Ausscheiden aus einer Gemeinschaftspraxis (BAG)

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1. Ich möchte aus meiner BAG austreten!

Das Ausscheiden aus einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) kann verschiedene Gründe haben. Anlass sind meistens der Wunsch nach einer beruflichen Veränderung, z.B. aufgrund von Unstimmigkeiten mit den Kollegen, oder der bevorstehende Ruhestand des (Zahn)Arztes oder Psychotherapeuten (m/w/d).

BAGs werden in aller Regel in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder teilweise als Partnerschaftsgesellschaft (PartG) geführt.

Der Austrittwillige (m/w/d) hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten aus der BAG auszuscheiden:

  1. Einvernehmlich durch Ausscheidensvereinbarung mit den Mitgesellschaftern gegen Abfindung bzw. Verkauf des Gesellschaftsanteils an einen Nachfolger (m/w/d) (siehe unter 2.); oder
  2. Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses gegen Abfindung (siehe unter 3.).

2. Ausscheiden durch Vereinbarung

Im Idealfall kann eine Einigung im Gesellschafterkreis über den Austritt erzielt werden. Die Einigung kann so aussehen, dass 

  1. der austrittswillige Gesellschafter gegen Abfindung ausscheidet (siehe unter a.); oder 
  2. er seinen Gesellschaftsanteil an einen Nachfolger verkauft (siehe unter b.).

a. Ausscheiden gegen Abfindung

  1. Sämtliche Gesellschafter und die BAG schließen eine Austrittsvereinbarung über das Ausscheiden des austrittswilligen Gesellschafters und dessen Abfindung. 
  2. Der Austrittsvertrag kann privatschriftlich unterzeichnet werden; eine notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich.
  3. Mit dem festzulegenden Austrittsstichtag scheidet der austrittswillige Gesellschafter aus der BAG aus sein Vermögensanteil wächst den verbleibenden Gesellschaftern an. 
  4. Hinsichtlich des Vertragsarztsitzes muss geklärt und geregelt werden, ob der Ausscheidende die Zulassung mitnimmt und seinen Sitz verlegt oder aber die Zulassung in der BAG verbleibt und ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wird. In beiden Fällen ist eine Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung erforderlich.
  5. Die von der BAG zu zahlende Abfindung sowie deren Zahlungsmodalitäten wie Raten und Verzinsung müssen geregelt werden. Zudem ist zu klären, inwiefern der Ausscheidende an laufenden Gewinnen beteiligt wird. In der Regel werden die Gewinne hierfür durch Aufstellen eines Zwischenabschlusses auf den Ausscheidensstichtag abgegrenzt.
  6. Im Außenverhältnis trifft den Ausscheidenden eine fünfjährige Nachhaftung für Altverbindlichkeiten der BAG. Die Gesellschafter können jedoch abweichende Regeln für ihr Innenverhältnis vereinbaren, z.B. eine Freistellung des Ausscheidenden.
  7. Es sollte bedacht werden, ob für den Ausscheidenden ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gelten soll bzw. er von einem bestehenden Wettbewerbsverbot befreit wird.
  8. Zur Herstellung von langfristigem Rechtsfrieden sollten die Beteiligten überlegen, ob sämtliche Ansprüche von dem und gegen den Ausscheidenden durch Aufnahme einer Ausgleichsklausel bzw. Generalquittung mit der Vereinbarung abgegolten und erledigt werden.

b. Verkauf an einen Nachfolger

  1. Der Ausscheidende schließt einen Kauf- und Übertragungsvertrag über seinen Gesellschaftsanteil mit dem Nachfolger, mit dem der Nachfolger den Anteil an der BAG erwirbt.
  2. Die Mitgesellschafter müssen dem Vertrag durch Beschluss zustimmen oder diesen mit unterzeichnen.
  3. Der Kaufvertrag kann privatschriftlich abgeschlossen werden; eine Beurkundung durch einen Notar ist nicht notwendig.
  4. Der Vertragsarztsitz des Ausscheidenden soll in der Regel auf den Nachfolger übertragen werden. Hierfür muss ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt werden, in dem der Ausscheidende auf seinen Sitz verzichtet und der Nachfolger sich auf diesen bewirbt. Der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung muss die Zulassung des Nachfolgers genehmigen.
  5. Der Kaufpreis für den verkauften Gesellschaftsanteil und dessen Fälligkeit müssen vertraglich festgelegt werden.
  6. Der Kaufvertrag muss regeln, in welchem Umfang der Ausscheidende eine Gewährleistung für den verkauften Gesellschaftsanteil übernimmt, insbesondere ob er nur für die lastenfreie Übertragung des Eigentums einzustehen hat oder darüber hinaus Zusicherungen bezüglich der Wirtschaftlichkeit der Beteiligung übernimmt. Zudem sind Haftungsbeschränkungen zugunsten des Verkäufers zu bedenken.
  7. Der Nachfolger haftet qua Gesetz im Außenverhältnis für sämtliche Alt- und Neuverbindlichkeiten der BAG. Soweit die Beteiligten eine Haftung des Nachfolgers auch für Altverbindlichkeiten als unangemessen empfinden, können Sie im Innenverhältnis eine abweichende Regelung treffen und den Nachfolger freistellen.
  8. Nach dem Gesetz trifft den Ausscheidenden im Außenverhältnis eine fünfjährige Nachhaftung für Altverbindlichkeiten der BAG. Die Gesellschafter können den Ausscheidenden jedoch im Innenverhältnis freistellen.
  9. Es sollte geklärt werden, ob den Ausscheidenden ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot trifft oder dieser ggf. von einem bestehenden Wettbewerbsverbot befreit wird.

