Autismus, Schwerbehinderung und Pflegeversicherung
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Bei Behinderung denkt man zunächst an körperlich beeinträchtigte Menschen oder sofort erkennbare geistige Behinderung. Autisten sieht man die Behinderung nicht auf den ersten Blick an. Daher fühlen sich viele Menschen bzw. Angehörige von Kindern mit autistischen Ausprägungen nicht „schwerbehindert” und verzichten daher auf den Behindertenstatus.
Bei Behörden und in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung herrscht schon sehr lange die Erkenntnis, dass Autismus – inklusive dem Asperger-Syndrom – eine schwerwiegende Behinderung ist und daher die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (übrigens auch am Arbeitsleben, aber das ist ein andere Frage) beeinträchtigt.
Fraglich ist das Ausmaß: Ist es „nur“ eine Behinderung oder schon eine Schwerbehinderung, vielleicht sogar mit Nachteilsausgleichen?
M. a. W.: Wie groß sind die qualitativen Beeinträchtigungen, vor allem in den Bereichen Interaktion, Kommunikation und Interessen. Vorschnell als „Sonderlinge“ (oder freundlicher als „Eigenbrötler“) abgestempelt, sind Betroffene nicht „ein bisschen komisch“. Die Erkrankung ist auch keineswegs „schick“, wie sie kurzzeitig nach dem Hollywoodfilm „Rainman“ wirkte. Die Beeinträchtigung ist stattdessen zentral und betrifft viele Lebensbereiche. Betroffene brauchen Unterstützung und die ist kostspielig. Grund genug für sie und Angehörige, sich um einen Schwerbehindertenstatus zu kümmern und sich damit Erleichterung (steuerlich, in Ausbildung und Beruf etc.) zu verschaffen.
Zumal der Betroffene den Behindertenstatus nicht zwingend angeben muss, z. B. bei einer Bewerbung. Man kann auf eventuelle Nachteilsausgleiche und Vergünstigungen verzichten, macht sich aber nicht strafbar.
Schwerbehinderung wird bemessen nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Entwicklungsstörungen wie z. B. Asperger-Autisten sind darin in einem eigenen Punkt erwähnt: Ein Grad der Behinderung von 20 – 100 ist dabei möglich. Messlatte sind in diesem Fall die Anpassungsstörungen:
- ohne sozialen Anpassungsstörungen: 10 – 20
- bei leichten sozialen Anpassungsstörungen: 30 – 40
- bei mittleren sozialen Anpassungsstörungen: 50 – 70
- bei schweren sozialen Anpassungsstörungen: 80 – 100
Kriterium für die Anpassungsstörungen ist die Integration in verschiedene Lebensbereiche (z. B. Regelschule, Arbeitsmarkt, öffentliches Leben). Belegen lässt sich das anhand von Schulzeugnissen, dem Vorsorgeuntersuchungsheft, Berichten von Kinder- und Jugendpsychiatern.
Häufig liegen auch die Voraussetzungen für gesundheitliche Nachteilsausgleiche wie „G“ (erhebliche Gehbehinderung), „B“ (Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen) oder „H“ (Hilflos) vor. Seltener, aber nicht unmöglich ist „aG“ (außergewöhnlich gehbehindert, hierzu zählen auch Störungen der Orientierungsfähigkeit).
2017 wurde die Pflegeversicherung geändert von Pflegestufen in Pflegegrade. Lag der Fokus bis dahin auf körperlichen Einschränkungen, werden nun auch verstärkt geistige / seelische Behinderungen bewertet. Eigene Prüfungspunkte sind kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.
Zentrale Punkte treffen gerade auch auf Asperger- Autisten zu:
- mangelnde Gefahreneinsicht
- keine bzw. mangelnde Wahrnehmung und Äußerung von eigenen Bedürfnissen (trinken, essen, schlafen, zur Toilette gehen …)
- erhöhter Aufwand durch notwendige 1:1-Begleitung
- mangelnde bis hin zu nichtvorhandene Kommunikation mit Anderen
Gerade im Hinblick auf Unterstützungsleistungen in Schule, Ausbildung und Beruf kann ich nur dazu raten, sich Gedanken über einen Feststellungsantrag zu machen. Sollten Sie hierbei auf Probleme stoßen, stehe ich Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite!
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