lieferanten eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung ermöglichen, indem er sich eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bei Bundeszentralamt für Steuern erteilen lässt.

Für den Missing Trader stellt die Lieferung des sogenannten Ketteneinspeisers einen innergemeinschaftlichen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs.1 Nr. 5 UStG dar (Korrespondenz zwischen Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung und der Erwerbsbesteuerung, § 6a Abs. 1 Nr. 2 und 3 UStG). Zugleich steht ihm der Vorsteuerabzug aus der Eingangslieferung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 a UStG zu, sodass insoweit kein Zahlamt entsteht. Bei Weiterfakturierung an die sogenannten „Buffer“ (per „ordnungsgemäßer“ Rechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer) fällt auf die gesamte Lieferung Umsatzsteuer an und der Missing Trader muss die auf die Lieferung entstandene Umsatzsteuer als Zahlamt an das Finanzamt abführen. Dies geschieht planmäßig nicht. Entweder gibt der Missing Trader bereits keine Umsatzsteuervoranmeldung ab oder aber die Umsatzsteuer wird nicht gezahlt.

Zudem fungiert der Missing Trader als Rechnungsschreiber, um den nachfolgenden Rechnungsempfängern (Buffern) einen unberechtigten Vorsteuerabzug zu ermöglichen. Zugleich wird die Ware durch ihn verbilligt. Beim Missing Trader handelt es sich in der Regel um ein reines Scheinunternehmen, dass zumeist innerhalb kürzester Zeit (3–6 Monate) vom Markt verschwindet. 

An nächster Stelle der Lieferkette stehen die sogenannten Buffer. In einem Umsatzsteuerkarussell können bis zu sechs Buffer auf verschiedenen Ebenen eingerichtet sein.

Diese werden zur Verschleierung der Lieferkette und der Strukturen eingeschaltet und trotz der Verkleinerung der Gewinne akzeptiert. Denn je mehr Teilnehmer an dem Karussell mitwirken, desto schwieriger ist das Aufdecken durch die Steuerfahndung. Der Buffer hat die Aufgabe, den jeweils nachfolgenden Unternehmen den Vorsteuerabzug durch fingierte Rechnungen zu ermöglichen. Je mehr andere Buffer zwischengeschaltet sind, desto sicherer ist der Rechnungsempfänger, dass die Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug aus den entsprechenden Rechnungen zulässt. Bei objektiver Betrachtung des Geschäftsbetriebes und auf dem Papier stellt sich der Buffer dem Finanzamt gegenüber als absolut unauffällig und korrekt dar. Der Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie zur Abgabe der Steuererklärungen bzw. Umsatzsteuervoranmeldungen kommt er nach. Die Entlohnung erfolgt auch hier über den Gewinnaufschlag bei Weiterberechnung der Ware.

An letzter Stelle der Lieferkette steht der sogenannte Distributor oder Exporteur. Über diese real existierende und meist seriöse Firma (oft auch in Konzerngröße) läuft rechnungsmäßig die fragliche Ware wieder zurück in das EU-Ausland oder in Drittländer. Oftmals sind über die Entscheidungsträger nur Teile der Firma in den Umsatzsteuerbetrug eingebunden. An seinen Abnehmer im Gemeinschaftsgebiet oder in Drittländern stellt der Distributor nach Vornahme eines Gewinnaufschlags eine Rechnung ohne Umsatzsteuer. Durch den beim Einkauf vorgenommenen Vorsteuerabzug in Verbindung mit den erklärten steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen oder Ausfuhrlieferungen wird der fiskalische Schaden zuzüglich der nicht bezahlten Umsatzsteuer des Missing Traders realisiert. Zusammen mit dem vom ausländischen Abnehmer bezahlten Kaufpreis erhält der Distributor seinen zuvor berechneten Aufschlag und damit seinen Anteil an der Umsatzsteuerhinterziehung. Die Ware selbst hat sich bei Ankunft im anderen EU-Mitgliedsstaat oder Drittland (ohne Umsatzsteuer) ausgehend vom ursprünglichen durch den ausländischen Lieferanten (Ketteneinspeiser) in Rechnung gestellten Nettobetrag noch einmal verbilligt. 

Die Bezeichnung Karussell geht darauf zurück, dass der ausländische Empfänger der Ware gleichzeitig der Lieferant des Missing Traders ist. Dadurch kann die Ware beliebig oft durch das „Karussell“ gedreht werden. Dieses kann tatsächlich oder nur per Rechnung geschehen. 


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