Gründung & Gesellschaftsvertrag einer Gemeinschaftspraxis (BAG)

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1. Wir wollen zusammenarbeiten!

Der Weg in die Selbständigkeit ist ein beruflicher Traum von vielen (Zahn)Ärzten (m/w/d). Gegenüber einer Anstellung in einer Klinik bietet die eigene Praxis größere Freiheit und höhere Verdienstmöglichkeiten. Verglichen mit einer Niederlassung als einzelner Arzt hat ein Zusammenschluss mit weiteren Kollegen den Vorteil, dass Ressourcen und Mitarbeiter gemeinsam genutzt und Kosten geteilt werden und die Patientenversorgung gemeinsam übernommen wird.

Durch die gemeinsame Berufsausübung von mehreren Ärzten entsteht eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), die umgangssprachlich auch als Gemeinschaftspraxis bezeichnet wird. Hierbei üben mehrere zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Leistungserbringer ihre vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam örtlich oder überörtlich in der Berufsausübungsgemeinschaft aus.

Eine Gemeinschaftspraxis ist von einer Praxisgemeinschaft abzugrenzen, bei der sich die Mitglieder nicht zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden, sondern lediglich Ressourcen wie Praxisräume, Geräte und Personal gemeinsam nutzen, aber im Übrigen unabhängige Praxen führen und individuell abrechnen. Mehr zur Praxisgemeinschaft können Sie in diesem Rechtstipp lesen.

Im Rahmen der Gründung sollten sich die Beteiligten für eine geeignete Rechtsform entscheiden (dazu unter 2.), einen auf ihre Bedürfnisse maßgeschneiderten Gesellschaftsvertrag abschließen (dazu unter 3.) und die Zulassung der BAG von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung erwerben (dazu unter 4.). Um Verzögerungen und Haftungsrisiken zu vermeiden, ist es ratsam, dass sich die Gründer dabei durch einen erfahrenen Rechtsanwalt unterstützen lassen. Daneben sollte die Gründung ebenfalls durch einen Steuerberater begleitet werden.

2. Welche Rechtsform?

Praktisch stehen (Zahn)Ärzten für eine Gemeinschaftspraxis in der Regel zwei Rechtsformen zur Verfügung:

  1. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
  2. Partnerschaftsgesellschaft (PartG / PartG mbB)

a. GbR

Die GbR stellt die Urform der gemeinschaftlichen freiberuflichen Berufsausübung dar. Sie ist eine Personengesellschaft und in den §§ 705 ff. BGB geregelt. 

Im Außenverhältnis haften die Gesellschafter persönlich mit ihrem gesamten Vermögen für sämtliche Verbindlichkeiten der GbR wie Mietvertrag, Personal, Regress und Behandlungsfehler. Gerade bei haftungsträchtigen "Kunstfehlern" kann dies im Fall einer unzureichenden Berufshaftpflichtversicherung zu einem wirtschaftlichen Totalschaden bei den Gesellschaftern führen. Die Gesellschaft sollte daher in jedem Fall eine ausreichende Versicherung unterhalten.

Das Innenverhältnis der Gesellschafter hinsichtlich Entscheidungsfindung, Gewinnverteilung etc. kann nach den individuellen Vorstellungen der Beteiligten ausgestaltet werden. Details zum Gesellschaftsvertrag finden Sie unten unter 3.

b. PartG (mbB)

Die Partnerschaftsgesellschaft ist eine moderne Rechtsform, die speziell für die gemeinsame Berufsausübung von Freiberuflern wie (Zahn)Ärzte, Anwälte oder Architekten geschaffen wurde. Sie ist ebenfalls eine Personengesellschaft und im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) normiert.

Im Gegensatz zu einer GbR bietet die PartG zwei interessante Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung der Gesellschafter für Berufsfehler (Behandlungsfehler etc.), während es bei der Haftung für sonstige Verbindlichkeiten der BAG wie Miete, Personal etc. bei der allgemeinen unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter bleibt (§ 8 Abs.1 PartGG):

  1. Haftungskonzentration in der "normalen" PartG:  Waren nur einzelne Partner mit der Behandlung eines Patienten befasst, so haften nur sie für "Kunstfehler" neben der Partnerschaft (§ 8 Abs. 2 PartGG).
  2. Die PartG mit beschränkter Berufshaftung (mbB): Für Verbindlichkeiten der Partnerschaft aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen und nicht die Gesellschafter persönlich, wenn die Partnerschaft eine zu diesem Zweck gesetzlich vorgegebene Berufshaftpflichtversicherung unterhält (§ 8 Abs. 4 PartGG) - vorausgesetzt das Berufsrecht des jeweiligen Bundeslandes hat diese Option freigeschaltet (so z.B. in Bayern und Baden-Württemberg, nicht jedoch in Hessen, Rheinland Pfalz und NRW). D.h. die persönliche Haftung für Berufsfehler kann grundsätzlich durch Abschluss einer geeigneten Versicherung ausgeschlossen werden (wichtige Ausnahme: deliktische Haftung nach §§ 823 ff. BGB). Der Name der Partnerschaft muss in diesem Fall den Zusatz „mit beschränkter Berufshaftung“ oder die Abkürzung „mbB“ oder eine andere allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten.

