BAG: Keine Umgehung des Equal Pay-Grundsatzes durch besseres Verhandlungsgeschick

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Mit seinem Urteil vom 16.02.2023 (Aktenzeichen: 8 AZR 450/21) ist das Bundesarbeitsgericht (BAG) einen wichtigen Schritt in Richtung echter Entgeltgleichheit gegangen. Ob die Entscheidung lediglich einen Einzelfall betrifft oder die von vielen erhoffte grundsätzliche Bedeutung hat, wird sich allerdings erst der schriftlichen Urteilsbegründung entnehmen lassen.

Das Gericht hat in seinem Urteil der Privatautonomie zu Gunsten der Entgeltgleichheit Grenzen gesetzt und entschieden, dass das Gebot zur gleichen Vergütung von Männern und Frauen nicht durch geschickte Gehaltsverhandlungen umgangen werden kann. Eine Frau habe Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahle. Daran ändere nichts, wenn der männliche Kollege ein höheres Entgelt fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.

Dem Urteil liegt eine Klage einer Arbeitnehmerin zugrunde, die im Jahr 2017 eine neue Stelle als Außendienstmitarbeiterin antrat und von ihrem Arbeitgeber 3.500,00 EUR brutto monatlich für 40 Arbeitsstunden pro Woche erhielt. Ein Kollege, der zwei Monate vor ihr bei dem Unternehmen angefangen hatte, bekam 1000 Euro brutto mehr pro Monat. Ihm hatte die Firma zwar dasselbe Angebot wie der Klägerin vorgelegt, der Mann lehnte dieses allerdings ab und bekam daraufhin mehr. Als die Klägerin von der Gehaltslücke gegenüber ihrem männlichen Kollegen erfuhr, reichte sie Klage ein.

Sowohl das Arbeitsgericht Dresden als auch das Landesarbeitsgericht Sachsen verneinten einen Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot und wiesen die Klage ab. Der zeitgleich mit der Klägerin eingestellte Kollege sei lediglich zu einem höheren Gehalt bereit gewesen, den Job anzunehmen. Das Interesse des Unternehmens an der Mitarbeitergewinnung sei ein objektives Kriterium, das die Gehaltsunterschiede rechtfertige. Es hätten folglich ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht der Klägerin zu deren ungünstigerer Behandlung geführt.

Das Bundesarbeitsgericht widersprach nun den Vorinstanzen. Die Klägerin habe einen Anspruch aus Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten hat als ihr männlicher Kollege, begründe die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei. 

Der Beklagten sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe oder dass er einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt sei.

Das Gericht hat damit in Ergebnis klargestellt, dass allein das Verhandlungsgeschick von Beschäftigten keine Rechtfertigung für eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung darstellt.

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