BAG: Entschädigung wegen Diskriminierung kann durch nachträgliche Abgeltungsklausel ausgeschlossen werden

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Das Bundesarbeitsgericht hatte in einem aktuellen Fall (Az.: 8 AZR 371/20) u.a. darüber zu entscheiden, ob die Durchsetzung eines möglichen Entschädigungsanspruchs wegen einer verbotenen Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) durch eine nachträgliche Abgeltungsklausel ausgeschlossen sein kann. 

LAG bejahte Benachteiligung, lehnte aber Entschädigung ab

Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass der beklagte Arbeitgeber sie mittelbar, aufgrund ihres Geschlechts und ohne sachliche Rechtfertigung, benachteiligte. So sah sie in einer tarifvertraglichen Regelung, die eine unterschiedliche Behandlung von Mehrarbeit bei Voll- und Teilzeitkräften regelte, eine geschlechtsbezogene Diskriminierung, da zumeist Frauen in Teilzeit arbeiten würden. Deshalb verlangte die Klägerin eine Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern. Das Hessische Landesarbeitsgericht bejahte zwar eine mittelbare Benachteiligung und verurteilte den Arbeitgeber zu einer (eher symbolischen) Gutschrift von Mehrarbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin, wies aber die weitere Forderung nach einer Entschädigung zurück. Dies begründete das LAG Hessen v.a. mit einem geringen Verschulden des Arbeitgebers, der die Tarifnorm lediglich vollzog. Zudem komme es bei der Schwere der Benachteiligung auch darauf an, ob es sich um eine unmittelbare oder - wie im vorliegenden Fall - um eine mittelbare Diskriminierung handele. Im letzteren Fall sah das LAG eine Entschädigungszahlung gem. § 15 Abs. 2 AGG als nicht bzw. nur in geringer Höhe gegeben an, womit ein Anspruch auf Entschädigung nicht gegeben sei.

Die Parteien schlossen später einen Aufhebungsvertrag ab, der eine sog. Abgeltungsklausel enthielt. Die Klausel enthielt u.a. den folgenden (typischen) Wortlaut

"Mit vollständiger Erfüllung dieses Aufhebungsvertrages sind sämtliche wechselseitige Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrunde, gleich ob bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt."

BAG hebt verschuldenunabhängige Haftung gem. § 15 AGG hervor....

Mit ihrer Revision verfolgte die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch weiter. Ihrer Meinung nach, komme es bei einer Benachteiligung und damit bei der Festsetzung einer Entschädigung nach AGG, nicht auf ein Verschulden des Arbeitgebers oder eine Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung an. Ihr Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG sei auch nicht von der o.g. Abgeltungsklausel erfasst, da dies nicht mit der Unabdingbarkeit ihres Entschädigungsanspruchs nach § 31 AGG in Einklang zu bringen sei. 

In seiner Entscheidung betonte das BAG zunächst, dass eine Entschädigung gem.      § 15 Abs. 2 AGG eine "wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber" entfalten müsse. Diesem Zweck würde eine "rein symbolische" Entschädigung, wie hier die Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin, nicht gerecht. Ebensowenig kommt es auf ein Verschulden des Arbeitgebers an, wie sich aus der Gesetzesbegründung des Gesetzgebers ergäbe. Desweiteren verbiete sich eine Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung, da damit lediglich unterschiedliche Formen der Diskriminierung beschrieben werden, ohne eine Aussage zur Schwere der Benachteiligung  und damit zur Höhe eines Entschädigungsanspruchs zu treffen, so das BAG in seiner Begründung.

...und lehnt eine Entschädigung doch noch wegen der Abgeltungsklausel ab.

Zwar stünde der Klägerin somit grundsätzlich die volle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu, dieser Anspruch sei aber von der o.g. Abgeltungsklausel im Aufhebungsvertrag umfasst und damit erloschen. Die Unabdingbarkeit gem. § 31 AGG verbietet einen Ausschluss oder eine Beschränkung des Entschädigungsanspruchs, jedoch treffe dies nur auf Vereinbarungen zu, die im Voraus zwischen den Parteien getroffen würden, führte das BAG aus.

§ 31 AGG stehe einer nachträglichen Abgeltungsklausel, die auch etwaige Ansprüche aus der Vergangenheit umfasse, gerade nicht entgegen, so das BAG in seiner Begründung. Tatsächlich hätten die Parteien mit der Klausel sämtliche - also auch die bereits geltend gemachten - Forderungen abgelten bzw. bereinigen wollen. Der Klägerin hätte es aber freigestanden, ob sie dies akzeptieren oder ihre Ansprüche weiterverfolgen wolle. Dies stehe im Übrigen auch mit dem im § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 AGG formulierten Wunsch des Gesetzgebers, eine gütliche Einigung zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu ermöglichen.

Somit ging die möglicherweise diskriminierte Klägerin letztlich doch leer aus, weil sie sich auf die Abgeltungsklausel einließ ohne die weitreichenden Konsequenzen zu berücksichtigen.

Damit Ihnen das nicht passiert, sollten Sie sich vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags unbedingt vor Unterzeichnung (!) umfassend beraten lassen. Sprechen Sie mich hierfür einfach an.



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