Das Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander kann wie bei einer GbR flexibel gestaltet werden.

c. Wechsel von GbR in PartG

Da die Gesellschafter einer Partnerschaftsgesellschaft besser vor einer Haftung wegen Behandlungsfehlern geschützt sind als in einer GbR, kann es sich empfehlen, eine bestehende GbR in eine PartG (mbB) umzuwandeln, was grundsätzlich jederzeit möglich ist.

Hierzu muss der Gesellschaftsvertrag angepasst und die Gesellschaft ins Partnerschaftsregister eingetragen werden. Zur Erlangung des privilegierten Status einer Partnerschaftsgesellschaft "mit beschränkter Berufshaftung" muss zudem eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen werden, soweit der zuständige Landesgesetzgeber diese Möglichkeit vorsieht.

d. GmbH

In einigen Bundesländern kann eine Arztpraxis ggf. auch als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet werden.  Ob dies sinnvoll und möglich ist, muss durch eine genaue rechtliche und steuerliche Prüfung im Einzelfall ermittelt werden.

Das Argument der rechtsformbedingten Haftungsbeschränkung bei einer GmbH greift im Fall der ärztlichen Versorgung nicht vollständig. Zwar haften die Gesellschafter grundsätzlich nicht für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (z.B. Miete, Personal), die Haftungsbeschränkung gilt jedoch nicht im Bereich von "Kunstfehlern", wenn eine deliktische Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB vorliegt.

Eine GmbH kann steuerliche Vorteile bieten, insbesondere durch die Möglichkeit, die behandelnden Ätzte anzustellen und eine Altersversorgung einzurichten. Demgegenüber steht ein höherer Aufwand für die Gründung und laufende Buchführung der Gesellschaft.

Die KV-Zulassung als Ärzte-GmbH ist dagegen häufig problematisch. In diesem Fall kann ggf. ein MVZ gegründet werden, wenn die Gesellschafter auf die Rechtsform einer GmbH bestehen. Mehr zum Thema MVZ finden Sie in diesem Rechtstipp.

3. Gesellschaftsvertrag - das juristische Herz der BAG

Der Gesellschaftsvertrag ist der zentrale Vertrag einer Gemeinschaftspraxis, der insbesondere folgende Bereiche regeln sollte:

a. Einlagen und Finanzierung

Die Gesellschaft benötigt Mittel, um den Geschäftsbetrieb aufzunehmen und bis zur Abrechnung der ersten Leistungen aufrechtzuerhalten. Daher sollte bestimmt werden, welche Einlagen die Gesellschafter bei Gründung erbringen. Dies können Geldbeträge oder Gegenstände wie Diagnosegeräte etc. sein.

Führt ein Gesellschafter bereits eine bestehende Praxis, kann diese als Einlage in die BAG eingebracht werden.

b. Beteiligung und Stimmrecht

Es muss bestimmt werden, in welchem Umfang jeder Gesellschafter am Vermögen der BAG beteiligt ist. Dies kann u.a. davon abhängen, welche Einlage ein Gesellschafter erbringt, wieviel Geschäft und Erfahrung dieser mitbringt etc.

Das Stimmrecht jedes einzelnen Gesellschafters bestimmt das rechtliche Kräfteverhältnis bei Abstimmungen im Gesellschafterkreis. Das Stimmrecht folgt häufig dem Umfang der Beteiligung, kann aber auch solidarisch nach Köpfen oder disquotal ausgestaltet werden.

c. Verteilung von Gewinn und Verlust

Von erheblicher Bedeutung sind passende Regeln zur Gewinnverteilung. Häufig entspricht die Gewinnverteilung der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen. Dies kann jedoch zu Unruhe im Gesellschafterkreis führen, wenn die Leistungsbeiträge der Gesellschafter deutlich hiervon abweichen. Alternativ kann deshalb auch eine Gewinnverteilung entsprechend der erzielten Umsätze oder der geleisteten Sprechstundenzeiten vorgesehen werden. 

Daneben sollte der Gesellschaftsvertrag klare Vorgaben enthalten, in welchem Umfang Entnahmen zulässig sind.

Ein Verlust wird regelmäßig entsprechend der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen auf die Gesellschafter verteilt.

d. Geschäftsführung und Vertretung

Im Regelfall wird es sich anbieten, dass die Gesellschafter Alltagsgeschäfte wie den Abschluss von Behandlungsverträgen und kleinere Ausgaben eigenverantwortlich entscheiden dürfen und ihnen insofern Einzelvertretungsbefugnis eingeräumt wird. 

Bei wichtigen Entscheidungen wie die Einstellung von Personal, Anschaffung von teuren Geräten, Änderung der Berufshaftpflicht etc. sollte der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Mehrheit, ggf. bis hin zu Einstimmigkeit vorschreiben.

