Auto-Kaufverträge im Zuge des Dieselabgasskandals über § 134 BGB nichtig?

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Wer einmal die Zulassung eines Neuwagens beantragt hat, dem dürfte die EG-Übereinstimmungsbescheinigung ein Begriff sein. Nach der Überprüfung einer neuen Gruppe Kraftfahrzeuge durch das Kraftfahrt-Bundesamtes stellt dieses dem Hersteller eine Typengenehmigung aus. Damit der spätere Käufer der zuständigen Zulassungsbehörde diese Typengenehmigung nachweisen kann, ist seit 1996 eine durch den Hersteller ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung verpflichtend. So wird der Zulassungsbehörde auf einfachem Wege der Nachweis über die, durch das Kraftfahrt-Bundesamt bestätigte, Verkehrssicherheit des Fahrzeuges übermittelt.

An sich ein simples Verfahren. Doch wenn der Hersteller die Typengenehmigung durch Täuschung erhält, so ist fraglich, ob die Übereinstimmungserklärung gültig ist. Diese ursprünglich eher theoretische Frage ist durch den Dieselskandal relevant geworden.

Verstoß könnte Nichtigkeit des Kaufvertrags zur Folge haben

Die Übereinstimmungsbescheinigung ist unter anderem in § 27 I 1 EG-FGV geregelt. Ein Verstoß gegen sie könnte ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB darstellen. Ist dies der Fall, so wäre ein Kaufvertrag nichtig, mit der Folge, dass der Käufer sowohl das Auto zurückgeben als auch eventuell daraus gezogene Nutzungen ausgleichen müsste.

Verstoß gegen § 27 I 1 EG-FGV notwendig

Damit eine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB vorliegen kann, müsste zunächst ein Verstoß gegen § 27 I 1 EG-FGV vorliegen. Ein solcher läge vor, wenn die Typengenehmigung zu Unrecht erteilt wurde und dies die Übereinstimmungsbescheinigung ungültig machen würde. Da die Genehmigung bei abgasmanipulierten Fahrzeugen immer zu Unrecht erteilt wurde, ist zu klären, ob die Übereinstimmungsbescheinigung selbst dadurch ungültig wird.

Uneinigkeit über Wirksamkeit der Bescheinigung

Ein Teil der rechtswissenschaftlichen Literatur geht davon aus, dass die Bescheinigung materiellrechtlicher Natur ist. Wäre die Bescheinigung rein formeller Natur, würde dies die zuständige Zulassungsbehörde in ihren Kompetenzen beschneiden. Sie wäre, so die Argumentation, bei dem öffentlich-rechtlichen Hoheitsakt der Erteilung der Zulassung von einem privaten Automobilhersteller abhängig.

Dagegen spricht jedoch, dass die Bescheinigung lediglich den Fahrzeugbehörden den Nachweis über die Typengenehmigung, durch das Kraftfahrt-Bundesamt bestätigen soll. Dadurch muss die Fahrzeugbehörde nicht selbst eine Prüfung veranlassen, wodurch ihr Arbeit erspart wird. Der materielle Teil der Prüfung wird vielmehr bereits durch das Kraftfahrt-Bundesamt vorgenommen.

Es kommt also nicht auf materielle Richtigkeit der Bescheinigung an, sondern nur auf die formelle.

Stellt § 27 I 1 EG-FGV ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB dar?

Folgt man dieser deutlich überzeugenderen Meinung, braucht man sich nicht mehr mit der Möglichkeit des § 134 beschäftigen.

Da dies allerdings noch keine gesicherte Rechtsprechung darstellt, lohnt sich ein weiterer Blick darauf, ob, wenn man davon ausgeht, dass die Bescheinigung materiellrechtlicher Natur ist, sie auch ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB darstellt.

Normzweck spricht gegen Einordnung als Verbotsgesetz

Der BGH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung einige Kriterien genutzt, um einen Verbotscharakter zu unterstellen. Als starkes Indiz dafür, wertet er den Adressatenkreis einer Norm. Je größer dieser ist, desto eher handelt es sich um ein Gesetz mit Verbotscharakter. Wird, wie hier, nur eine Vertragspartei adressiert, so spricht dies eher gegen einen Verbotscharakter des Gesetzes.

Wichtiges Kriterium ist außerdem der Normzweck von § 27 I 1 EG-FGV. Dieser dürfte wohl vor allem in der Sicherung des Straßenverkehrs und dem Schutz der Umwelt liegen und gerade nicht in der Nichtigkeit von Kaufverträgen. Dies wäre jedoch die Folge, würde man § 27 I 1 EG-FGV als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB klassifizieren.

Rechtsfolgen wären sowohl für Käufer als auch Verkäufer katastrophal

Ein sehr gewichtiges Argument gegen die Auslegung von § 27 I 1 EG-FGV als Verbotsgesetz, ist die Tatsache, dass der Käufer dann nicht auf die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte der §§ 433 ff BGB zurückgreifen kann. Stattdessen müssten Käufer auf die für sie ungünstigeren §§ 812 ff BGB zurückgreifen. Insbesondere müssten sie gemäß § 818 BGB für die gezogenen Nutzungen Ausgleichszahlungen an den Verkäufer entrichten. Ein solches Ergebnis ist sicherlich nicht mehr von dem Sinn des § 27 I 1 EG-FGV umfasst, wäre allerdings die Konsequenz würde man es als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB klassifizieren. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Käufer nichts von der Manipulation wussten und sowieso die Leidtragenden des Dieselskandals sind, ein absolut untragbares Ergebnis.

Verbraucherfreundliches Urteil wahrscheinlich

Zwar ist, wie bei so vielen anderen Rechtsfragen rund um den Dieselskandal, noch kein höchstrichterliches Urteil gesprochen. Doch gibt es viele gute Gründe, warum der BGH § 27 I 1 EG-FGV nicht als Verbotsgesetz einstufen sollte.

Insbesondere der Bruch mit den in der bisherigen Rechtsprechung festgelegten Kriterien und dem katastrophalen Ergebnis für Käufer eines vom Dieselskandals betroffenen Autos sollten stark genug wiegen, damit kein Kaufvertrag aufgrund von § 27 I 1 EG-FGV unter § 134 fallen sollte.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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