Autounfall: Wenn der Kfz-Gutachter sich verschätzt
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Nach wie vor scheint das Auto des Deutschen liebstes Kind zu sein. Es wird getunt, gepimpt und ständig auf Hochglanz poliert. Umso schlimmer ist es, wenn der Wagen bei einem Unfall stark beschädigt wird. Hier darf der Eigentümer jedoch keine Unsummen für die Reparatur verlangen – will er das Kfz behalten, darf er von seinem Unfallgegner höchstens 130 % des Wiederbeschaffungswerts fordern. Das wiederum ist der Betrag, den er aufwenden müsste, um das gleiche bzw. ein gleichwertiges Kfz im unbeschädigten Zustand zu erwerben. Doch welchen Betrag darf der Geschädigte verlangen, wenn die Reparaturkosten entgegen eines Kfz-Gutachtens 130 % des Wiederbeschaffungswerts überschreiten?
Streit um Reparaturkosten
Nach einem Unfall stritten die Beteiligten gerichtlich um die Höhe der zu zahlenden Reparaturkosten. Die wollte der Unfallverursacher nämlich nicht komplett erstatten, weil sie den Wiederbeschaffungswert des Kfz um mehr als 30 % überschritten. Das habe ein vom zuständigen Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt. Die Reparatur sei im Verhältnis zum Fahrzeugwert somit unwirtschaftlich gewesen. Ein Ersatzanspruch bestehe daher nur in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands.
Der Geschädigte erklärte, die Reparatur seines Wagens von den Ergebnissen eines TÜV-Gutachtens abhängig gemacht zu haben. Danach hätten die Reparaturkosten nur 121 % des Wiederbeschaffungswerts betragen. Dass sich diese Einschätzung später als falsch herausstellte, dürfe ihm – dem Geschädigten – nicht angelastet werden.
Unfallverursacher muss zahlen
Das Landgericht (LG) Köln verpflichtete den Unfallverursacher zum Ersatz sämtlicher Reparaturkosten.
In der Regel möchte ein Unfallopfer das ihm bereits vertraute Fahrzeug behalten und reparieren lassen. Das kann unter Umständen aber mehr kosten als der Erwerb eines gleichen bzw. gleichwertigen Kfz. Die Rechtsprechung lässt deshalb einen Aufschlag von 30 % auf den Wiederbeschaffungswert des Wagens zu. Wird auch der überschritten, kann der Geschädigte nur noch den Wiederbeschaffungsaufwand verlangen – also die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert des Kfz.
Zwar war die 130-Prozent-Grenze vorliegend überschritten – allerdings wusste das der Geschädigte nicht, als er die Reparatur in Auftrag gab. Zu diesem Zeitpunkt war er aufgrund eines TÜV-Gutachtens vielmehr davon überzeugt, dass die Reparaturkosten nur 121 % des Wiederbeschaffungswerts betragen. Er war daher berechtigt, sein Fahrzeug auf Kosten des Unfallgegners bzw. dessen Kfz-Versicherung reparieren zu lassen. Das Risiko, dass sich ein Gutachten später als unrichtig erweist, ist nämlich nicht vom Geschädigten, sondern vom Unfallverursacher zu tragen. Der hat den Unfallgegner schließlich erst in „die missliche Lage gebracht“.
Anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die Fehleinschätzung des Gutachters durch den Geschädigten verursacht wurde, z. B. weil dieser Vorschäden verschwiegen hat. Hiervon war vorliegend jedoch nichts ersichtlich.
Fazit: In der Regel dürfen die Reparaturkosten 130 % des Wiederbeschaffungswerts nicht überschreiten. Anderes kann aber gelten, wenn die Reparatur aufgrund eines Gutachtens in Auftrag gegeben wird – und sich erst später herausstellt, dass entgegen dem Gutachten die 130-Prozent-Grenze überschritten wurde.
(LG Köln, Urteil v. 04.06.2015, Az.: 9 S 22/14)
(VOI)
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