Für den Fall von Unstimmigkeiten im Gesellschafterkreis kann eine Streitschlichtung bzw. Mediation vorgesehen werden.

e. Krankheit, Urlaub und Vertretung

Die Gesellschafter sollten sich überlegen, wie sie mit der Krankheit eines Arztes umgehen. Bei kürzeren Krankheiten und Urlaubsabwesenheit können sich die Ärzte entweder unentgeltlich vertreten oder man gleicht Vertretungszeiten durch Stunden- bzw. Tagessätze aus.

Im Fall einer länger andauernden Krankheit kann das Gewinnrecht des Betroffenen gekürzt und/oder eine Vertretung angestellt werden. Hat der Betroffene keine Aussicht auf Genesung, sollte dessen Ausschluss aus der BAG beschlossen werden können.

f. Haftung

Die Haftung im Außenverhältnis wird durch die gesetzlichen Vorgaben für die jeweilige Rechtsform vorgeschrieben. Siehe hierzu bereits oben unter 2.

Die Frage, wer die Haftung im Innenverhältnis unter den Gesellschaftern zu tragen hat und ob die anderen Gesellschafter Regress beim Verursacher nehmen dürfen, kann dagegen individuell im Gesellschaftsvertrag beantwortet. Insbesondere im Bereich von "Kunstfehlern" sollte geregelt werden, wer einen Schaden tragen muss, der nicht von der Haftpflichtversicherung gedeckt ist.

g. Trennung und Abfindung

Besonders wichtig sind klare Regeln für das Ausscheiden und die Abfindung von Gesellschaftern. Zunächst sollte ein Kündigungsrecht vorgesehen und bestimmt werden, welche Frist der Kündigende einhalten muss, z.B. 3-12 Monate. Im Weiteren müssen die Gründe, die zu einem Ausschluss eines Gesellschafters führen können, genau im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden, etwa Berufsunfähigkeit, Verlust der Approbation, Insolvenz etc. 

Im nächsten Schritt ist zu klären, welche Abfindung der Ausscheidende von der BAG erhält. Hierfür ist entscheidend, wie der Praxiswert bestimmt wird, wofür verschiedene Bewertungsmethoden zur Verfügung stehen (z.B. Buchwert oder Verkehrswert), und wie mit der Vertragsarztzulassung des Ausscheidenden verfahren wird. Für den Fall, dass sich die Gesellschafter nicht auf den Abfindungsbetrag einigen können, sollte der Gesellschaftsvertrag die Entscheidung durch einen Schiedsrichter vorsehen.

Schließlich kann der Gesellschaftsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vorsehen, dass der Ausscheidende der BAG für eine bestimmte Zeit (6-24 Monate) innerhalb eines bestimmten räumlichen Radius keinen Wettbewerb durch konkurrierende ärztliche Tätigkeit machen darf.

h. Aufnahme weiterer Gesellschafter

Die Aufnahme eines weiteren Gesellschafters in die BAG ist eine so grundlegende Angelegenheit, die in der Regel nur einstimmig von den Gesellschaftern beschlossen können werden sollte.

4. KV-Zulassung - ohne sie geht nichts

Die gemeinsame Berufsausübung in der BAG bedarf im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung neben der Zulassung der beteiligten Leistungserbringer der vorherigen Genehmigung durch den örtlich zuständigen Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung. 

Die Genehmigung wirkt konstitutiv und kann nicht rückwirkend erteilt werden, weshalb sie frühzeitig beantragt werden sollte.

Die Genehmigung setzt den Abschluss des Gesellschaftsvertrags der BAG voraus, aus dem die gemeinsame ärztliche Versorgung von Patienten hervorgeht. Der Gesellschaftsvertrag muss dem Zulassungsausschuss vorgelegt werden. Die Prüfung beschränkt sich jedoch auf die Einhaltung der vertragsärztlichen Vorgaben.

Die Leistungserbringer können ihren Beruf örtlich gemeinsam an einem Vertragsarztsitz oder überörtlich an verschiedenen Vertragsarztsitzen ausüben. Erstreckt sich die Tätigkeit einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft auf den Zuständigkeitsbereich unterschiedlicher Kassenärztlicher Vereinigungen, ist ein Hauptsitz zu wählen, an dem die Genehmigung beantragt wird.

Bei Zulassung einer BAG findet die Bedarfsplanung Anwendung, weshalb in gesperrten Bezirken kein Hauptsitz begründet werden kann. Es empfiehlt sich daher, vorab in Erfahrung zu bringen, ob es sich bei dem geplanten Standort um einen offenen oder gesperrten Bereich handelt.

5. Anwaltliche Begleitung bei der Gründung

Bei Gründung einer BAG muss eine Vielzahl von medizinrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen sowie steuerlichen Punkten beachtet werden. Unsere erfahrenen Rechtsanwälte begleiten Sie gerne auf diesem Weg. Bitte melden Sie sich jederzeit gerne, wenn Sie eine Frage haben oder ein Beratungsgespräch wünschen.


Mit besten Grüßen, Dr. Alexander Dorn & Dr. Rainer Freudenberg, LL.M.

Foto(s): iStock


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