c. Anpassung des Gesellschaftsvertrags

Der Austritt des ausscheidenden Gesellschafters sollte zum Anlass genommen werden, den Gesellschaftsvertrag der BAG auf seine weitere Gültigkeit hin zu prüfen und an die veränderten Rahmenbedinungen anzupassen.

3. Kündigung der BAG

Wenn Sie keine Einigung mit Ihren Kollegen erzielen können, bleibt Ihnen, das Gesellschaftsverhältnis einseitig zu kündigen.

a. Kündigungsgrund

Die Gesellschaftsverträge von BAGs sehen regelmäßig ein ordentliches Kündigungsrecht vor. Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang, ob das ordentliche Kündigungsrecht ggf. für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen ist und, falls ja, ob dieser Ausschluss wirksam ist oder nicht. Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung zum ordentlichen Kündigungsrecht, ergibt sich dieses aus dem Gesetz.

Daneben kann ein außerordentliches Kündigungsrecht bestehen, sofern ein wichtiger Grund vorliegt, insbesondere weil dem Austretenden die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit den Kollegen nicht länger zugemutet werden kann. Häufig zählt der Gesellschaftsvertrag beispielhaft Ursachen auf, die als wichtiger Grund gelten. Das außerordentliche Kündigungsrecht kann niemals vertraglich ausgeschlossen werden.

b. Kündigungsfrist

Ordentliche Kündigungsrechte sind an Kündigungsfristen gebunden. Hierbei sind vorrangig die Vorgaben des Gesellschaftsvertrags zu prüfen. Überlange Kündigungsfristen können unwirksam sein. Falls der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmung der Kündigungsfrist enthält oder diese unwirksam vereinbart ist, muss das Gesetz berücksichtigt werden.

Die außerordentliche Kündigung ist grundsätzlich an keine Frist gebunden und kann daher fristlos erklärt werden.

c. Kündigungsschreiben

Im Regelfall enthält der Gesellschaftsvertrag Regeln über die Form des Kündigungsschreibens und an wen dieses zu richten ist. Der Kündigende muss diese Formvorgaben beachten und darüber hinaus sicherstellen, dass er den Zugang der Kündigung rechtssicher dokumentieren kann, z.B. durch Einschreiben bzw. Kurier oder Übergabe vor Zeugen.

d. Ausscheiden

In der Praxis führt die Kündigung im Regelfall dazu, dass die BAG mit der Kündigung nicht aufgelöst, sondern fortgesetzt wird, und der Kündigende aus der BAG ausscheidet.

e. Abfindung

Als Kompensation für den Verlust der Mitgliedschaft erhält der Ausscheidende eine Abfindung von der BAG. Die Höhe und Zahlungsmodalitäten sind in der Regel im Gesellschaftsvertrag festgelegt. Da die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen die Abfindung zulasten des Ausscheidenden beschränken, sollte stets anhand der Rechtsprechung überprüft werden, ob die Abfindungsbeschränkungen auch wirksam sind.

g. Nachhaftung

Der Ausscheidende haftet gem. § 160 HGB 5 Jahre für Altverbindlichkeiten der BAG. Je nach Gestaltung des Gesellschaftsvertrags kann der Ausscheidende jedoch im Innenverhältnis Befreiung von den Verbindlichkeiten der BAG verlangen.

h. Wettbewerbsverbot

Häufig regelt der Gesellschaftsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bzw. eine Patientenschutzklausel, die der Ausscheidende beachten sollte, um die Verwirkung einer Vertragsstrafe bzw. eine Haftung auf Schadensersatz zu vermeiden. Stets sollte das Wettbewerbsverbot auf seine Rechtswirksamkeit hin überprüft werden, falls dieses eine unbillige Benachteiligung zulasten des Ausscheidenden enthält.

4. Anwaltliche Beratung und Begleitung

Unsere medizin- und gesellschaftsrechtlich erfahrenen Anwälte unterstützen Sie gerne beim Austritt aus Ihrer Gemeinschaftspraxis. Wir prüfen mit Ihnen den besten Weg für Ihr Ausscheiden, führen Verhandlungen und erstellen alle erforderlichen Dokumente, damit der Austritt ein Erfolg wird. Bitte melden Sie sich jederzeit gerne, wenn Sie eine Frage haben oder eine Beratung wünschen.


Mit besten Grüßen, Dr. Alexander Dorn & Dr. Rainer Freudenberg, LL.M.

Foto(s): iStock


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